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nmz-archiv
nmz 2004/04 | Seite 32
53. Jahrgang | April
Jugend musiziert
Haydns Klaviertrio als rauschendes Tanzfest
Musikalischer Nachwuchs aus ganz Europa beim Euro Debut der EMCY
Kleine Kinder überreichten die Blumen beim Euro-Debut in Marl
und auch der Veranstalter Bruce Wadsworth freute sich über
den hohen Anteil junger und jüngster Musikfreunde im Publikum.
Rekordverdächtig ist das Euro-Debut, einem europäischen
Kulturprojekt im idealtypischen Sinne: diejenigen, die hier ausgewählt
wurden, gehören zum Besten aus der vielfältigen Wettbewerbslandschaft
für den vorprofessionellen Musik-Nachwuchs aus ganz Europa,
und das sind nicht weniger als etwas 50 Wettbewerbe – die
Gesamtzahl der Teilnehmer geht weit in den Millionenbereich hinein.
Das in Marl geborene Euro-Debut hat sich mittlerweile zu einer
Euro-Debut-Tour unter dem Motto „Young Musicians of Europe“
gemausert, der sich die Städte Münster, Bonn, Monheim,
Iserlohn und Remscheid als weitere Aufführungsorte angeschlossen
haben. 20 Jahre jung ist Joanna Kaniews ka aus Warschau. Sie ist
begeistert, hier mit ihrem Alkemia Trio vor einem großen Publikum
zu spielen, und staunt, wie das von der EMCY aufgebaute internationale
Netzwerk für junge, hochbegabte Musikerinnen und Musiker durchorganisiert
ist. Zusammen haben die drei Musikerinnen vom Alkemia-Trio schon
in der Vergangenheit in Deutschland für Furore gesorgt, als
sie sich bei den Internationalen Sommerkursen der Jeunesse Musicale
in Weikersheim hervorragend profilieren konnten.
Beste Bedingunen
In Marl herrschen an diesem vorfrühlingshaften Sonntagnachmittag
ideale Bedingungen, um das Beste zu geben: die drei Warschauerinnen
sorgen mit Haydns Klaviertrio G-Dur – vor allem mit dem Rondo
am Schluss – für eine echte Überraschung. Zwischen
Haydns Affinität zum Balkan und dem osteuropäisch eingefärbten,
jugendlichen Temperament dieses Trios entsteht eine derart zündende
Chemie, dass man sich auf ein rauschendes Tanzfest versetzt fühlt
– so viel impulsives, jubelndes Musikantentum kann für
jeden Klassik-Musiker nur leuchtendes Vorbild sein! Auch in Schostakowitschs
Klaviertrio Nr. 1 c-Moll scheint der Spaß immer mehr zuzunehmen,
je akrobatischer die Herausforderungen für dieses junge Trio
sind.
Etwas schwächer behauptet sich bei diesem Konzert die Oboistin
Tatyana Malyarova aus Russland. Sie wurde dem schwärmerischen
Gestus von Schumanns Romanzen op. 94 nicht wirklich gerecht; Antonio
Pascullis Variationen über Verdis Sizilianische Vesper arteten
zu einer etwas überspannt wirkenden Technikdemonstration aus,
die allerdings das Staunen über die hohe, extrem präzise
Virtuosität der jungen Musikerin lehrt. Sie wurde beim Internationalen
Mrawinksy Wettbewerb für junge Bläser zur „besten
russischen Oboistin“ gekürt.
Dennoch bleibt die Frage, ob die Wahl gerade eines solchen Stücks
in die richtige Richtung geht, um interpretatorische Reife und damit
beseeltes Musizieren zu fördern.
Aus Finnland kommt Lilli Maijala und sie spielt Viola. Und wie!
Ihr vielfach preisgekröntes Spiel (Nordic Viola Competition,
Helsinki, Viola Wettbewerb beim Europäischen Klassik-Festival
Ruhr, diverse Kammermusikpreise) ist von Wärme und tiefer Empfindung
durchglüht. Mühelos und geschmeidig machen ihre Finger
auf dem Griffbrett alles, um der Musik zu dienen – das erstaunt
bei einer Musikerin, die sich noch im Werden befindet.
Die Bundespreisträgerin von „Jugend Musiziert“,
Lisa Schulz, war ihre profunde Partnerin am Flügel in einer
durchdacht interpretierten Sonate von Johannes Brahms. Richtig stark
erstrahlen, mitnehmen und aufwühlen konnte das Spiel der beiden
nach der Pause in einem Rondo aus der Feder ihres einstigen Landsmannes
Jean Sibelius. Weiter so!