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nmz-news
nmz 2004/04 | Seite 4-8
53. Jahrgang | April
Nachrichten
Nachrichten aus Musikwirtschaft,
Kulturpolitik und Musikleben
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet. Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten im Netz. An dieser Stelle können
Fragen gestellt, Informationen verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur Darstellung gebracht
werden.
Nachrichten aus der neuen musikzeitung 2004/04:
Ludwig Musical hat neue Betreiber
Mit der erfolgten Vertragsunterzeichnung hat das König-Ludwig-Musical
in Füssen neue Betreiber. Im Oktober 2003 hatte das Musical
mit einer Schuldenlast von rund 24 Millionen Euro Insolvenz angemeldet.
Die neuen Gesellschafter wollen im kommenden Herbst anstelle des
von über 1,5 Millionen Gästen besuchten Musicals „Ludwig
II. – Sehnsucht nach dem Paradies“ ein anderes Stück
über den „Märchenkönig“ auf die Bühne
bringen. Die bisherige künstlerische Leitung um Ex-Intendant
Stephan Barbarino sei an diesem Projekt nicht beteiligt. Allen 330
Mitarbeitern wurde gekündigt. Zu den neuen Betreibern gehören
die Gräfinnen Anna-Maria und Christina von Pocci aus Schwangau,
die Kemptener Unternehmerfamilie Döbler und die Firma „A.I.D.A.“
aus Wiesbaden.
Demo für Musikfestspiele
Die Dresdner Musikfestspiele sind vorerst gerettet. Jedoch muss
sich das größte deutsche Klassik-Festival mit argen Einschränkungen
abfinden. Die Dauer von bisher knapp 20 Tagen soll auf 10 Tage verkürzt
werden und der städtische Zuschuss von bisher 1,5 Millionen
Euro ab 2007 auf eine Millionen abgesenkt. Im Schlepptau der Dresdner
Vorgaben wird dann auch das Land und der Bund seine Förderung
einschränken. Der Erhalt der Festspiele hat jedoch seinen Preis.
Bezahlen muss ihn die Staatsoperette, die Dresdner Philharmonie
und das Theater Junge Generation, deren Zuschüsse vom Stadtrat
der sächsischen Kunst- und Kulturstadt in erheblichem Umfang
dezimiert wurden. Ursprünglich sollten die renommierten Musikfestspiele
ab 2007 dem Dresdner Haushalt geopfert werden und nicht mehr stattfinden.
Die Pläne hatten überregional Protest ausgelöst.
Nach den Minen stirbt die Musik
Forbach liquidiert sein „rendez-vous musique nouvelle”-Festival
Die Fotografie hat jetzt nur noch historischen Wert: der französische
Komponist Claude Lefebvre vor dem Prospekt des von ihm vor acht
Jahren gegründeten Festivals „rendez-vous musique nouvelle”
im lothringischen Forbach. Ignorante Politiker existieren nicht
nur in Deutschland: nachdem Lefebvre schon für sein renommiertes
Neue-Musik-Festival in Metz, die berühmten „Recontres
Internationales de Musique Contemporaine”, die Finanzmittel
von der Stadtverwaltung entzogen worden waren, ereilte ihn im nahen
Forbach das gleiche Geschick: es handelt sich um 40.000.-Euro, die
noch nicht einmal bar ausgezahlt, sondern zum großen Teil
in Sachleistungen von der Stadt beigesteuert wurden. Das „rendez-vous
musique nouvelle”-Festival hat den Namen Forbach über
die Grenzen von Stadt und Region hinaus bekannt gemacht. Mit den
Musikinstitutionen im nahen Saarbrücken bestand eine immer
enger werdende Zusammenarbeit. An der Saarbrücker Musikhochschule
unterrichtete Claude Lefebvre elektronische Musik. Es reisten auch
nicht nur Fachleute zu den anspruchsvoll konzipierten Konzerten
nach Forbach. Erinnert sei nur an die Konzerte und Demonstrationen
für die Schulen der Stadt, zu denen Hunderte Kinder und Jugendliche
kamen, um erste Erfahrungen mit der Musik unserer Zeit zu sammeln.
Es kann doch nicht wahr sein, dass dies alles wegen einer vergleichsweise
geringen Einsparung aufs Spiel gesetzt wird, bei allem Verständnis
für die prekäre ökonomische Lage der Stadt nach der
Schließung der Kohleminen. gr
Neues Musikfestival „Liederflut“ in Grimma
Im Sommer wird in der sächsischen Stadt Grimma zum ersten
Mal das Musikfestival „Liederflut“ stattfinden. Vom
13. bis 15. August werden 30 Gruppen und Musiker aus dem In- und
Ausland auftreten. Mit „Liederflut“ soll ein überregional
bedeutendes Festival etabliert werden. Der Name des Festivals erinnert
an das Augusthochwasser des Jahres 2002.
Scarampella, Gagliano & Ceruti
Der Deutsche Musikinstrumentenfonds vergibt 49 Spitzeninstrumente
Beim zwölften Wettbewerb des Deutschen Musikinstrumentenfonds
vom 27. bis 29. Februar 2004 wurden 15 Violinen, zwei Bratschen
und vier Violoncelli an hochbegabte junge Musiker aus ganz Deutschland
neu vergeben. Unter den Spitzeninstrumenten sind zwei kostbare Violinen
aus der neapolitanischen Geigenbauerfamilie Gagliano.
Die erst 15-Jährige Veronika Eberle (geboren 1988) aus Donauwörth
erspielte sich die Violine von Joseph Gagliano (etwa 1790) aus Stiftungsbesitz.
Die Geige von Nicolaus Gagliano aus dem Jahr 1769 aus Bundesbesitz
ging an den 21-Jährigen Philipp Bohnen aus Berlin. Der Lübeckerin
Barbara Buntrock (geboren 1982) wurde die Bratsche von Gianbattista
Ceruti, Cremona 1798, aus Bundesbesitz zugesprochen. Janina Ruh
(geboren 1989) aus Rottweil erhielt ein wertvolles Violoncello von
Stefano Scarampella, Mantua um 1900, aus treuhänderischem Besitz.
Jüngste erfolgreiche Wettbewerbsteilnehmerin war die 13-Jährige
Kathy Kang aus Meerbusch, die künftig auf der Violine von Lorenzo
Storioni, Cremona 1774 spielt.
Insgesamt spielten 49 Kandidaten im Spiegelsaal des Hamburger Museums
für Kunst und Gewerbe der Jury unter Vorsitz von Prof. Thomas
Brandis (Berlin), Violine, vor.
Weitere Jurymitglieder waren die Geiger Prof. Christian Sikorski
(Stuttgart), der Bratschist Prof. Dr. Hans Kohlhase (Nürnberg)
und die Cellisten Prof. Ulf Tischbirek (Lübeck) und Prof. Niklas
Schmidt (Hamburg), ehemaliges Mitglied des berühmten Trio Fontenay.
Über eine Leihverlängerung freuten sich 28 junge Preisträger
vergangener Wettbewerbe. Das 1997 von der Dr. Meyer-Struckmann-Stiftung
in den Deutschen Musikinstrumentenfonds eingegebene Violoncello
von Andrea Guarneri „ex Ludwig Hoelscher”, Cremona 1691,
zuvor sechs Jahre lang von Prof. Wolfgang Schmidt gespielt, geht
für ein weiteres Jahr an Claudius Popp (geboren 1982), mehrfacher
Preisträger vergangener Wettbewerbe des Fonds. Der 21-Jährige
ist seit Herbst 2003 Solocellist des Staatsopernorchesters Berlin
unter Leitung von Daniel Barenboim und konzertierte jüngst
gemeinsam mit dem weltberühmten Cellisten Yo Yo Ma auf einer
Konzerttournee in den USA.
„...antasten...”
Seit 5. März 2004 ist es amtlich: Die städtischen Zuschüsse
für „...antasten...”, ein avanciertes Projekt zeitgenössischer
Klaviermusik in Heilbronn, sind gestrichen. Das seit zehn Jahren
bestehende Festival war in seinem Programmkonzept weltweit einmalig.
Obwohl man die verantwortlichen Politiker stets und wiederholt auf
die prekäre Situation des von Anfang an unterfinanzierten –
und nur durch Solidarität und teilweisen Honorarverzicht vieler
mitwirkender Künstler ermöglichten – Projektes hingewiesen
hatte, zeigte weder das Land Baden-Württemberg, noch der Bund
in irgendeiner Weise entsprechendes Engagement.
Der künstlerische Leiter Ernst Helmuth Flammer beklagt, dass
sich Staatsministerin Christina Weiss in ihrer angekündigten
Förderung Neuer Musik lediglich auf drei Großinstitutionen
beschränkt, obwohl Deutschland hier weitaus mehr zu bieten
hat.
Auch größere Einrichtungen würden Schaden nehmen,
wenn „um diese herum das Ergebnis der Politik nur noch verbrannte
Erde, statt blühende Kulturlandschaft sein wird”. Die
Beteiligten wollen versuchen, unter hoffentlich besseren Voraussetzungen
und an anderem Ort das Internationale Pianoforum „...antasten...”
wiederzuerwecken.
DFK-Stipendien
Zur Förderung des deutsch-französischen Kulturaustauschs
vergibt der Deutsch-Französische Kulturrat in Zusammenarbeit
mit der Französischen Botschaft in Berlin für das Jahr
2005 wieder Stipendien an junge deutsche Künstler. Insbesondere
soll Bildenden Künstlern, Schauspielern, Tänzern, Dramaturgen,
Regie- und Bühnenbildassistenten, Kostümbildnern, Beleuchtern,
Musikern sowie Kulturmanagern Gelegenheit geboten werden, im Nachbarland
praktische Erfahrungen in Kulturinstitutionen zu sammeln und eigene
Projekte in Verbindung mit einem Träger zu realisieren. Für
die Vergabe der Stipendien ist die Zusage einer französischen
Kulturinstitution, den Stipendiaten zu betreuen, unerlässlich.
Die Stipendien sind für jeweils sechs Monate ausgeschrieben
und beinhalten einen Unterhaltszuschuss, der im Jahre 2004 monatlich
795 Euro betrug. Bewerber sollten nicht älter als 30 Jahre
sein und über gute französische Sprachkenntnisse verfügen.
Über die Vergabe der Stipendien entscheidet der Deutsch-Französische
Kulturrat. Bewerbungsfrist bis 1. September 2004. Die Bewerbungen
sind zu richten an den Deutsch-Französischen Kulturrat, Frau
Eva Hoffmann-Müller, Postfach 102431, 66024 Saarbrücken;
Tel. 0681/501 12 26, Fax 0681/501 12 69, sb@dfkr.org
IP-Enforcement-Directive gebilligt
Mit 330 zu 151 Stimmen bei 39 Enthaltungen hat das EU-Parlament
am 9. März 2004 in erster Lesung eine Richtlinie zum Schutz
geistigen Eigentums gebilligt. Durch die Richtlinie sollen die sehr
unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften in über Maßnahmen
zur Durchsetzung der Rechte aus geistigem Eigentum harmonisiert
werden. So sollen Fälschung und Piraterie im Binnenmarkt bekämpft
werden. Diese Probleme betreffen viele Produkte: Software, Spielzeug,
CDs, elektronisch gespeicherte Musik und selbst Arzneimittel, wodurch
die Gesundheit gefährdet ist. Wie weitgehend diese Richtlinie
in das Leben der Verbraucher eingreift, ist umstritten. So erklärte
Gerd Gebhardt, Vorsitzender der deutschen Phonoverbände. „Wir
begrüßen es deshalb, dass sich die Gremien der Europäischen
Union so schnell auf eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften
zur Pirateriebekämpfung geeinigt haben, auch wenn die Einigung
ein eher niedriges Schutzniveau festschreibt.” Bürgerrechtler
und Datenschützer sehen das anders. Markus Beckedahl vom Netzwerk
Neue Medien: „Hier wurde vollkommen unverhaltnismässig
eine Richtlinie auf den Weg gebracht, die ihren ursprünglichen
Zweck aus den Augen verloren hat und jugendliche Tauschbörsen-Nutzer
mit dem Organisierten Verbrechen gleichsetzt. Dabei werden den Rechteinhabern
Instrumente der Selbstjustiz zur Verfügung gestellt, die den
Datenschutz aushebeln und Internetprovider zu Hilfspolizisten machen.”
huf
Bach – neu komponiert
Krzysztof Penderecki und Hans Werner Henze komponieren verloren
gegangene Musikstücke von Johann Sebastian Bach neu, teilt
die Universität Leipzig mit. Bach war 27 Jahre lang als
Kantor der Thomaskirche in Leipzig tätig und schrieb im Auftrag
der Universität 20 Festmusiken für akademische Feiern.
Davon sind heute nur noch zwölf vollständig erhalten,
bei sieben Werken fehlt die Musik und in einem Fall ist das gesamte
Werk verloren gegangen. Anlässlich der 600-Jahresfeier der
Universität 2009 soll nun eine CD mit allen Festmusiken erscheinen.
Bach – restauriert
Die Restaurierung der Bach-Autographen in der Staatsbibliothek
zu Berlin ist abgeschlossen. Die 3.579 Notenblätter waren durch
Tintenfraß schwer geschädigt und wurden mittels Papierspaltverfahren
behandelt. Mit einer Feier am 31. März im Beisein von Bundespräsident
Johannes Rau wollen die Staatsbibliothek zu Berlin und die Freunde
der Staatsbibliothek zu Berlin e.V. den 1.100 Spendern weltweit
danken, die mit ihrem privaten Engagement die Restaurierung der
Autographen finanzierten. Innerhalb von vier Jahren kamen 1,8 Millionen
Euro zusammen.
Nono für Schüler
Die „Musik Triennale Köln”, die vom 17. April
2004 bis zum 9. Mai 2004 stattfindet, hält auch zahlreiche
Angebote für Kinder und Jugendliche bereit. So werden sich
Schüler der Mittelstufe kreativ mit Luigi Nonos Kantate „Il
canto sospeso” auseinandersetzen, das auf Abschiedsbriefen
zum Tode verurteilter europäischer Widerstandskämpfer
im Faschismus basiert. Das Ergebnis des Projekts ist in einer Ausstellung
im Schiller-Gymnasium zu besichtigen, die am 4. Mai 2004 um 18 Uhr
eröffnet wird. Eine fächerübergreifende, einwöchige
„Prometeo-Akademie” hat sich die Aufgabe gestellt, Oberstufenschüler
in den Fächern Musik, Kunst, Deutsch, Griechisch und Philosophie
an den Prometheus-Mythos, seine Rezeption in der Literatur und natürlich
an Nonos „Prometeo”-Komposition heranzuführen.
Kinder und Jugendliche können auch viele Konzerte von Gastorchestern
aus ganz Europa besuchen und dabei einzelne Musiker persönlich
im Gespräch kennen lernen. Kölner Grundschüler können
auch einem „Response-Projekt” mit dem niederländischen
Ensemble „S” beiwohnen.
Schneider-Schott-Preis
Der „Schneider-Schott Musikpreis Mainz” wird in diesem
Jahr den „Neuen Vocalsolisten” verliehen. Das Spezialensemble
für vokale Kammermusik, der Stuttgarter Institution „Musik
der Jahrhunderte” assoziiert, realisiert im Jahr bis zu zwanzig
Uraufführungen oftmals hochkomplizierter Werke, die auf den
wichtigsten Festivals der Neuen Musik vorgestellt werden. Der von
dem Musikverleger Heinz Schneider-Schott 1986 gestiftete und mit
13.000 Euro dotierte Musikpreis wird den „Neuen Vocalsolisten”
am 23. Mai 2004 im Mainzer Staatstheater überreicht. Die Laudatio
hält Manfred Reichert.
Bisherige Preisträger waren unter anderem Michael Riessler,
Mike Svoboda, Babette Koblenz und Jörg Widmann.
Bonner Geiger
16 Geiger des Beethoven-Orchesters haben beim Amtsgericht Bonn
gegen die Bundesstadt Klage eingereicht, um mehr Geld für ihre
Arbeit zu erstreiten. Warum? Weil sie mehr Noten zu spielen hätten
als ihre Kollegen. Das klingt absurd, andererseits sind die Tarifverhältnisse
im Orchester an und für sich merkwürdig genug. Der Schlagzeuger
bekommt mehr, wenn er nicht nur auf die Pauke haut, sondern auch
noch die Hi-Hat tritt, der Oboist, der noch Französisch-Horn
spielt, der Flötist, wenn er zur Piccolo wechselt. Doch das
Ganze, so absurd es erscheint und an einen April-Scherz erinnert,
könnte sich umkehren. Dann werden in Zukunft Kontrafagottisten
nur noch auf Teilzeitbasis eingestellt, nämlich zur Netto-Musizier(Notenanzahl)zeit.
Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung,
möchte daher diese Geschichte so niedrig wie möglich hängen.
Das Ganze ist natürlich gar nicht witzig, sondern weltfremd.
Man könnte natürlich alle Musiker in Zukunft einzeln abrechnen,
nach der tatsächlich musizierten Zeit. Bereitschaftsdienste
würden selbstverständlich nicht anerkannt. huf