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nmz-archiv
nmz 2004/06 | Seite 10
53. Jahrgang | Juni
Cluster
Dünnfunk
Nun ist auch die letzte Rundfunkanstalt in Deutschland durch.
Das Programm ist glatt gebügelt nach allen Erfordernissen alternder
Besserwisser. Jetzt also der Hessische Rundfunk. Auf der Welle HR1
sind die politische Sendung zum Tagesgeschehen „Der Tag”
und das musikalisch anspruchsvolle „Schwarz-Weiß”
weggeopfert. Wir erinnern uns an Theo Geißlers Leitartikel,
vor knapp einem Jahr zurück. Geißler zitiert den Hörfunkdirektor
des Hessischen Rundfunks Heinz Sommer mit der törichten Weisheit:
„Der Radiohörer hört Radio – nicht Kultur
… in allererster Linie Radio und nicht Inhalte” –
und ein Leser will Texte und keine Literatur. Heute nennt Sommer
im Einklang mit seinem Intendanten Helmut Reitze das feinsinnig
das Prinzip „Durchhörbarkeit”. Durchhörbar
wird es werden, weil das neue Programm so dünn ist, mit Musik
durchgesuppt wie mittlerweile leider bei zahlreichen anderen öffentlich-rechtlichen
Funkern ebenfalls. Woher rührt eigentlich die phasenverschobene
Wahrnehmung der Funkmeister der Nation?
Angeblich erfüllen die Herrschaften nur einen sozusagen basisdemokratischen
Auftrag, nämlich mehr Hörer zu erreichen, so wie Politiker
mehr Wähler. Das Mittel der ersten Wahl ist natürlich
Brot und Spiele, oder wie im Hörfunk seichte Musik (ja, aus
Schwarz-Weiß wird wohl die HR1-Lounge) und Gelaber. Neu war
allerdings, dass in Hessen eine Initiative „Rette dein Radio”
mobil machte, unter ihnen Heiner Goebbels, Gert Scobel, Cora Stephan
und die Gruppe Badesalz. Der Initiative wirft man aus der HR-Chefetage
vor, das Radio zwanghaft in „Hochkultur” und „Dudelfunk”
einzuteilen. „Diese Spaltung der Belegschaft wird nicht gelingen,”
meinen Reitze und Sommer. Nein, denn sie ist schon vollstreckt nicht
nur beim Hessischen Rundfunk sondern quer durch Deutschland. Theo
Geißler startete seinen Artikel mit einem Text Bert Brechts:
„Ein Mann, der etwas zu sagen hat und keine Zuhörer findet,
ist schlimm dran. Noch schlimmer sind Zuhörer dran, die keinen
finden, der ihnen was zu sagen hat”. Doch wer redet heute
eigentlich noch von Zuhörern. In den Augen der Entscheider
sind es nur Durchhörer. Klappe halten, das graue Teil zwischen
den Ohren auf Durchzug stellen und Gebühren zahlen, dafür
ist das Quoten-Futter gut.