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nmz-archiv
nmz 2004/05 | Seite 10
53. Jahrgang | Mai
Cluster
Erfolgsdruck
Innehalten – eine Pause einlegen. Zur Ruhe kommen. Langsamer
werden. Das sind auch musikalische Spielanweisungen. Man spürt
dies in der Musik, wenn man sie hört, wenn man sie spielt;
wenn man die Musik Musik sein lässt. All diese Spielanweisungen
haben im Umgang mit Musik als Gegenstand von Pädagogik bis
Gesellschaft offenbar keine Bedeutung. Musik wird gehetzt und sie
wird entkleidet, sie wird zerlegt, benutzt und verkauft. Immanuel
Kant hätte gesagt: Unser Umgang mit Musik und musikalischer
Kultur ist würdelos. „Im Reiche der Zwecke hat alles
einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen
Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent, gesetzt werden;
was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent
verstattet, das hat eine Würde.” Momentan sieht es eher
so aus, als sei „Musik” das unwichtigste an Musik. „Die
Natur sowohl als Kunst enthalten nichts, was sie ... an ihre Stelle
setzen können; denn ihr Wert besteht nicht in den Wirkungen,
die daraus entspringen, im Vorteil und Nutzen, den sie schaffen,
sondern in den Gesinnungen, d. i. den Maximen des Willens, die sich
auf diese Art in Handlungen zu offenbaren bereit sind, obgleich
auch der Erfolg sie nicht begünstigte”, setzt Kant fort.
Das ändert sich gerade mit aller Gewalt immer schneller und
umfassender. Musik kommt unter zwanghaften Erfolgsdruck. Den kann
man Musik wohl aufbürden, aber man sollte zugleich auch wissen,
dass man so etwas wie musikalische Sittlichkeit damit endgültig
verabschiedet und in bloß klingende Münze umwandelt.
Musik wird ersetzbar, sie ist es jetzt ohnehin schon häufig
genug. Eigentlich ist Musik daher eher der Fehler denn seine Korrektur.