[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2004/05 | Seite 7
53. Jahrgang | Mai
Magazin
Was unterhalb von Max Raabe gespielt wird
Musikmesse Forum: eine Diskussionsrunde zum Thema deutscher Musikexport
Über das Thema „Musikexport“ sprach Gregor Willmes,
Chefredakteur des Fono Forums mit Steffen Kampeter, Bundestags-
und Haushaltsausschuss-Mitglied, Hans-Herwig Geyer, Pressesprecher
der GEMA, und Peter James, Vorsitzender des Verbandes unabhängiger
Tonträgerunternehmen und frisch gekürter Geschäftsführender
Vorstand von „German Sounds“. Hinter diesem Titel verbirgt
sich das Musikexport-Büro Deutschlands, das es sich zum Ziel
macht, die Verbreitung von Musik, die in Deutschland produziert
und aufgeführt wird, im Ausland aktiv zu unterstützen.
Es geht darum, so Peter James, die Expertise über das gesamte
musikalische Spektrum im Land zu bündeln, die Informationen
weiterzugeben und eine Infrastruktur im Ausland aufzubauen, die
die Verbreitung deutscher Musik erleichtert.
Auf gute Vorbilder kann man in Nachbarländern wie Frankreich
oder Skandinavien zurückgreifen, die seit mehreren Jahren erfolgreiche
Modelle entwickelt haben. Finanziert wird das Büro in der Anfangsphase
durch eine klassische „Private-Public Partnership“.
Zur Hälfte trägt die Musikwirtschaft – im ureigenen
Interesse – die Kosten, die andere Hälfte schießt
die Bundesregierung dazu. Aber, darauf legt Steffen Kampeter Wert,
es handelt sich dabei um die Anschubfinanzierung einer neuen Idee,
vergleichbar mit der Unterstützung von Export-Beratung in anderen
Branchen. Auf Dauer müssten diejenigen, die die Dienstleistung
in Anspruch nehmen, auch die Kosten tragen. Das Musikexportbüro
richte sich im Übrigen vorwiegend an kleine und mittlere Unternehmen.
Den Kommentar „Man weiß ja auch nicht, wie lange sich
die Majors noch halten“, ließ sich der Bundestagsabgeordnete
dabei nicht nehmen. Hans-Herwig Geyer unterstrich die in Deutschland
herrschenden Defizite, die die Intensivierung des Musikexports unbedingt
erforderlich machten: Die GEMA hat im Jahr 2003 Ausschüttungen
ins Ausland in Höhe von 220 Millionen Euro für Musik-Autoren
aus dem Ausland, die in Deutschland auftreten oder gesendet werden,
vorgenommen. Das entsprechende Income aus dem Ausland beträgt
dagegen nur 50 Millionen Euro. Dies sei eine „Diskrepanz,
die wir nicht verstehen. In anderen Bereichen ist Deutschland Export-Land.
Im Musikbereich stoßen wir auf das gegenteilige Extrem.“
Es gehe dabei um eine gegenseitige intensivere Bekanntmachung regionaler
Kultur in anderen Ländern. „Kultur in Europa entsteht
in den Regionen. Wir müssen wissen, was in Italien unterhalb
von Eros Ramazotti gespielt wird. Ebenso müssen die Menschen
in Frankreich wissen, was zum Beispiel unterhalb von Max Raabe gespielt
wird,“ so Geyer.
Eng verbunden mit der Frage des Musik-Exports ist die Frage der
Radio-Quote: In Frankreich seit einiger Zeit mit gutem Erfolg eingeführt
wird sie in Deutschland nach wie vor kontrovers diskutiert. Ob die
Auflage an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, einen bestimmten
Prozentsatz deutscher Musik obligat zu senden, tatsächlich
die Verbreitung und Vielfalt intensiviert, bezweifelt Steffen Kampeter,
der sich als „prominentester Quoten-Gegner“ präsentierte.
Die Erfahrung mit der Quote in der DDR beispielsweise sei nicht
förderlich für die musikalische Vielfalt gewesen und habe
eher die Richtung einer „sozialistischen Geschmackskultur“
genommen. Es dauerte nicht lange, da waren die Gesprächspartner
bei dem Thema angekommen, das auch andere Podien engagiert diskutierten
oder zumindest streiften: die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks und die mangelnde Wahrnehmung dieser Aufgabe in heutiger
Zeit. „Die Leute beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk
arbeiten ohne eigenes Risiko, sie spielen Markt, obwohl sie es gar
nicht müssen“, so Peter James. Heute verbreite jeder
Sender nur noch die Musik von der er hoffe, dass die Leute nicht
abschalten, mit der Folge, dass nur noch 200 bis 300 Titel und wenige
neue unbekannte Musik gespielt werde. Dies sei nicht Aufgabe des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der sich immerhin zu großen
Teilen aus Gebühren finanziert. Ein Einwand am Rande von Steffen
Kampeter: „Manchmal entsteht der Eindruck, Kommerzialität
und Qualität werden automatisch in einen Widerspruch gestellt.
Was viel gehört wird, kann nicht gut sein. Da müssen wir
vielleicht auch einen Dünkel abstellen.“