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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 30
53. Jahrgang | Februar
ver.die
Fachgruppe Musik
Endlich steht es fest: alles bleibt anders
Berlins Opernstiftung, ein Modell für andere Kommunen?
Ja, Karl Valentin hatte recht, als er sagte: „Kunst ist
schön, macht aber viel Arbeit“. Es hat viel Arbeit gemacht,
die drei Opernhäuser in Berlin zu erhalten. Aber es ist auch
ein großer Erfolg, dass es uns mit Hilfe der Bundesregierung
gelingen wird, die drei Musiktempel in eine Stiftung zu überführen.
Dieses kann zum Modell für andere Bundesländer und Kommunen
werden.
Komische Oper Berlin (unser
Bild): nicht nur Repräsentation und Lichterglanz, hier
wird auch Geld erwirtschaftet. Die Kulturwirtschaft in Berlin
– privat oder öffentlich – ist ein ökonomischer
Schlüsselsektor. Foto: Komische Oper
Dennoch kann nichts so bleiben wie es ist. Wir müssen die
Weichen für die Zukunft stellen und das heißt, die Beteiligten
müssen sich auf veränderte Bedingungen einstellen. Es
bedeutet Kostensenkung durch Synergien und Einnahmensteigerungen
durch entsprechende Marketingmaßnahmen. Ich will dies am Beispiel
der Opernstiftung darstellen.
Der Bund übernimmt ab 2004 die finanzielle Verantwortung
für folgende Einrichtungen:
Akademie der Künste, Stiftung Deutsche Kinemathek, Freunde
der Deutschen Kinemathek und den Berliner Anteil an der Finanzierung
des Betriebshaushaltes des „Hamburger Bahnhofs“.
Hierdurch ergeben sich Haushaltsentlastungen für Berlin von
etwa 16,5 Millionen Euro. Drei weitere Millionen fließen einmalig
in die Gründung der Stiftung „Oper in Berlin“ und
mit zirka sechs Millionen Euro wird der Struktur- und Abfindungsfond
der Opern ausgestattet. Damit erhöht sich das kulturelle Engagement
des Bundes in Berlin „zusätzlich und dauerhaft“
um 22 Millionen Euro.
In Berlin werden in diesem Jahr ungefähr 370 Millionen Euro
für die „Kultur“ ausgegeben. Vierzig Prozent davon
erhalten die Opern und Theater. Der Rest bleibt für die übrigen
kulturellen Aufgaben wie Orchester, Tanz, Bildende Kunst und Projekte
der freien Szene. Das Budget für unsere drei Opern liegt bei
113 Millionen Euro und wird bis 2009 auf 96,8 Millionen Euro abgesenkt.
Wie wird das Stiftungsmodell „Oper in Berlin“ aussehen?
Unter dem Dach der Stiftung soll es fünf GmbHs geben. Das sind
die drei Opern, eine Ballett- und eine Service-GmbH (Werkstätten
etc.). Die drei Häuser werden wirtschaftlich eigenständig
und künstlerisch autonom unter dem Stiftungsdach staatsfern
geführt.
Die Leitung der Stiftung wird aus dem Stiftungsvorstand gebildet,
der aus dem Generaldirektor, den drei Intendanten und den kaufmännischen
Geschäftsführern besteht. Es wird weiter einen Stiftungsrat
geben, der die Funktion eines Aufsichtsrates übernimmt. Im
Stiftungsrat, der eigentlich staatsfern arbeiten soll, sitzt der
Kultursenator, ebenso auch der Finanzsenator und fünf kompetente
Sachverständige, die nicht vom Parlament, sondern vom Senat
ernannt werden sollen und somit jeglicher Einflussnahme des Parlamentes
entzogen sind. Durch die Stiftungsgründung sollen ökonomische
und kulturelle Voraussetzungen für eine hochwertige und qualifizierte
Profilbildung der drei Häuser geschaffen werden. Die Vorteile
liegen in der Reduzierung der Aufgaben, vereinfachten Betriebsabläufen,
einheitlichen Tarifverträgen, Schaffung von Synergien durch
Kooperationen und in der Zentralisierung von Serviceaufgaben und
so weiter.
Allerdings gibt es noch Klärungsbedarf in einigen Punkten.
Es geht z.B. um Fragen der betrieblichen Mitbestimmung oder um Personalrückkehr-rechte
zum Land Berlin im Falle von Insolvenzen. Die geforderte Planungssicherheit
über einen Zeitraum von fünf Jahren ist im Stiftungsgesetz
noch nicht verbindlich festgelegt. Die Zuwendungsverträge stehen
unter Haushaltsvorhalt. Ein künstlerisches Konzept für
die geplante Ballett GmbH steht noch aus. Die Verträge der
Kompagnien der Deutschen Oper und der Komischen Oper sind zum großen
Teil, beziehungsweise komplett nicht verlängert worden, um
von zurzeit 118 Tänzer/-innen auf die vorgesehenen 88 Tänzerstellen
zu kommen. Diese 88 Tänzer/-innen müssen zwei Häuser
bespielen. Hier stellt sich die Frage, ob eine eigene Ballett-GmbH
überhaupt erforderlich ist oder es nicht sinnvoll wäre,
das Ballett an ein Haus zu binden und mittels Kooperationsverträgen
an die anderen Häuser zu verpflichten.
Die Opern sollen selbstverantwortlich wirtschaftlich arbeiten.
Allerdings gibt es noch kein Modell, das Quersubventionierungen
ausschließt. Dieses bedeutet, dass die Häuser noch untereinander
haften, falls eines in die Insolvenz geht. Wie daher ein zu gründender
Liquiditätsfond der Stiftung zu füllen ist, bleibt der
Kreativität der Verantwortlichen überlassen.
Vor dem Start der Stiftung müssen die Häuser entschuldet
werden. Diese Frage ist ebenfalls noch offen. Dies bedarf allerdings
nur eines Federstrichs des Finanzsenators, da die Rechnungen der
Häuser ja längst bezahlt sind und die Schulden praktisch
nur noch auf dem Papier bestehen.
Wir haben drei einmalige Opern in Berlin. Praktisch bedeutet das,
weltweit für Besuche in unseren Opern zu werben. Nicht zuletzt
sind unsere kulturellen Einrichtungen ein zentraler Standortfaktor
für unsere Stadt. Unsere Kultureinrichtungen kosten nicht nur,
sie erwirtschaften auch einiges. Kulturwirtschaft in Berlin –
privat oder öffentlich – ist ein ökonomischer Schlüsselsektor.
Leider sehen wir Kulturförderung immer noch nicht unter dem
Aspekt der Investition und Wirtschaftsförderung. Was wir daher
dringend brauchen, ist ein ressortübergreifendes kulturpolitisches
Konzept, und zwar eines, das über eine Legislaturperiode hinausgeht.
Trotz aller Kritik – wir sollten uns freuen, dass die Stiftung
endlich auf den Weg gebracht wurde. Die destruktive Debatte der
letzten Jahre hat der Opernlandschaft in Berlin und damit der Kultur
insgesamt geschadet. Selbstverständlich darf man dennoch nicht
die Augen vor den finanziellen Zwängen unserer Stadt verschließen.
Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser sind unendlich wichtig
und gehören auf die Prioritätenliste! Aber Kunst und Kultur
sind wichtige Kräfte für alle Bereiche des gesellschaftlichen
Lebens. Und wenn wir uns als Kulturstaat definieren, dann heißt
das, dass wir unser Bewusstsein nicht nur auf wirtschaftliche oder
soziale Leistungen konzentrieren, sondern darauf, dass Kultur selbstverständlicher
Bestandteil unseres Daseins ist. Kultur darf kein schmückendes
Beiwerk sein, sie muss für unser geistiges Gleichgewicht unverzichtbarer
Bestandteil sein. Das wird auch in Zukunft viel Arbeit machen.
Brigitte Lange, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion
im Abgeordnetenhaus Berlin