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nmz-archiv
nmz 2004/04 | Seite 15
53. Jahrgang | April
Musikwirtschaft
Schwerer Start für Phonoline
Download-Plattformen haben mit vielen Problemen zu kämpfen
„Mit dem Startschuss für Phonoline beginnt für
die Vermarktung und den Vertrieb von Musik eine neue Ära”,
erklärte Warner-Chef Bernd Dopp anlässlich des Phonoline-Starts
Mitte März. Die Plattform fungiert in Deutschland als Großhändler,
der Web-Anbieter mit den Titeln der Plattenfirmen versorgen will.
Erste Kunden sind das Universal Music-Angebot Popfile.de und der
Konzertkartenhändler Eventim. Gemeinsam mit der Phonoline-Betreibergesellschaft
Phononet hoffen sie, hier zu Lande das Apple-Wunder wiederholen
zu können: Der Computerhersteller verkaufte in weniger als
einem Jahr 50 Millionen Musik-Downloads.
Etwas verhaltenere Töne gab es vom größten deutschen
Indie-Label Edel zum Start der Plattform. „Es ist sehr erfreulich,
dass Phonoline trotz aller Anlaufschwierigkeiten nun endlich mit
attraktiven Partnern am Start ist“, ließ Edel-CEO Michael
Haentjes die Presse wissen. Trotz Anlaufschwierigkeiten nun endlich
– das sind nicht eben die blumigen Worte, die man in einer
Presseerklärung erwartet. Dahinter verbirgt sich der kaum kaschierte
Ärger, dass die eigentlich als Branchenprimus geplante Plattform
aufgrund technischer Probleme und strategischer Differenzen mit
fast einem Jahr Verspätung startet.
Mittlerweile ist Phonoline nur noch einer von vielen Online-Musikanbietern
auf dem deutschen Markt. Die britische Firma OD2 bietet ihre Shoplösung
unter anderem auf den Webseiten von Karstadt und Media Markt an.
Dazu hat die Telekom trotz ihrer Zusammenarbeit mit Phonoline ungeduldig
eine eigene Endverbraucher-Lösung namens Musicload entwickelt,
die ihre Titel über Bild.de und RTL.de verkauft.
Allen Plattformen gemein ist, dass sie mit einem schwierigen Marktklima
zu kämpfen haben. Im Gegensatz zu den USA ist hier zu Lande
von einem Geld einbringenden Download-Fieber noch nichts zu spüren.
Musicload meldete Anfang März, seit seinem Start im letzten
August gerade einmal 40.000 Songs verkauft zu haben. Wenig Grund
zur Hoffnung machen auch die Nachrichten aus dem europäischen
Ausland. Die laut eigenen Angaben größte europäische
Downloadplattform Mycokemusic.com verkauft pro Woche rund 10.000
Titel. Zum Vergleich: Apples iTunes-Shop setzt jede Woche 2,5 Millionen
Songs um. Apples Geheimrezept liegt einerseits in seiner enormen
Medienpräsenz inklusive zahlloser TV-Werbespots. Andererseits
bietet der Computerhändler seinen Nutzern so viele Freiheiten
wie sonst kaum ein Online-Musikanbieter: Kunden können ihre
Songs beliebig oft auf CD brennen, auf mobile Player wie den iPod
übertragen und auf bis zu drei Computern wiedergeben. Kauf,
Wiedergabe, Brennen und iPod-Management lassen sich zudem sehr einfach
mit ein und demselben Programm realisieren, das auf Macs bereits
vorinstalliert ist.
Wer dagegen einen Titel bei einem Phonoline-Anbieter kauft, muss
sich dazu erst die firmeneigene „My Playlist-Software“
herunterladen. Auf CDs brennen lassen sich die Titel bis zu drei
Mal, aber nicht mit My Playlist. Das Programm muss die Titel erst
in ein anderes Dateiformat umwandeln, damit der Windows Media Player
diese Aufgabe übernehmen kann. Auf digitale Audioplayer übertragen
lassen sich die Titel nur, wenn diese mit Microsofts kopiergeschützten
Windows Media-Audioformat umgehen können. Eine Wiedergabe auf
Apples iPod fällt damit flach – und das, obwohl das Gerät
der meist gekaufte MP3-Player ist.
Der Popularität des iPods ist übrigens auch zu verdanken,
dass Apple so viel Geld in sein Download-Angebot steckt, obwohl
sich dieses nach eigenen Aussagen für die Firma nicht rentiert.
Jeder iTunes-Kunde ist ein potentieller iPod-Käufer. Den Anbietern
hier zu Lande fehlen ähnliche Synergieeffekte. Dafür hat
man mit einer ganzen Reihe von zusätzlichen Kosten zu kämpfen.
So kassieren Kreditkartenanbieter, Technik-Dienstleister und Verwertungsgesellschaften
in Deutschland deutlich mehr als in den USA. Der 99-Cent-Preis gilt
deshalb bereits als Verlustgeschäft. Trotzdem lassen sich viele
Anbieter vorerst darauf ein – man will schließlich die
neue Ära nicht völlig ohne Kunden beginnen.