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nmz-archiv
nmz 2004/06 | Seite 13
53. Jahrgang | Juni
Hochschule
Von der Musikhochschule auf den Arbeitsmarkt
Ergebnisse des Absolventen-Projekts · Von Heiner Gembris
und Diana Langner
Das am Institut für Begabungsforschung in der Musik (IBFM)
der Universität Paderborn durchgeführte Absolventen-Projekt
geht der Frage nach, welchen beruflichen Tätigkeiten (in musikalischen
oder nicht-musikalischen Arbeitsfeldern) die Absolventen der künstlerischen
Ausbildung der Musikhochschule nachgehen. In diesem Zusammenhang
wird auch untersucht, welche Qualifikationen der Arbeitsmarkt von
den Absolventen erwartet und wie die Ausbildung der Musikhochschulen
darauf vorbereitet.
Allegorischer Schnappschuss
im Fahrstuhl der Stuttgarter Musikhochschule: das Ausbildungsinstitut
als
Chancenvermittler. Geht der Karrierefahrstuhl nach oben
oder nach unten? Foto: Martin Hufner
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse sei hier vorab dargestellt.
Eine ausführliche Darstellung aller Ergebnisse wird in Buchform
Ende 2004/Anfang 2005 erscheinen.
Insgesamt wurden 659 Absolventen von sieben deutschen Musikhochschulen
mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens zu ihrer beruflichen
Tätigkeit und ihrer retrospektiven Einschätzung der Ausbildung
befragt. Von diesen haben 418 eine künstlerische Ausbildung
absolviert mit dem Ziel einer Tätigkeit im Orchester oder einer
solistischen Laufbahn (160 Streicher, 108 Bläser, 100 Sänger,
50 Pianisten).
Um Informationen über die Anforderungen des Musikerarbeitsmarkts
zu erhalten, wurden themenzentrierte Leitfadeninterviews mit 13
Arbeitsmarktexperten (Entscheidungsträger aus Orchester/Theater,
Agenten aus privaten und staatlichen Künstleragenturen) durchgeführt.
Darüber hinaus wurden mit 17 Dozenten von verschiedenen Musikhochschulen
ebenfalls Leitfaden-Interviews durchgeführt, um Aufschluss
darüber zu gewinnen, inwieweit die praktischen Anforderungen
der spätere Berufstätigkeit in der Ausbildung berücksichtigt
werden.
Die Ergebnisse der Absolventenbefragung zeigen, dass von den befragten
Instrumentalisten nur ein einziger seinen Lebensunterhalt als Solist
bestreitet. Der Anteil der Streicher, die eine feste Stelle im Orchester
erreicht haben, liegt bei 38 Prozent, der entsprechende Anteil der
Bläser bei 42 Prozent. Die freiberufliche musikalische Tätigkeit
spielt mit 34 Prozent bei den Streichern und 27 Prozent bei den
Bläsern eine wichtige Rolle. Insgesamt bestreiten circa 80
Prozent der Streicher und Bläser ihren Lebensunterhalt ausschließlich
mit musikalischen Tätigkeiten. Der Rest geht einer Kombination
von musikalischen und außermusikalischen Tätigkeiten
nach. Nur ein kleiner Teil von 6 Prozent (Streicher) beziehungsweise
7 Prozent (Bläser) gibt rein außermusikalische Erwerbsquellen
an.
Bei den Sängern liegt der Anteil der freiberuflich Tätigen
bei 42 Prozent. Im Chor fest angestellt sind 26 Prozent und 12 Prozent
haben ( befristete) Soloverträge. Einer Kombination von musikalischer
und außermusikalischer Erwerbstätigkeit gehen 13 Prozent
nach, 3 Prozent sind ausschließlich außermusikalisch
tätig. Bei den Pianisten liegt der Anteil der freiberuflich
Tätigen mit 60 Prozent signifikant höher als bei den anderen
Instrumenten. Eine feste Vollzeitstelle an einer Musikschule haben
14 Prozent der Pianisten, weitere 8 Prozent haben dort eine feste
Teilzeitstelle. Der Rest geht teils musikalischen, teils außermusikalischen
Erwerbstätigkeiten nach. Hinsichtlich der Ausbildung wird die
fachliche Betreuung durch den Hauptfachlehrer von den befragten
Absolventen zum allergrößten Teil positiv bewertet. Die
Karrierebetreuung der Hochschule, die Information über den
Beruf oder die Herstellung von Kontakten zum Arbeitsmarkt wird größtenteils
negativ bis sehr negativ bewertet.
Die Befragung der Arbeitsmarktexperten zeigt zum Teil erhebliche
Diskrepanzen zwischen der Berufsvorbereitung der Absolventen und
den Anforderungen des Arbeitsmarktes auf. Erhebliche Defizite gibt
es sowohl in der fachlichen Vorbereitung (wie mangelnde Vorbereitung
auf das Spielen von Orchesterstellen, Vorspielen und Vorsingen)
als auch in praktisch-organisatorischen Fähigkeiten (etwa Selbstmanagement).
Es werden hier eine ganze Reihe von Hinweisen gegeben, wie die Ausbildung
zu verbessern ist, wobei diese Hinweise mit den Erfahrungen der
Absolventen in wichtigen Bereichen übereinstimmen. Die Befragung
der Hochschuldozenten zeigt teilweise widersprüchliche Ansichten
hinsichtlich der Konzeption der Ausbildung insbesondere der Sänger
und Sängerinnen auf. Als generelles Problem wird die innerhalb
der Hochschulen oft nur schwer durchzusetzende frühzeitige
Leistungsbewertung und realistische Beratung hinsichtlich der Eignung
für den Musikerarbeitsmarkt gesehen.