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Ausgabe 2004/04
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nmz 2004/04 | Seite 18
53. Jahrgang | April
Hochschule

Ein offenes Ohr für den Alltag

An der Berliner Universität der Künste wird der Weiterbildungsstudiengang „Sound Studies“ aufgebaut

Die akustische Gestaltung unserer Umwelt stand lange im Schatten des visuellen Designs. Nun rückt sie zunehmend in den Blickpunkt von Forschung und Wirtschaft. In vier Semestern soll man sich ab nächstem Frühjahr an der UdK Berlin zum Spezialisten für Klanggestaltung weiterbilden können.

Wir sind überall von Klang umgeben. Musik und Sprache stellen wohl nur den kleineren Teil der Hörereignisse dar, mit denen wir täglich konfrontiert werden. Vom Weckerklingeln über die anfahrende Straßenbahn bis zur Warteschleifenmusik am Telefon ist der Mensch einer Vielzahl von Klängen ausgesetzt, die selten angenehm sind, und auf die er meistens keinen Einfluss ausüben kann. Doch wenn auch die meisten der sogenannten Geräusche eher unterbewusst wahrgenommen werden, so tragen sie doch maßgeblich zum körperlichen Wohlbefinden oder Unbehagen bei. In den letzten Jahrzehnten hat sich, vor allem durch den Siegeszug des Fernsehens und die zunehmende Bilderflut im täglichen Leben, der Schwerpunkt unserer Wahrnehmung auf das Optische verlagert. Viele Menschen können überhaupt nicht mehr bewusst hören; selbst Musik wird oft nur zur Beruhigung oder im Hintergrund konsumiert.

In dieser Situation erscheint es wichtig, sich grundlegend mit der ganzen Vielfalt von Klängen zu beschäftigen, um neue Anreize zum Hören zu schaffen und das akustische Durcheinander unserer Umwelt kreativ zu gestalten. Denn Lärm kann nicht nur krank machen: Auch Arbeitsmoral und Lebensfreude lassen sich in hörfreundlichen akustischen Umgebungen erhöhen, Verkaufszahlen können angekurbelt und Gesundheitskosten gesenkt werden. Zu diesem Zweck richtet die Berliner Universität der Künste zurzeit den berufsqualifizierenden Masterstudiengang „Sound Studies“ ein, der nach gegenwärtiger Probephase ab Frühjahr 2005 den vollen Lehrbetrieb aufnehmen soll. In vier Semestern können Interessierte das professionelle Arbeiten mit Klang lernen und sich zum Klanggestalter beziehungsweise -berater weiterbilden. Das Angebot ist Bestandteil des Verbundes „UdK Plus“, in dem eine ganze Reihe kostenpflichtiger Aufbaustudiengänge wie etwa „Kulturjournalismus“ in Kooperation mit Forschungsinstituten zusammengefasst sind.

Dr. Holger Schulze, einer der Mitbegründer und der maßgeblich konzeptionelle Entwickler des Studiengangs, weist darauf hin, dass sich bisher viele unterschiedliche Disziplinen mit Klang beschäftigt haben, diesen aber jeweils nur aus einem speziellen Blickwinkel betrachteten: Komponisten haben ihn in seiner künstlerischen Bedeutung, Mediengestalter in seiner kommunikativen Bedeutung behandelt und hinterfragt. Diese bislang getrennten Disziplinen sollen nun zusammengeführt werden und ihre verschiedenartigen Inhalte gewinnbringend ergänzen. So entsteht mit den „Sound Studies“, der Untertitel lautet „Akustische Kommunikation“, ein notwendiger Gegenpol zur visuellen Kommunikation, die bereits an vielen Hochschulen für Kunst und Gestaltung gelehrt wird.

Das Studium bietet in den ersten beiden Semestern eine Grundlagenausbildung in den vier Fächern oder Disziplinen der Sound Studies, bevor den Studierenden im zweiten Studienjahr die Möglichkeit zu fachlicher Spezialisierung gegeben wird. Außerdem können dort durch Unternehmenspartnerschaften und Projektkooperationen mit Institutionen bereits Kontakte oder der Übergang ins Berufsleben hergestellt werden. Mögliche Arbeitgeber für Klanggestalter können Agenturen, Rundfunksender, Technologiefirmen, Forschungsinstitute oder Kulturträger sein. Holger Schulze: „Die Berufsfelder reichen vom Sound Consulting in der Stadtplanung, für Bauträger oder Agenturteams, über die konkrete Klanggestaltung in Medienunternehmen und bei Distributoren bis hin zur freiberuflichen Tätigkeit im Kultur- und Wissenschaftsbetrieb, als Klangkünstler, Kulturwissenschaftler oder Journalist.“

Die vier Teilfächer des Studiengangs „Sound Studies“ umfassen im Einzelnen folgende Inhalte:
„Klanganthropologie und -ökologie“ befasst sich mit der Bedeutung des Klangs in unserer Gesellschaft, untersucht ihn unter kulturellen, sozialen, geschichtlichen und psychologischen Gesichtspunkten. Das Fach erforscht, wie Klangumgebungen auf Menschen wirken und bestimmte Verhaltensweisen nach sich ziehen. Daran knüpft sich eine Art Schule des Hörens, die zum besseren Erkennen und Verwenden von Klängen anleitet.

„Experimentelle Klanggestaltung“ geht davon aus, dass sich angehende Klangspezialisten mit der Geschichte der Klanggestaltung seit dem Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen müssen, beginnend mit der „musique concrète“ über „Ambient music“ bis zu Live-Elektronik und anderen Formen. Darüber hinaus sollen sie befähigt werden, eigene Versuche und Arbeiten in diesem Bereich anzuschließen. Diese Klangexperimente können sowohl technischer als auch künstlerischer Art sein.

„Auditive Mediengestaltung“ hat die Untersuchung von Medienklängen zum Inhalt und erforscht etwa die audiovisuelle Interaktion in Videoclip, Film und Internet oder die Sonifizierung in Datenbanken. Gegenstand soll aber auch die Gestaltung von Arbeits- und Erlebnisräumen sein, die bislang eher partiell und ohne übergreifendes Konzept akustisch ausgestattet wurden.

„Akustische Konzeption“ stellt schließlich eine Art Synthese der drei vorgenannten Fächer dar. Hier sollen Klangumgebungen entworfen und gestaltet werden, sei es in öffentlichen Räumen oder beim Unternehmensdesign. Klang soll nicht als etwas Gegebenes oder gar Zufälliges hingenommen werden, sondern als wesentlicher Bestandteil unserer Umwelt bewusst geformt und konzipiert werden.

Als Gastprofessor für den Bereich „Sound Branding“ konnte Carl-Frank Westermann von der renommierten Berliner Agentur MetaDesign gewonnen werden. Mit „Sound Branding“ bezeichnet man die akustische Ausgestaltung eines Produktes oder einer Marke, passend zu ihrer übrigen „Corporate Identity“. So wurde in einem „Sound Studies“-Seminar letzen Jahres bereits ein geeigneter Klang für die Marke „UdK Berlin“ entworfen und wird zurzeit praktisch umgesetzt. Ergänzt wird das Team durch weitere Dozenten, etwa aus den Bereichen Medien, Design oder Klangkunst.

Bei einem Symposion im vergangenen November präsentierte sich der neue Studiengang erstmals einer breiteren Öffentlichkeit: An drei Abenden wurden die Inhalte der vier Teilfächer in jeweils einer eigenen Sektion von Vorträgen vorgestellt und durch Beiträge auswärtiger Spezialisten in einen breiteren Zusammenhang gebracht. So wies Prof. Peter Friedrich Stephan von der Kunsthochschule für Medien in Köln auf die vielfältigen und häufig unterschätzten Möglichkeiten des Sounds in unserer Gesellschaft hin: Mit Klang kann man heilen, die Orientierung erleichtern oder Produkte besser verkaufen. Detlev Ipsen von der Universität Kassel forderte die Wiederentstehung prägnanter akustischer Orte, um Städten und Regionen ein Gesicht zu geben. Diskutiert wurden außerdem der aktuelle Stand in den beteiligten Disziplinen sowie die Berufsaussichten künftiger Absolventen. Als Rahmenprogramm konnte man im Medienhaus der UdK unter dem Titel „Recherches sonores“ Installationen und Performances junger Berliner Klangkünstler erleben.

Der Masterstudiengang „Sound Studies” befindet sich gegenwärtig in der Zertifizierungsphase: Bereits seit mehreren Semestern läuft ein Probebetrieb, der jeweils diverse Seminare und Workshops als öffentliche Lehrveranstaltungen anbietet. So fanden im vergangenen Winter beispielsweise Seminare über experimentelles Hörspiel, Klanggestaltung und Popmusik sowie optisch-akustische Interaktionen in Computerspielen und Videoclips statt. Nach dem gegenwärtigen Zeitplan sollen sich im April bis Juli diesen Jahres Interessierte bewerben können und im Oktober eine Aufnahmeprüfung durchlaufen, bevor im Sommersemester 2005 der Studiengang mit seinem vollständigen Programm starten wird. Voraussetzung ist die Evaluation und Absegnung des bisherigen Konzeptes durch eine unabhängige Agentur.

An wen richtet sich dieses Angebot? Im Prinzip an alle, die sich bereits intensiv mit Klängen beschäftigt haben und ein einschlägiges Studium abgeschlossen haben; dies könnten etwa Musik- und Kulturwissenschaftler, Komponisten, Tonmeister oder Kommunikationswissenschaftler sein. Wer nicht über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt, kann in Ausnahmefällen ebenfalls aufgenommen werden. Da das Hauptauswahlverfahren in einem persönlichen Gespräch über klangspezifische Themen bestehen wird, sollten Interessenten dann jedoch entsprechende praktische Erfahrungen nachweisen. Im Übrigen sind für den Studiengang monatliche Studiengebühren von voraussichtlich 200 bis 400 Euro zu veranschlagen, eine Summe, die allerdings durch die erwähnten Unternehmenspartnerschaften für den Einzelnen oder die Studierenden als Gesamtheit abgemildert werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass wir schon in drei Jahren in noch weit stärkerem Maße als heute über Klangprofis verfügen, die gegen hirnloses Gedudel und akustische Grausamkeiten in unserer Umwelt zu Felde ziehen. Sie könnten insbesondere uns Stadtmenschen die Ohren öffnen, um den Ruf eines Vogels oder das Rauschen von Wind und Wellen wieder neu zu hören und zu schätzen. Ein ganzes Universum verschiedenster Klänge wartet auf seine Entdeckung. Bewusst und in richtiger Dosis eingesetzt, können sie uns sensibilisieren und unsere Lebensqualität erhöhen. Nötig wäre dies allemal. Denn der Mensch kann bei Reizüberflutung zwar die Augen schließen, eine entsprechende Einrichtung für die Ohren hat die Natur jedoch (noch) nicht vorgesehen.

Boris Hofmann

www.udk-sound.de

 

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