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nmz-archiv
nmz 2004/04 | Seite 35
53. Jahrgang | April
Bayerischer Kulturrat
Die Frage nach der Dignität des Menschen
25 Jahre Griechisch-Deutsche Initiative
Das „Europäische Zentrum für wissenschaftliche,
ökumenische und kulturelle Zusammenarbeit e. V. – Griechisch-Deutsche
Initiative“ wurde im Jahre 1979 auf Anregung des Würzburger
Universitätsprofessors für Byzantinistik und Neugriechische
Philologie, Dr. Evangelos Konstantinou, durch eine Gruppe von Professoren,
Politikern und Studenten in Würzburg gegründet.
Hauptanliegen der Initiative ist es, die deutsch-griechischen Beziehungen,
die auf eine lange Tradition enger und fruchtbarer Zusammenarbeit
vor allem auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet zurückblicken
können, zu pflegen und im Rahmen des sich einigenden Europa
weiter auszubauen.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Griechisch-Deutsche Initiative
Würzburg eine Vielzahl von Aktivitäten entwickelt, von
denen hier einige kurz umrissen werden sollen: durch die Griechisch-Deutsche
Initiative Würzburg werden vornehmlich für Jugendliche
und junge Erwachsene Ferienseminare durchgeführt, die dem Erlernen
der jeweils anderen Sprache dienen. Im Rahmen dieser Sprachausbildung
haben die Teilnehmer während ihres Aufenthaltes im Gastland
die Gelegenheit, auch das Leben der dortigen Bevölkerung mitzuerleben;
dies wird insbesondere dadurch gefördert, dass die Seminarteilnehmer
in Gastfamilien untergebracht werden.
Des weiteren ist die Griechisch-Deutsche Initiative Würzburg
auch bei der Initiierung von Schulpartnerschaften zwischen Schulen
vergleichbarer Form in beiden Ländern behilflich. Aufgrund
ihres unermüdlichen Engagements war es möglich, bereits
eine beachtliche Anzahl von Schulpartnerschaften ins Leben zu rufen.
Für ihre Mitglieder und andere Interessenten veranstaltet
die Griechisch-Deutsche Initiative Würzburg neben zahlreichen
Einzelvorträgen regelmäßig wissenschaftliche Symposien.
Im Rahmen dieser Symposien werden für die griechisch-deutschen
Beziehungen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bedeutende Themen
behandelt; so unter anderem „Die wissenschaftlichen und kulturellen
Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland“, „Die
deutsch-griechische Zusammenarbeit im schulischen Bereich“,
„Griechische Migration in Europa: Vergangenheit und Gegenwart“
und „Nürnberg und das Griechentum in Geschichte und Gegenwart“
erfolgreich durchgeführt.
Die Gesamtarbeit der Griechisch-Deutschen Initiative Würzburg
wird in der vom Präsidenten der Initiative, Prof. Dr. Evangelos
Konstantinou, herausgegebenen, halbjährlich erscheinenden Zeitschrift
„Philia“ dokumentiert, die darüber hinaus wichtige
Beiträge aus den Bereichen Wissenschaft, Ökumene und Kultur
einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht.
Nach Prof. Dr. Evangelos Konstantinou basieren die Aufgaben und
Ziele der Initiative auf folgenden grundsätzlichen Überlegungen
und Erkenntnissen: „Das neue Millennium, in das die Menschen
unseres Kontinents große Hoffnungen gesetzt haben, hat bereits
begonnen. Die Anzeichen jedoch für eine bessere Zukunft fehlen
immer noch. Das einzige magische Wort, das die gegenwärtige
Diskussion beherrscht, ist die Globalisierung vor allem in ökonomischer
Sicht, die als Folge die stärkere Vernetzung des Menschen am
Internet mit sich bringt. Wie ohnmächtig aber die hohe Technisierung
unseres Lebens ist, hat allzu deutlich das vor kurzem aufgetauchte
Virus gezeigt, das die Welt der Computer lahmgelegt hat. In Anbetracht
einer solchen Entwicklung, die alle Bereiche unseres Lebens bedroht,
stellt sich die Frage nach der Rolle des einzelnen Individuums in
einer Weltgesellschaft; die Frage nach der Dignität des Menschen,
nach der „humanitas“, die so alt wie der Mensch ist.
Aber selbst diese Frage läuft Gefahr, im Zuge der oben genannten
Entwicklung nicht mehr gestellt zu werden, und das würde den
größten Verlust für den Menschen bedeuten, wenn
er seine innere, geistige Heimat verlieren würde.
Die humanistischen Werte Europas, die im antiken Hellas nach jahrhundertelanger
geistiger Anstrengung geschaffen wurden und die dem Menschen den
Raum seiner geistigen und ethischen Entwicklung im teleologischen
Sinne geboten haben, sind im Rausch der Globalisierung und der Weltgesellschaft
in Vergessenheit geraten, und die Politik hat an dieser Entwicklung
erheblichen Anteil. All diese Institutionen, die sich der Pflege
des humanistischen Erbes verschrieben haben, wie der humanistischen
Gymnasien, der humanistischen Fächer an den Universitäten
und sonstiger Institutionen, leiden heute am meisten unter den Sparmaßnahmen.
Humanistische Schulen sind allmählich eine Rarität geworden
und die humanistischen Fächer an den Hochschulen werden drastisch
reduziert, so dass sich bereits die Frage erhebt, ob die Universitäten
heute immer noch ein Hort der kulturellen Begegnung sind. Diese
Fragen beschäftigen uns sehr intensiv in dieser Zeit, und wir
sind der Meinung, dass jeder von uns etwas dagegen tun kann. Wir
sind der unerschütterlichen Überzeugung, dass sich Europa
auf seine geistige Tradition besinnen muss, vor allem heute in Anbetracht
der Globalisierung, die eine Gefahr für die europäische
kulturelle Identität bildet. Der Rationalismus und die hohe
Technisierung können dem Menschen keine Antwort auf die fundamentale
Frage geben, die ihn angeht: die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Die humanistische Kultur bildet den Bereich, in dem die Macht der
Zahlen keine Chance hat. Deswegen ist es dringend notwendig, dass
der heutige Europäer den Dialog mit seiner humanistischen Tradition
nicht abbricht.“