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nmz-archiv
nmz 2004/05 | Seite 27
53. Jahrgang | Mai
Jeunesses Musicales Deutschland
Alles dient ihr als Inspirationsquelle
Weikersheimer Stadtkomponistin: Babette Koblenz
„Das hier ist etwas ganz Besonderes: Eine Stadtkomponistin
gibt es noch nicht so lange. Es gab nur eine vor mir, die Charlotte
Seither, ich bin die zweite hier in Weikersheim – das ist
schon eine Sonderstellung!“ Nicht ohne Stolz sitzt Babette
Koblenz in ihrem Weikersheimer Arbeitszimmer: direkt am Marktplatz,
vor dem mittelalterlichen Schloss. Ein halbes Jahr lang ist die
geräumige Wohnung das Domizil der amtierenden Weikersheimer
Stadtkomponistin. Seit Anfang Februar ist Babette Koblenz bereits
im Amt, und bis Juli wird sie noch bleiben. „Die Aufgabe ist
ein bisschen gespalten: Einerseits ist da die Arbeit mit Öffentlichkeit,
andererseits dient die Stellung auch dazu, in Ruhe ein Werk weiter
zu entwickeln, zu dem man vielleicht zu Hause die Ruhe nicht hätte“.
Ruhe – die hat Babette Koblenz hier reichlich. Die historische
Altstadt ist ein Idyll zwischen Kirche und Schloss, hinter dem sich
ein Park erstreckt. Hier wird Babette Koblenz zu einem „Klavierstück
III“ weitere hinzu komponieren – später soll der
entstandene Zyklus als Klavierband herausgegeben werden.
Was aber genau tut eine Stadtkomponistin, die historisch gar nichts
mit dem Ort zu tun hat? Eine alt ehrwürdige Oper hat Weikersheim
ebensowenig wie ein historisch bedeutsames Orchester. Die Jeunesses
Musicales Deutschland verlangt von ihren Stadtkomponisten, dass
sie sich in Projekten für den Umgang mit Neuer Musik einsetzen
und die Kreativität der Teilnehmer anregen. Dabei sollen die
Institutionen vor Ort mit einbezogen werden. Gefordert sind „attraktive,
intelligente musikpädagogische Konzepte“.
Da ist die Ligety-Schülerin, die viel gereist ist und sich
mit der Musik vieler Kulturen beschäftigt, hoch willkommen.
In ihre Musik gehen orientalische und jüdische Melodieelemente
ebenso ein wie Rhythmus und die genaue, ungewöhnliche Arbeit
mit Sprache. Für Babette Koblenz muss ein Text sich nicht unbedingt
nach der Melodie richten: Zum Teil filtert sie die Musik aus der
Sprachmelodie, welche dem Text eigen ist. In ihrer Instrumentalmusik
finden sich Jazz, neue Musik, tradierte Harmonik, die Rhythmik des
Raggae: Alles dient ihr als Inspirationsquelle. Die Erfahrung, ganz
Unterschiedliches miteinander zu verbinden, ist in ihr Weikersheimer
Projekt eingeflossen.
Babette Koblenz wollte mit den örtlichen Musikensembles zusammenarbeiten.
Sie hat ein Projekt erarbeitet, bei dem die teilnehmenden Gruppen
zunächst ihrer Musik und ihren Stilen treu bleiben. Alle liefern
etwas zu, das später in einer Performance miteinander verbunden
wird: Chorsätze, Jazzelemente oder Renaissancestücke gehören
dazu. Babette Koblenz bezeichnet die Elemente als „musikalische
Postkarten“, die herumgeschickt werden – und: sie werden
an Erik Satie geschickt. Einige von Saties kleineren Klavierstücken
dienen als Bindeglied. Musikstile gehen ineinander über oder
können kippen und korrespondieren so zwischen den Weikersheimer
Akteuren und dem französischen Komponisten.
Zum Auftrag der Stadtkomponistin gehört auch die Zusammenarbeit
mit der Jeunesses Musicales. Also ist Babette Koblenz auch ein wenig
„Verbandskomponistin“. In dieser Rolle hat sie Mitte
April eine Gruppe jugendlicher Komponisten mit betreut, die sich
beim „Bundeswettbewerb Komposition“ der JMD als Preisträger
hervorgetan haben (siehe auch ihren Kurs-Bericht auf dieser Seite).
Bei Babette Koblenz, Martin Christoph Redel und Theo Brandmüller
lernten sie, wie man musikalische Ideen strukturiert und zu Papier
bringt. Sie analysierten Werke und übten, Stücke für
ein Ensemble zu arrangieren. Unter den zehn Kompositions-Schülern
in dieser Werkstatt befanden sich drei Mädchen. Ein Drittel
– das ist ganz schön viel, sagt Babette Koblenz. Denn
später im Studium findet sich zwischen neun Kompositionsstudenten
eine Frau. Die jugendlichen Komponistinnen sind einerseits ehrgeizig,
nehmen’s andererseits auch wieder gelassen: Ihnen ist klar,
dass das professionelle Komponieren ein harter Beruf ist. Aber missen
wollen sie das Komponieren doch nicht, erzählen zwei der Mädchen.
Marianne Richter aus Berlin will eigentlich keine hauptberufliche
Komponistin werden: „Ein brotloser Beruf“, sagt sie.
Sie will eine Laufbahn einschlagen, von der sie leben kann –
aber das Komponieren aufgeben mag sie auf keinen Fall: „...
weil es Spaß macht!“ Leonie Thöne aus Moers dagegen
will ganz bestimmt eine professionelle Komponistin werden –
am liebsten in einem Beruf, der Komposition und Kreativität
in anderen Bereichen miteinander verbindet. „So brotlos muss
es ja nicht unbedingt sein“, sagt sie.
Ausreichende Motivation ist also vorhanden – noch ist es
aber nötig, dass sie unterstützt wird. Vor diesem Hintergrund
ist es besonders wichtig, dass die JMD bereits zum zweiten Mal in
Folge eine Frau in das Amt des Stadtkomponisten berufen hat. Ausgeschrieben
und konzipiert ist der Posten nämlich neutral, eine Quotierung
lehnt die JMD ab. Die Weikersheimer wollen sich von Konzepten und
Handwerkskunst überzeugen lassen, in jedem Durchgang aufs Neue.
Und das haben bislang zwei Frauen erfolgreich getan.