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nmz-archiv
nmz 2004/03 | Seite 4
53. Jahrgang | März
Cluster
Kultur-Los?
Es ist doch schizo: Gerade demonstriert die Phono-Industrie bei
der Echo-Preisverleihung in Berlin ihre wellness-gestählte
Potenz. Die synthetischen Glücks-Drogen aus den Retorten der
Casting-Shows fletschen ihre gebleechten Gebisse lachähnlich
zur Seligmachung von Produzenten, Company-Vorständen und einer
Rotte gekaufter Journaille. Edel-Sushi müffelt transpazifisch
im Glamour-Light, Hummerhüllen knacken und der Schampus strömt
wie zu besten Boom-Zeiten. Alles wird gut. Gleich nebenan regiert
der realkapitalistische Jammer. Umsatz-Einbrüche, Firmen-Fusionen,
blanke Angst um Arbeitsplätze. Ein beinharter Sparkurs ist
angesagt. Den Gürtel enger schnallen sollen auf Dauer gerade
die Kreativen. Komponisten und Texter mögen doch bitte ein
paar Prozentkrümel ihres Tantieme-Tortenstückchens abtreten
an die Major-Lazarusse, die unter Damast-Tischdecken fetter Rendite
aus ihrem jahrelangen Umsatz-Vollrausch in die tief deprimierende
Katerphase einer Branchen-Krise geschliddert sind. Geschliddert?
Schuld sind doch immer die Andern. Die moralisch verkommenen Schulhof-Kopisten,
die Internet-Piraten und zuvörderst natürlich die Künstler.
Den Komponisten fällt nix mehr ein, die Texter reimen blöd
und die Sänger haben Stimmbandschwund. Dafür müssen
sie Opfer bringen. Wie wir alle. Logo – und prost.