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nmz-archiv
nmz 2004/06 | Seite 35
53. Jahrgang | Juni
Bayerischer Kulturrat
Bildungsmisere vertieft sich weiter
Schulbuchausgaben 2003 auf Rekordtief seit Wiedervereinigung
Die staatlichen Ausgaben für Schulbücher und Lernsoftware
sind 2003 auf ein Rekordtief von bundesweit nur noch rund 250 Millionen
Euro abgerutscht (fast zehn Prozent weniger als im Vorjahr).
Damit hat sich auch im Jahr Zwei nach den schlechten PISA-Ergebnissen
deutscher Schüler die negative Entwicklung bei den Investitionen
von Ländern und Kommunen in die Erneuerung der Bildungsmedienausstattung
weiter verschärft. Seit 1991 kämpft die Branche der gut
70 Bildungsmedienverlage mit einem kontinuierlichen Rückgang
der öffentlichen Schulbuchausgaben, die 1991 bei noch knapp
400 Millionen Euro lagen. Die Pro-Schüler-Ausgaben der öffentlichen
Hand sanken in diesem Zeitraum nach Auskunft des Branchenverbandes
VdS (Verband der Schulbuchverlage e.V.) BILDUNGSMEDIEN um über
40 Prozent von 34,30 Euro auf nur noch 20,10 Euro. Positiv haben
sich 2003 dagegen die privaten Investitionen in Bildungsmedien entwickelt:
Sie konnten letztlich den Rückgang der staatlichen Ausgaben
knapp ausgleichen. In Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt
traten im letzten Jahr Neuregelungen der Lernmittelfreiheit mit
Kostenbeteiligungen für die Eltern in Kraft: Zumindest in NRW
und Sachsen-Anhalt bewirkte dies einen ersten lnnovationsschub bei
der Lernmittelausstattung seit über zehn Jahren. Mit Ausnahme
von Bremen und Hessen wurde 2003 in allen anderen Bundesländern
zum Teil massiv bis zu einem Drittel des Vorjahresetats gekürzt,
ohne dies durch Elternkauf auszugleichen. Zum dritten Jahr in Folge
enttäuschte 2003 auch die Entwicklung im Bereich der computergestützten
Lernmedien: Der Umsatz mit Lern- und Unterrichtssoftware stagnierte
erneut auf dem im internationalen Vergleich extrem niedrigen Niveau
von etwa 35 Millionen Euro. Den Schulen fehlen weiter die Etats
zur Anschaffung der Medien. Zudem werde der Absatz dieser Medien
in hohem Maße durch Raubkopieren geschädigt. Der VdS
hat dagegen eine breit angelegte lnformationskampagne an den Schulen
gestartet, die das Unrechtsbewusstsein zumindest bei der Lehrerschaft
schärfen soll.
Durch die Sparmaßnahmen in der Mehrzahl der Bundesländer
gab es 2003 trotz steigender Elternausgaben im Bundesdurchschnitt
keine Verbesserung der Bildungsmedienausstattung der Schulen. Bereits
Ende letzten Jahres monierte der erste Nationale Bildungsbericht
der Kultusministerkonferenz, dass die Lernmittel der Schulen stark
überaltert sind und die Ausleihzeiten von Lehrwerken im Bundesdurchschnitt
mittlerweile bei 9 Jahren liegen. Es wird hier konsequentes Handeln
der Bildungspolitik gefordert: „Wer umfassende Reformen einleitet,
damit das deutsche Bildungswesen wieder international Anschluss
findet, der kann nicht gleichzeitig die Bildungsinvestitionen weiter
herunterfahren.“ Mit den in den Schulen vorhandenen überalterten
Lernmitteln ließen sich die Lese- und Lernschwächen der
Schüler definitiv nicht verbessern. Wem dazu das Geld fehle,
der müsse den politischen Mut finden, die Eltern an der Finanzierung
der Lernmittel zu beteiligen, so fordert beispielsweise der VdS.
Schließlich erhielten die Eltern dadurch auch einen deutlichen
Vorteil für ihre Kinder – nämlich eigene und aktuelle
Schulbücher statt völlig verbrauchte Ausleihbücher.
Mit Blick auf die laufenden Diskussionen um eine Neuregelung der
Lernmittelfreiheit in Bayern und Niedersachsen ist der Verband verhalten
optimistisch, dass es mittelfristig zu einer Verbesserung kommen
könne. Allerdings warnt der VdS vor einem kompletten Rückzug
des Staates aus der Lernmittelfinanzierung: Die erhöhten Kosten
sind für die Eltern nur dann zumutbar, wenn diese im Gegenzug
auch eine bessere Lernmittelausstattung für ihre Kinder erhalten
und nicht einfach nur die staatlichen Sparmaßnahmen kompensieren
sollen.