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nmz-archiv
nmz 2004/06 | Seite 32
53. Jahrgang | Juni
Jugend musiziert
Standing Ovations vom Generalkonsul
Eine Konzertreise in die Türkei · Von Andreas Hering
und Sebastian Kraus
Vom 24. bis 30. April 2004 unternahmen der Pianist Andreas Hering
und der Cellist Sebastian Kraus eine Konzertreise in die Türkei.
Die beiden hatten die Reise im Rahmen der Anschlussförderung
für Bundespreisträger „Jugend musiziert“ und
auf Einladung der Goethe-Institute Ankara, Izmir und Istanbul angetreten.
Im folgenden ihr Bericht.
Im Hintergrund der Mädchenturm,
im Vordergrund zwei begeisterte Türkei-Entecker: Andreas
Hering (li.) und Sebastian Kraus in Istanbul. Foto: privat
Wir sitzen jetzt im Flieger zurück nach Frankfurt und hinter
uns liegt eine Woche mit drei Konzerten und vielen tollen Erfahrungen
und Erlebnissen in der Türkei. Vor sechs Tagen, am Samstag,
den 24. April, landeten wir abends um 23.00 Uhr in Ankara und wurden
dort schon vom Fahrer des dortigen Goethe Instituts erwartet, der
uns ins Hotel brachte. Auf der Fahrt bekamen wir nicht nur einen
deutlichen Eindruck von der Vitalität der Türken, vor
allem im Straßenverkehr, sondern konnten uns auch ein erstes
Bild von der Stadt selber machen. Unser Hotel lag im Stadtzentrum,
alle „Highlights“ der Stadt waren von dort aus gut zu
erreichen. Gleich nach dem Frühstück am Sonntag morgen
mit Ziegenkäse und Oliven, wurden wir von einem deutschen Klavierlehrer,
Herrn Seidel, der am dortigen Konservatorium unterrichtet, abgeholt.
Freundlicherweise hatte er uns angeboten bei ihm zu proben, was
wir dann auch den ganzen Vormittag über taten. Mittags trafen
wir uns mit einigen Musikstudenten aus Ankara, die uns die Stadt
zeigten, uns die türkische Küche näher brachten und
einiges von ihrem Leben als Musikstudenten in der Türkei erzählten.
Nach dem Genuss eines echten türkischen Kaffees (wow, stark!)
wurde uns sogar aus dem Kaffeesatz gelesen und die Zukunft vorausgesagt.
Es war in jeder Hinsicht ein sehr lustiger und interessanter Nachmittag;
von der Stadt und den Leuten waren wir vom ersten Moment an begeistert,
wenn uns auch die Lebendigkeit und ständige Betriebsamkeit
anfangs ziemlich verschüchtert: Auf den Straßen geht
es chaotisch zu; ein beständiges Hupkonzert ertönt überall,
es wimmelt von gelben „TAKSIS“, Fußgänger
drängeln sich auf der Straße und auf den Bürgersteigen,
Straßenhändler preisen lauthals ihre Waren an. –
So etwas hatten wir beide vorher noch nie erlebt. Am Montag wurde
uns vormittags die Musikabteilung der Universität gezeigt.
Auch hier herrschte ein lebendiger Betrieb. Selbst im Treppenhaus
dieses sehr hellhörigen Gebäudes wurde geübt. Überall
wurden wir sehr freundlich und herzlich empfangen, ein Klavierschüler
spielte uns ein beeindruckend schönes Stück eines türkischen
Komponisten vor und auch ein Mendelssohn Klavierquartett wurde uns
präsentiert. Die Musikabteilung ist sowohl mit einer Klavierbau-
als auch mit einer Streicher- und Bläserwerkstatt ausgestattet.
Außerdem warfen wir noch einen Blick in die Ballettabteilung;
auch eine Theaterabteilung gibt es dort.
Den ganzen Nachmittag über konnten wir uns auf das abendliche
Konzert im Saal der Hacettepe-Universität vorbereiten. Der
Konzertsaal gefiel uns sehr, er ist mit etwa 600 Plätzen ausgestattet.
Als Pianist darf man sich dort über einen schönen Steinway
D freuen. Vor dem Konzert waren wir beide etwas angespannt: Wie
würde das Publikum reagieren, würde überhaupt jemand
uns beide hören wollen? Als Programm hatten wir vorgesehen:
die Sonate op. 5 Nr. 2 g-Moll von Ludwig van Beethoven und dann
vor der Pause die Sonate in C, op. 65 von Benjamin Britten. Nach
der Pause folgte mit dem ersten Heft der Brahms’- schen Paganinivariationen
ein Stück für Klavier solo und darauf, ebenfalls von Brahms,
die Cellosonate in e-Moll op. 38.
Das Konzert in Ankara lief sehr gut und machte uns beiden viel
Spaß. Nur die sehr geringe Zuhörerzahl trübte die
Freude am Spielen ein wenig. Nach dem Konzert kamen viele, vor allem
jugendliche Konzertbesucher in die Garderobe, um zu gratulieren
und Autogramme zu holen. Wir waren begeistert! Später abends
feierten wir mit den Musikstudenten dort noch ein wenig Abschied,
da es für uns am nächsten Morgen – nach einer recht
kurzen Nacht – kurz nach 8.00 Uhr nach Izmir ging. Izmir war
wieder eine völlig neue Erfahrung. Untergebracht waren wir
in einem Hotel in einem sehr touristischen Viertel in der Nähe
des Hafens und der Strandpromenade, mit vielen Bars und Kneipen.
Der ganze Dienstag – Nachmittag diente wieder der Konzertvorbereitung.
Wir durften im schönen Konzertsaal des türkisch-amerikanischen
Kulturinstituts auftreten. Auch dieses Konzert machte uns wieder
viel Spaß, doch auch in Izmir fanden wir es sehr schade, dass
nur ein sehr geringer Publikumsandrang herrschte, der uns mit den
vielen Konkurrenzveranstaltungen, die an diesem Abend in Izmir stattfinden
sollten, erklärt wurde. Nach dem Konzert ließen wir zwei
alleine den Abend am Strand, in einem schönen Lokal, ausklingen;
dieses Mal mit eher mitteleuropäischer Kost. Am nächsten
Morgen holte uns eine Musikstudentin aus Izmir im Hotel ab, um mit
uns ein wenig durch die Stadt zu laufen. Wir tranken – wie
schon in Ankara – den außerordentlich leckeren türkischen
Tee und liefen durch die große Einkaufsstraße der Altstadt
von Izmir.
Mittags mussten wir dann, nachdem wir uns von Frau Sinangil, der
zuständigen Dame im Goethe-Institut verabschiedet hatten, auch
schon wieder zum Flughafen, um den Flug nach Istanbul zu erreichen.
Viele Leute hatten uns schon vorher begeistert von Istanbul erzählt
und wir waren schon sehr gespannt auf diese berühmte, große
Stadt, mit ihren unfassbaren über zehn Millionen Einwohnern.
Ahmet, der freundliche und lustige Fahrer des Goethe-Institutes
in Istanbul holte uns vom Flughafen ab. Er brachte noch einmal die
türkischen Verkehrsregeln auf den Punkt: „Bei uns hat
jeder Vorfahrt – Fußgänger und Autofahrer!“
Na dann. Das Erste, was er uns von Istanbul zeigte, war ein großer
Fischmarkt, auf dem sich uns ein sehr „appetitliches“
Bild mit vielen kopflosen Fischen bot.
Kurz nach unserer Ankunft im Hotel trafen wir uns mit Cigdem Göymen
vom Goethe-Institut, mit der wir türkisch essen gingen und
viel Spaß hatten. Am nächsten Vormittag trafen wir uns
wieder mit unserem Fahrer Ahmet, um mit ihm zusammen eine Stadtrundfahrt
zu machen und uns im Schnelldurchgang die Stadt zeigen zu lassen.
Es wurde eine sehr amüsante und unglaublich interessante Fahrt.
Innerhalb von drei Stunden sahen wir Highlights wie die Sultan Ahmet
Moschee, die Zisterne, den Topkapi-Palast (von außen), den
Mädchenturm, das Haus von Pierre Loti, gingen einmal über
den Grand Bazar und hatten sogar noch Zeit, einen leckeren Apfeltee
zu trinken und echten türkischen Tabak zu kaufen (Cappuccino-
und Erdbeergeschmack).
Nachmittags probten wir wieder für unser Konzert am Abend
im Generalkonsulat der BRD. Ein sehr schöner Saal, allerdings
sehr hallig, sodass wir anfangs Probleme mit der Balance hatten.
Vom stellvertretenden Generalkonsul, Herrn Meyer und seiner Frau,
wurden wir sehr freundlich empfangen. Das Konzert war ein tolles
Erlebnis, wir hatten viel Spaß. Der Saal war das erste Mal
auf unserer Reise richtig voll und das Publikum reagierte begeistert.
Für uns war dieses Konzert ein krönender Abschluss einer
wunderbaren, erlebnisreichen Reise.
Nach dem Konzert gab es einen Empfang mit Cocktails und Snacks.
Im Konzert waren viele deutsche Besucher, mit denen wir uns lange
unterhielten. Es herrschte eine rege Nachfrage nach CDs von uns,
die wir leider noch nicht anbieten konnten. Aber dem werden wir
wohl bald nachgehen. Mit vollen Mägen und ziemlich müde
machten wir uns schließlich auf den Weg ins Hotel, liefen
über eine große Einkaufsstraße, die selbst am Donnerstagabend
um kurz vor 24:00 Uhr noch voller Menschen war. Fast alle Geschäfte
hatten noch auf – wir waren fasziniert.
Nach einem ausgiebigen Hotelfrühstück fuhr uns Ahmet
zum Flughafen und wir mussten die Heimreise antreten. Selten kam
uns eine Woche so kurz vor. Der stellvertretende Generalkonsul in
Istanbul hat uns eingeladen wieder für ein Konzert in die Türkei
zu reisen und wir wollen diese Möglichkeit so bald wie möglich
nutzen!