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nmz-archiv
nmz 2004/04 | Seite 39
53. Jahrgang | April
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CD-Tipps
The Get Up Kids: Guilt Show
Vagrant/Motor
Fraglich, woher „The Get Up Kids“ seit sieben Jahren
diese vollendeten Harmonien ziehen. Zwar schlittern sie bravourös
am Vorschulpunk-Pop vorbei, aber das mit Klavier, Harp und mehr
Souveränität als die Kollegen von Blink 182. Prima CD
mit Abhängigkeitstendenz für Einsteiger, Musiklehrer und
auf „Green Day“-Warter.
Udo Lindenberg: Kompletto
WSM
„Uns Udo“ bekommt also zum 30-jährigen Bühnenjubiläum
die Best-of-CD. 33 Songs aller Lindenberg Epochen ohne Rücksicht
auf Plattenfirmenzuständigkeiten. Beispiele: Horizont, Rudi
Ratlos, Hoch im Norden, Keine Staaten und das unvermeidliche Pankow.
Sicher ein Pflichtkauf, aber generationsabhängig.
Fish: Field of Crows
Chocolate Frog Records
Nicht das erste Soloalbum des Ex-Marillion Sängers („Misplaced
Childhood“). Aber das Bekennendste. Völlig uneitel und
rücksichtslos unstilistisch stolpert Fish durch die Genres
Pop, Prog-Rock, Balladen, Folkblues, rappelt sich aber mit der Gehhilfe
„Rock“ immer wieder auf. Spannungsbögen sind sein
Ding nicht, dafür gibt es Bläsersätze, Schweineorgeln
und fiesen, weil entlarvenden Gesang. Denn nur Fish allein vermag
in dieser Rockwelt mit der Gefühlslage seiner Stimme Geschichten
zu erzählen. Garantiert pathosfrei.
Nena: Live
WSM
Wer vor einem Jahr mit Nena in die Präsenz der 80er-Jahre
torkelte, wird diese Live-CD brauchen, um in der Zukunft zu leben.
Dann kann er die tonnenweise gehorteten Megapacks „Weißer
Riese“ in die enthauptete Umwelt kippen und seine 2.000 Paar
RENO-Treter an die Enkel vererben. Der hoffentlich letzte Akt der
Nena-Wiederauferstehung.
V.A.: Müssen alle mit
Tapete Records
Das derzeit innovativste, da mutigste deutsche Indie Label „Tapete
Records“ aus Hamburg bringt nicht nur tiefgängige Künstler
wie Niels Frevert oder Montag ans Tageslicht, sondern geht auf Reisen
und klaubt sich Reiseproviant für eine Kompilation zusammen.
Inspiriert vom fernen Sommer erzählen folgende Musikanten ihre
in Musik verpackten Texte: Tomte, Kettcar, Fink, Garish, Niels Frevert
oder Montag. Les Garçons kooperieren mit Bernd Begemann und
Synergien nutzen Turtlebay Country Club mit Schorsch Kamerun. So
klingt Musik unter der Oberfläche. Ein Übersichtsalbum
deutscher Volksmusik.
Die Elenden: Elend für alle
netMusicZone Records
Es geht um Punk. Der ist dilettantisch gespielt, aber charmant.
Interessant und polarisierend werden „Die Elenden“ durch
ihre Texte, die den Deutschlehrer beschämen, den Anarchisten
motivieren könnten. Keine großartige Kunst, die das Berliner
Punktheater bietet, aber alles mit Überzeugung und Herz. Und
das macht das Album kaufenswert.
Kaizers Orchestra: Evig Pint
PIAS
Die Polka-Grunger aus Norwegen und das zweite Album. Die Pop-Tyconauten
haben das größte Gehör verdient. Rock trifft Polka,
Mandolinen treffen Tex Mex, Bässe den Moll, Celli den norwegischen
Grammy und Fjorde auf Pearl Jam. Das alles in norwegischer Sprache
und morbider bis suizid-experimentieller Korruption. Grandios.