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nmz-archiv
nmz 2004/04 | Seite 26
53. Jahrgang | April
Deutscher Kulturrat
Informationen des Deutschen Kulturrates
Bildungsreform im Kompetenzgerangel von Bund und Ländern
Finanzierung der Auswärtigen Kulturpolitik gilt künftig
als Investition, nicht als Subvention
Deutsche Kulturhauptstadt Europa 2010 gerettet
Zwischen den Stühlen
Bildungsreform im Kompetenzgerangel von Bund und Ländern
Nachdem sich in den vergangenen zwei Jahren der bildungspolitische
Streit vornehmlich auf die schulische Bildung konzentrierte und
ein Schlagabtausch zwischen Bundesbildungsministerin Bulmahn und
der jeweils amtierenden Präsidentin der Kultusministerkonferenz
stattfand, ob der Bund sich in schulpolitischen Fragen überhaupt
zu Wort melden darf, wurde nun ein neues Feld bildungspolitischer
Auseinandersetzungen eröffnet: die Hochschulpolitik.
Austragungsort ist unter anderem die Kommission zur Modernisierung
der bundesstaatli- chen Ordnung (Bundesstaats-kommission), besser
bekannt unter dem Kürzel „Föderalismuskommission“.
Sie wurde gemeinsam vom Deutschen Bundestag und Bundesrat am 16./17.
Oktober 2003 eingesetzt. Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres 2004
Vorschläge zu erarbeiten, wie das Zusammenwirken von Bund und
Ländern verbessert werden kann. Kern der Diskussion ist, klare
Zuständigkeiten von Bund und von Ländern auszumachen.
Der Bund verfolgt dabei das Ziel, handlungsfähiger zu werden
und die Mitentscheidung des Bundesrates an der Gesetzgebung zurückzudrängen.
Die Länder wollen Eigenständigkeit zurückgewinnen
und nicht mehr reine Ausführungsorgane der Bundesgesetzgebung
sein. Beide erhoffen sich mehr Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit.
Die Bundesstaatskommission setzt sich zusammen aus je 16 Vertretern
des Deutschen Bundestags und des Bundesrates mit Rede-, Antrags-
und Stimmrecht. Beratende Mitglieder mit Rede- und Antragsrecht,
doch ohne Stimmrecht, sind vier Mitglieder der Bundesregierung und
sechs Vertreter der Landtage.
Ständige Gäste mit Rede- und Antragsrecht, doch ohne
Stimmrecht, sind drei Mitglieder der kommunalen Spitzenverbände.
Komplettiert wird die Kommission durch zwölf Sachverständige
mit Rederecht, doch ohne Antrags- und Stimmrecht. Bis auf die Sachverständigen
haben alle Kommissionsmitglieder einen Stellvertreter. Die Konfliktlinien
laufen querbeet und das macht die Sache eigentlich spannend. Denn
quer zu dem Gegenüber von Bund und Ländern verlaufen die
Parteizugehörigkeiten, sowie mit Blick auf die Länder
die Interessen von Landesregierungen und Landtagen. Wie sich die
Ereignisse scheinbar wiederholen können, zeigte gleich die
erste Sitzung, in der der Erste Parlamentarische Geschäftsführer
der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt (SPD), auf die wachsende Bedeutung
des Vermittlungsausschusses verwies und beklagte, dass dadurch die
Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingeschränkt würde.
Er wurde von Jürgen Rüttgers (CDU), Vertreter der Landtage,
daran erinnert, dass in der Legislaturperiode 1994 bis 1998 die
im Bundesrat vorhandene Mehrheit der SPD dasselbe Spiel mit der
damaligen unionsgeführten Bundesregierung trieb.
Im Mittelpunkt der Bundesstaatskommission steht die Frage nach
Zustimmungspflicht des Bundesrates zu Gesetzen und nach den Finanzbeziehungen
zwischen Bund und Ländern. Doch gleich zu Beginn wurde auch
die Bildungspolitik thematisiert und zwar hier Art. 91a Grundgesetz
(Mitwirkung des Bundes auf Grund von Bundesgesetzen).
Ein wesentlicher Bestandteil der in diesem Grundgesetzartikel
genannten Aufgaben ist der Aus- und Neubau von Hochschulen und Hochschulkliniken,
eine der wichtigen Innovationsmaßnahmen im Zuge des Ausbaus
des Bildungswesens in den 70er-Jahren. Weiter wurde Art. 91b Grundgesetz
angeschnitten, der das Zusammenwirken von Bund und Ländern
bei der Bildungsplanung und Forschungsförderung beschreibt.
Diese Zusammenarbeit, die institutionell durch die Bund-Länder-Kommission
für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) gesichert
ist, war bereits Gegenstand von Debatten im Deutschen Bundestag,
da die Unionsfraktionen die BLK für gescheitert erklären
und deren Abschaffung fordern.
Demgegenüber SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP
für den Erhalt der BLK eintreten (siehe hierzu auch „politik
und kultur“ 2/2003).
Mit Blick auf Artikel 91a geht es in der Bundesstaatskommission
darum, dass die Länder den Bund weiterhin einfordern beim Aus-
und Neubau von Hochschulen. Sie identifizieren dieses als eine eindeutige
Gemeinschaftsaufgabe. Demgegenüber will der Bund für diese
Investitionen nicht mehr länger aufkommen und setzt sich für
eine Neuordnung in der Finanzierung der Forschungslandschaft ein.
Dieses wird wiederum von den Ländern abgelehnt, die befürchten,
dass sich der Bund tatsächlich aus der Förderung einiger
Forschungseinrichtungen zurückziehen will. Untergründig
schwingt bei diesen Diskussionen mit, dass die Bildungspolitik zu
den wenigen Politikfeldern gehört, in denen sich die verschiedenen
Landesregierungen profilieren können und bei denen die Länder
eine originäre Zuständigkeit beanspruchen. Im Verlauf
der weiteren Verhandlungen wird sich erweisen, ob den Ländern
die Bildung tatsächlich am Herzen liegt oder ob hier bereits
frühzeitig ein Politikfeld in die Kommission eingebracht wurde,
das zum nächtlichen Kuhhandel geeignet ist. Kulturpolitik spielte
bei den bisherigen Verhandlungen noch keine Rolle. Doch das muss
nicht so bleiben.
Da die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Systematisierung
der Kulturförderung noch zu keiner Einigung geführt haben,
bleibt offen, ob auch dieser Bereich noch Gegenstand des Verhandlungspokers
zwischen Bund und Ländern werden wird.
Gabriele Schulz
Einigung der Kultur- und Haushaltspolitiker
Finanzierung der Auswärtigen Kulturpolitik gilt künftig
als Investition, nicht als Subvention
Die Vorsitzende des Kulturausschusses des Deutschen Bundestags
Monika Griefahn, MdB bestätigte heute Vormittag gegenüber
dem Deutschen Kulturrat, dass die Kulturpolitiker und die Haushaltspolitiker
überein- gekommen sind, die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
von den Kürzungen nach dem so genannten Koch-Steinbrück-Papier
vollständig auszunehmen.
Nach dieser Information muss die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
nur die so genannte globale Minderausgabe von 2,5 Prozent erbringen.
Der Abteilungsleiter Kultur und Bildung im Auswärtigen Amt,
Wilfried Grolig, bestätigte dem Deutschen Kulturrat, dass die
Mittelorganisationen wie das Goethe-Institut oder das Institut für
Auslandsbeziehungen von den Kürzungen bis auf die globale Minderausgabe,
die alle Bundesministerien zu erbringen haben, ausgenommen werden.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf
Zimmermann, sagte: „Eine wichtige Etappe bei der Sicherung
der Auswärtigen Kulturpolitik wurde erreicht.
Das Parlament will die Mittlerorganisationen von den Einsparungsforderungen
nach dem Koch-Steinbrück-Papier ausnehmen. Dass in dem Papier
des hessischen und des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten
die auswärtige Kultur als Subvention und nicht als Investition
gewertet wird, ist der Skandal. In diesem Jahr will das Parlament
diesen Fehler dadurch heilen, dass der geplante Subventionsabbau
auf andere Ressorts im Auswärtigen Amt verteilt wird. Im Haushalt
des nächsten Jahres soll die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
aus dem im Koch-Steinbrück-Papier genannten Subventionsabbau
ganz gestrichen werden.
Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik wird dann wie die
Kulturpolitik im Inland als Investition und nicht als Subvention
behandelt werden. Das Parlament wie auch das Auswärtige Amt
sind dabei, den Schaden, den das Koch-Steinbrück-Papier angerichtet
hat, zu beseitigen. Darüber freuen wir uns sehr.
Deutsche Kulturhauptstadt Europa 2010 gerettet
Proteste des Deutschen Kulturrates und der deutschen Bewerberstädte
erfolgreich
Der Deutsche Kulturrat freut sich, dass der Kulturausschuss des
Europäischen Parlaments den Vorschlag von der EU-Kommission
zur Einbeziehung der neuen EU-Mitgliedstaaten in die Gemeinschaftsaktion
„Kulturhauptstadt Europas“ unverändert angenommen
hat.
Der jetzt auch vom Kulturausschuss des Europäischen Parlaments
angenommene Vorschlag der EU-Kommission bestätigt die bereits
im Jahr 1999 verabschiedete Reihenfolge der Länder zur Benennung
einer Kulturhauptstadt Europas bis zum Jahr 2019. Zugleich wird
sichergestellt werden, dass die Beitrittsländer ab dem Jahr
2009 in einem Tandemverfahren an dem Gemeinschaftsprogramm Kulturhauptstadt
Europas teilnehmen können. Für das Jahr 2010 ist vorgesehen,
dass Deutschland und Ungarn jeweils eine Kulturhauptstadt Europas
stellen.
Der vom Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung,
Medien und Sport des Europäischen Parlaments Michel Rocard,
MdEP eingebrachte Änderungsantrag, der zu einer Gefährdung
der deutschen Kulturhauptstadt Europas 2010 geführt hatte,
wurde nach heftigen Protesten des Deutschen Kulturrates und der
deutschen Bewerberstädte für die Kulturhauptstadt 2010
abgelehnt. Rocard hatte vorgeschlagen, zunächst nur noch Kulturhauptstädte
Europas bis zum Jahr 2008 zu benennen. Die restlichen Benennungen,
so auch die deutsche, sollten gestrichen und nach einem neuen Verfahren
vergeben werden. Die deutsche Setzung für 2010 wäre damit
aufgehoben gewesen. (siehe Pressemitteilung vom 26. Februar: www.kulturrat.de/publik/presse26-02-04.htm)
Für die 17 deutschen Bewerberstädte Kulturhauptstadt
Europas 2010 (Augsburg, Bamberg, Braunschweig, Bremen, Dessau/Wittenberg,
Essen, Görlitz, Halle, Karlsruhe, Kassel, Köln, Kreis
Lippe, Lübeck, Münster, Osnabrück, Potsdam, Regensburg)
ist die Nachricht aus Brüssel eine große Erleichterung.
Voraussichtlich noch im März dieses Jahres wird das Europäische
Parlament dem Vorschlag der Europäischen Kommission zustimmen.
Die deutschen Bewerberstädte können nun fast sicher davon
ausgehen, dass eine deutsche Stadt 2010 Europäische Kulturhauptstadt
wird.
Bis Ende März 2004 sollen die Bewerbungen der Städte
bei den Kulturressorts der Länder eingehen, bis Ende Juni 2004
leiten die Länder die Bewerbungen an das Auswärtige Amt
weiter. Im 3. Quartal 2004 übermittelt das Auswärtige
Amt die Bewerbungen mit der Bitte um Stellungnahme an den Bundesrat,
die dieser bis Ende Juni 2005 wiederum dem Auswärtigen Amt
zukommen lässt. Ende September 2005 teilt das Auswärtige
Amt den Gremien der EU die deutsche(n) Bewerbung(en) mit, wobei
die Gremien der Europäischen Union auch über die Stellungnahme
des Bundesrates unterrichtet werden.