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nmz-archiv
nmz 2004/04 | Seite 13
53. Jahrgang | April
Musikwirtschaft
Nord-Schlager
Das schwedische Musikexportbüro
Vor genau 30 Jahren gewann ABBA den Grand Prix d’Eurovision.
Heute ist deren Heimat Schweden drittgrößter Musikexporteur
der Welt. Hinter dem Erfolg stehen neben der Kultband auch ein Musik
begeisterte Wirtschaftsminister und das Musikexportbüro.
Solide Autos, preiswerte Möbel und blütenweißes
Papier sind die bekanntesten Exportschlager Schwedens. Seit langem
ist das Land im Norden Europas aber auch einer der größten
Musikexporteure der Welt. Lediglich in den USA und Großbritannien
ist diese Branche im Außenhandel stärker. Die Kultband
ABBA und der Solo-Sänger Björn Skifs stehen am Anfang
dieses kulturellen wie wirtschaftlichen Erfolges. Völlig überraschend
eroberte der bis dahin im Ausland unbekannte Sänger vor genau
dreißig Jahren, am 6. April 1974, den ersten Platz der Billboard
Charts. Am selben Tag trat das schwedische Quartett mit dem Song
„Waterloo“ beim Grand Prix d´Eurovision de la
Chanson an. Und siegte.
Schwedens Klassik-Export
Nr. 1: die Mezzosopranistin Anne-Sofie von Otter auf einem
Promo-Foto ihrer neuen CD mit schwedischen Liedern. Foto:
D. Grünstein, DG
Von Skifs hört man heutzutage außerhalb seiner Heimat
nicht mehr viel, aber ABBA und Schweden sind aus dem internationalen
Musikgeschäft nicht mehr wegzudenken. Die vierköpfige
Band hat bis heute weit über 300 Millionen Platten verkauft
– nur die Beatles bringen es auf mehr. Schweden nimmt durch
den Musikexport, zu dem unter anderem auch der Verkauf von CD-Pressen
und Ausstattungen für Tonstudios gehören, mittlerweile
über sieben Milliarden Kronen ein (zirka 780 Millionen Euro)
– mehr als je zuvor. Weder der Erfolg von Björn Skifs
noch der von ABBA waren Teil einer gut durchdachten Marketingstrategie.
Dennoch war es kein purer Zufall, dass damals zwei international
so erfolgreiche Interpreten aus Schweden kamen. „Schweden
ging es nach dem Krieg vergleichsweise gut. Die jungen Leute konnten
sich teure Musikausrüstungen leisten. Gleichzeitig waren wir
stark von den USA und England beeinflusst. Deren Musiker tourten
durch unser Land und inspirierten die musizierende Jugend“,
sagt Holger Larsen, Professor für Musikwissenschaft an der
Universität Stockholm.
Dazu kam, dass die Schweden schon damals sehr gut Englisch sprachen.
Anders als die Jugendlichen in anderen Ländern konnten sie
die Liedtexte der gastierenden Musiker verstehen und hatten auch
keine Probleme auf Englisch zu singen. Im Gegensatz zu französischen,
italienischen und deutschen ist es den schwedischen Musikern aber
bis heute nicht gelungen, im Ausland auch mit Liedtexten in ihrer
Muttersprache wenigstens ein wenig erfolgreich zu sein. Trotz der
angelsächsischen Einflüsse und der Dominanz der englischen
Sprache konnte sich so etwas wie spezifisch schwedische Popmusik
entwickeln. „Es gibt sehr oft eine melancholische, Moll basierte
Melodik und Harmonik“, sagt Musikwissenschaftler Larsen und
nennt die Lieder von ABBA und Roxette als bekannteste Beispiele.
Da sei der Einfluss der schwedischen Volksmusik unüberhörbar.
„Sehr viele der Musiker waren der Volksmusik verbunden. ABBA-Komponist
Benny Andersson zum Beispiel ist Harmonikaspieler und Volksmusikenthusiast“,
so Larsen. Dass viele der heute berühmten schwedischen Musiker
mit der Volksmusik ihres Landes vertraut sind, ist gewissermaßen
dem Wohlfahrtsstaat zu verdanken. Das klingt nach einer gewagten
These. Doch ihre ersten Klavier- oder Gesangstunden erhielten die
Musiker oftmals in einer der kommunalen Musikschulen. Diese wiederum
werden teilweise mit Steuergeldern finanziert. Im Bereich der E-Musik
hingegen, in Schweden „Kunstmusik“ genannt, ist das
nordeuropäische Land schon lange kein bedeutender Faktor mehr
gewesen. Zuletzt habe in den 1950ern ein Kunstmusik-Komponist im
Ausland Erfolge feiern können, so der Musikologe Larsen.
Doch es ist nicht alles Pop, was aus Schweden kommt. Zumindest
bei den Interpreten ist das Land auch in anderen Genres erfolgreich.
So wurde die schwedische Mezzosopranistin Anne-Sofie von Otter,
bekannt für ihre Interpretationen von Schubertliedern, dieses
Jahr als beste Solistin im Segment Klassik in Los Angeles mit einem
Grammy ausgezeichnet. Auch im internationalen Jazzgeschäft
ist das Land eine feste Größe. Im Ausland am bekanntesten
ist sicherlich das Esbjörn Svensson Trio. Auf der diesjährigen
schwedischen Grammygala bekamen die drei Jazz-Musiker den „Musik
Export Preis“ verliehen.
Der 1998 vom heutigen schwedischen Wirtschaftsminister Leif Pagrotsky
ins Leben gerufene Preis wird alljährlich an diejenigen vergeben,
die sich um den Erfolg schwedischer Musik im Ausland besonders verdient
gemacht haben. Preisträger in den Vorjahren waren unter anderem
The Cardigans, Benny Andersson von ABBA, Roxette und The Hives.
Pagrotsky hat die Förderung der schwedischen Musikindustrie
zur Chefsache gemacht. Auf Messen wie Midem und Popkomm sowie anderen
Branchentreffs taucht er falls möglich persönlich auf
und wird nicht müde zu betonen, wie wichtig der Erfolg schwedischer
Musik im Ausland sei. „Ich glaube, dass Pagrotsky visionär
genug war einzusehen, dass es beim Musikexport nicht nur um Geld
für die Musikbranche geht, sondern ums ganze Schwedenbild“,
sagt Christer Lundblad. Als Geschäftsführer von Export
Music Sweden macht er sich für die schwedische Musikbranche
im Ausland stark. Das Musikexportbüro wird von den großen
Branchenverbänden und – projektbezogen – auch dem
schwedischen Staat finanziert.
Im Vergleich zu seinem Gegenpart in Frankreich ist Export Music
Sweden mit einem Jahresbudget von rund drei Millionen Kronen (zirka
330.000 Euro) nicht allzu üppig ausgestattet, doch auf den
großen Messen in Cannes und Berlin ist man stets präsent.
Zudem veranstaltet das Musikexportbüro gemeinsam mit dem schwedischen
Kulturinstitut und den Botschaften Marketingkampagnen und Konzerte
im Ausland. Das soll nicht nur der Branche, sondern dem ganzen Land
nutzen. „Schwedische Musik trägt dazu bei, dass man ein
Bild von Schweden als kreatives, unternehmerisches Land bekommt“,
so Lundblad. Das bewirke, dass man Schweden besuchen und Geschäfte
mit Schweden machen wolle. Auch in anderen Branchen. „Es beeinflusst
die Verkäufe von Ericsson Handys oder Volvos“, meint
Lundblad.
Diese These muss noch bewiesen werden. Fest steht jedoch, dass die
schwedische Musikindustrie längst nicht nur Sänger und
Tontechniker beschäftigt. Zur schwedischen Musikindustrie gehören
auch einige der weltweit größten Hersteller von Pressen
zur CD- und DVD-Produktion sowie Texter. Längst arbeiten die
Liederschreiber nicht mehr nur für heimische Gruppen. So entstammen
einige der Lieder der Amerikanerin Britney Spears aus der Feder
eines Schweden. Und sind damit Teil des schwedischen Musikexports.