[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2004/04 | Seite 41
53. Jahrgang | April
Bücher
Enthusiasmus für Kunst und Kultur
Buch zur Initiative „Kinder zum Olymp“ – Kongress
im Gewandhaus Leipzig
Die von der Kulturstiftung der Länder betriebene Initiative
„Kinder zum Olymp“ hat zum Ziel, die Kulturvermittlung
für unsere Heranwachsenden zu verbessern, um sie heute an ihre
Rolle als Kunst- und Kulturträger in einer Gesellschaft von
morgen heranzuführen. In musikalischen Fachkreisen ist das
Thema nicht neu und als innovativer Durchbruch kann der Leipziger
Kongress nicht gewertet werden, zumal die Zeit für Diskussionen
kaum ausreichte. Vielmehr knüpfte er an die Bemühungen
um (Musik-) Kulturvermittlung der vergangenen Jahre – etwa
die der Jeunesses Musicales – an. Von den durch Fachdiskussionen
bestimmten Tagungen hebt sich der Kongress dennoch mit einem höchst
willkommenen, ja unentbehrlichen Signal ab. Als seine Botschaft
bleibt – verdeutlicht durch die Präsenz des Bundespräsidenten
und einer ganzen Reihe von Persönlichkeiten ministeriellen
Ranges – das öffentlich sichtbare Bekenntnis der Politik
zur Notwendigkeit ästhetischer Bildung. Kultur – so eine
Begründung – gibt Sinn in einer Gesellschaft, die sich
immer mehr im sinnlosen Tun zu verlieren scheint.
Kinder zum Olymp! Wege zur Kultur für Kinder und Jugendliche,
hg. von der Kulturstiftung der Länder (K.v. Welk/M. Schweitzer),
Wienand Verlag, Köln 2004, 352 S., Abb., € 14.80, ISBN
3-87909-829-8
Im Kompendium, das über die Aktualität des Kongresses
hinaus dauerhaft wirken und anregen soll, betont Karin Wolff das
(leider noch immer nicht einklagbare) Recht der Kinder auf Kunst
und Spiel und verbindet mit der Integration von Kunst und Kultur
in Erziehung und Bildung die Förderung von Schlüsselkompetenzen
wie Kreativität, Teamfähigkeit, Flexibilität, Leistungsbereitschaft
und Toleranz (S. 8). Wenngleich sich diese Begriffe wie ein Wunsch-
oder Anforderungskatalog von Staat und Wirtschaft lesen, redet die
Ministerin damit nicht einer Vernutzung von Kunst und Kultur das
Wort. Beobachtet man allerdings selbst innerhalb der Kulturszene
das fortdauernde Missverständnis etwa beim Thema Transfereffekte
von Musikerziehung, so war es sicher notwendig auch in Leipzig festzustellen,
dass Kunst und Kultur ihren Wert in sich selbst haben und dass dieser
Wert gerade auch in der Nutzlosigkeit besteht. Dennoch wurden auch
im Gewandhaus „positive Nebenwirkungen“ etwa aus der
Perspektive der Hirnforschung vorgestellt. Im Kern ging es aber
nicht um die Legitimation von Kunst und Kultur, sondern um das Wie
Ihrer Vermittlung, die – soll sie nicht zur fragwürdigen
Elitenkultur degenerieren – in die gesellschaftliche Breite
hinein als „Kultur vor Ort“ (Connemann) konkret werden
muss. Es geht also nicht primär um Leuchttürme, sondern
um das weite Land zwischen ihnen – die ganz alltägliche
Schule (Edelstein, S. 30). Wolff formuliert die Eckdaten zukünftiger
Kulturvermittlung: in einem Netzwerk von verschiedenen Bildungsorten
muss Schule mit außerschulischen Kultureinrichtungen verknüpft
werden. In Leipzig wurde deutlich, dass als Rahmen dieser Verknüpfung
die Ganztagsschule in den Blick genommen wird. Ohne ein schlüssiges
Gesamtkonzept auch nur anzureißen, waren darin nahezu alle
politischen Amtsträger einig und stellten gar (anteilige) finanzielle
Unterstützung des Staates in Aussicht. Zwar lassen sich Geld
und Kultur heute nicht mehr trennen, doch droht bei der Ökonomisierung
von Kunst und Kultur deren eigentliche Funktion für die Gesellschaft
und den Einzelnen aus dem Blick zu geraten (Fuchs, S. 35). Dennoch
erschließt sich unmittelbar die pragmatische Tragweite von
Antje Vollmers denkwürdigem Satz am Ende der Tagung: Geld gibt
es immer in dem Maße, in dem etwas für wichtig gehalten
wird.
Das Kompendium bietet als Hilfe zur Eigeninitiative in Sachen
Finanzen im Serviceteil Adressen von Stiftungen und Sponsoren. Neben
Aufsätzen zu Sinn und Wert der Kultur von Vertretern aus Wissenschaft,
Politik und Kultur nimmt das „Wie der Vermittlung“ in
Form einer besonders zur Lektüre empfohlenen Ideenbörse
von 85 Projektbeschreibungen quer durch die Republik den breitesten
Raum ein. Im Kreise von Kunst-, Theater-, Literatur-, Medien- und
spartenübergreifenden Projekten erscheint die Musik in einem
Spektrum von Initiativen einzelner Künstler über Musikschulkooperationen
bis hin zu Oper- und Orchesterprojekten angemessen repräsentiert.
Ob Urknall, Buchstabensuppenkonzert oder Ohrwurm, beim Nachmachen
oder Modifizieren erleichtern die angegebenen Kontaktadressen den
Informationsaustausch.
Insgesamt zeugen die Berichte von der Machbarkeit gelungener Kulturvermittlung
und machen deutlich, dass nicht nur für den Erfolg bei einem
Publikum, sondern auch bei der Suche nach Konzepten und nach Finanzmitteln
ein Faktor mit entscheidend bleibt: ehrlicher, ansteckender Enthusiasmus
für Kunst und Kultur.