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nmz-archiv
nmz 2004/06 | Seite 26
53. Jahrgang | Juni
Musikwirtschaft
Sich immer auf der Höhe der Zeit bewegen
nmz-Serie zum Thema Selbst-Management Teil 7: Zeitmanagement
· Von Albert Weckert
Es war ein ganz und gar nicht alltäglicher Workshop, den
ich im Frühjahr dieses Jahres an der Landesmusikakademie Berlin
zum Thema Zeitmanagement abhielt. Für diesen Workshop hatte
ich einige besonders kniffelige Übungen vorbereitet, mit denen
die Gruppe sich problematischen Themen aus dem Arbeitsalltag von
Musikern wie „Zeitfressern“ oder der „Aufschieberities“
annähern könnte. Das Konzept ging auf: Schon nach den
ersten zwei bis drei Aufgaben merkte ich, wie mich der Elan der
Teilnehmer ermutigte und wie mich die Dynamik der Gruppe ansteckte.
Kurzentschlossen ergänzte ich in der ersten Mittagspause das
didaktische Konzept. Während der Übungen mischte ich mich
unter die Teilnehmer und packte ein eigenes „geschobenes“
Projekt an: den Aufbau eines Internet-Forums für die Seite
www.selbstmanagement-fuer-musi ker.de. Anhand dieses Projekts gelang
es mir, die Prinzipien professionellen Zeitmanagements hautnah und
spontan zu vermitteln.
Alle Umfragen in meinen Seminaren dokumentieren, dass Zeitdruck,
Aufgabenbewältigung und Zeiteinteilung für die meisten
Musikschaffenden Stressfaktoren sind. Wenn ich allerdings nachfrage,
wer unter den Workshopteilnehmern seine täglichen Arbeitsaufgaben
schriftlich plant, erhebt nur eine Minderheit die Hand. Obwohl das
Thema „Zeitmanagement“ uns privat und beruflich tagein
tagaus verfolgt, investieren nur wenige Menschen ausreichend Energie
in diese Richtung.
Der Zeitmanagement-Papst Lothar J. Seiwert erzählt in seinen
Trainings zu dieser paradoxen Situation eine Geschichte. Sie handelt
von einem Mann, der durch den Wald spaziert und eine Gruppe von
Waldarbeitern sieht, die recht schnell einen Baum fällt. Später
beobachtet der Mann eine zweite Gruppe, die beim Sägen überhaupt
nicht vorwärts kommt, weil ihre Säge stumpf ist. Als der
Spaziergänger die Gruppe darauf anspricht, antwortet diese
sinngemäß: Wir haben keine Zeit die Säge zu schärfen,
wir müssen den Baum fällen!
Für jeden von uns ist der wichtigste Schritt zur Schärfung
unserer „Zeitmanagement-Säge“ der Übergang
zur schriftlichen Planung. Mit schriftlicher Planung behalten wir
in jeder Situation den Überblick. Wenn wir abends unseren Arbeitsplatz
verlassen, können wir die erledigten Aufgaben abhaken und ohne
ein rumorendes Unterbewusstsein („da war doch noch was“,
„hoffentlich habe ich nichts vergessen“) in den Feierabend
eintauchen.
Aufgabe Nr. 1 – Ihre Erfolge mit schriftlicher Planung
Überprüfen Sie die vorangehende Behauptung. Haben Sie
mit irgendeiner Form schriftlicher Planung bereits private oder
berufliche Erfolge verzeichnen können? Schreiben Sie diese
Erfolge auf eine Blatt Papier und notieren Sie, warum Ihnen in der
jeweiligen Situation schriftliche Planung geholfen hat. Mir persönlich
hilft schriftliche Vorbereitung in den verschiedensten Situationen,
etwa wenn ich mir die Verhandlungsstrategie für einen Schallplattenvertrag
zurecht lege. Bei besonders komplizierten Zielen greife ich sogar
auf Planungssoftware (beispielsweise Microsoft Project) zurück.
Unabhängig vom Schwierigkeitsgrad müssen wir für
jedes Ziel zunächst prüfen, ob es überhaupt erreichbar
ist („Abgänge unter den Musikschülern ausgleichen“).
Zweitens muss ein Ziel messbar (beispielsweise „drei neue
Musikschüler“) und drittens planbar sein („zwei
Vertragsabschlüsse in den kommenden 14 Tagen“).
Aufgabe Nr. 2 – Ziele setzen
Erarbeiten Sie in Form eines Brainstormings oder einer Mind-Map
alle Ihre aktuellen Ziele, egal ob sie Freizeit, Beruf, Familie
oder Gesundheit betreffen. Anschließend übertragen Sie
alle Ihre Ziele in eine Liste und notieren zu jedem Ziel, ob es
erreichbar, messbar und planbar ist. Außerdem notieren Sie
die ersten zwei Schritte zur Realisierung jedes einzelnen Ziels.
Wie in der Einleitung dieses Beitrags beschrieben, fand ich unter
meinen Zielen die Erweiterung der Homepage www.selbstmanagement-fuer-musiker.de
wieder. Seit langem beschäftigte mich der Gedanke, die Homepage
um ein Forum zu erweitern, dass eine Diskussion zu Selbstmanagement-Themen
ermöglicht. Der Haken an der Sache: Die mir vorschwebende Software
war in einer mir unbekannten Programmiersprache (PHP) geschrieben.
Außerdem erforderte die Installation des Forums einen Providerwechsel,
den Umzug von sechs Domains und die Aktivierung einer MySQL-Datenbank
(alles Themen, vor denen mir grauste).
Aufgabe Nr. 3 – Auswahl und Aufgabenplanung
Wählen Sie jetzt aus der Gesamtheit Ihrer Ziele ein Ziel
aus, dass die Kriterien Erreichbarkeit, Messbarkeit und Planbarkeit
erfüllt. Wählen Sie ein Ziel, dass Ihnen besonders am
Herzen liegt oder das besonders dringlich ist. Notieren Sie in Form
eines Brainstormings oder einer Mind-Map alle Einzelschritte, die
zur Erfüllung Ihres Ziels notwendig sind.
Die schriftliche Aufgabenplanung ist der beste Kunstgriff, um sich
selbst die Angst vor einem großen Ziel zu nehmen. Vor meinem
geistigen Auge zerlegte ich das schier gigantische Ziel in viele
kleine und überschaubare Teilaufgaben. Plötzlich erschien
mir das Projekt nur noch als „viel Arbeit“, aber nicht
mehr „utopisch“. Vor meinem geistigen Auge begann ich
Software runterzuladen, Anträge für den Umzug der Internetadressen
zum neuen Provider zu stellen, telefonisch die Modalität für
die Aktivierung einer Datenbank zu erfragen und so weiter.
Aufgabe Nr. 4 – Zeitplanung
Ordnen Sie alle Aufgaben Ihres Projekts in eine sinnvolle Reihenfolge
und schätzen Sie für jede Aufgabe das notwendige Zeitbudget.
Rechnen Sie jeder Aufgabe eine Pufferzeit von 50 Prozent hinzu und
notieren Sie das Ergebnis auf Ihrer Liste. Übertragen Sie alle
Aufgaben in Ihren Terminkalender. Die Installation des Forums begann
für mich am folgenden Montag mit den Anträgen auf den
Providerwechsel.
Weil der Providerwechsel circa eine Woche dauert, konnte ich in
den darauffolgenden sechs Tagen nicht an dem Forum basteln. In dieser
Zeit konnte ich allerdings das Handbuch für die Software lesen
und mit dem Support des Providers klären, wie ich die notwendige
Datenbank aktiviere. Alle diese Einzelschritte wurden Bestandteile
von Tagesplänen, die von mir jeweils am Vorabend aufgestellt
wurden.
Für die Planung eines einzelnen Arbeitstages gibt es drei
Hauptregeln:
a) Immer das Wichtigste zuerst! Schreiben Sie sich täglich
auf, welche Einzelaufgaben am nächsten Tag zu erledigen sind.
Sortieren Sie die Aufgaben anschließend nach dem Top-Down-Ansatz.
Erledigen Sie zuerst das Wichtigste, dann das Zweitwichtigste...
b) Halten Sie sich bei der Verplanung Ihrer Zeit stets Puffer von
50 Prozent frei! Zeitreserven helfen Ihnen trotz unvermeidlicher
Ablenkungen Ihr Timing zu halten.
c) Konzentrieren Sie sich auf die richtigen Ziele! Was bringt Ihnen
am meisten Geld oder Ihrem Gesamtziel am nächsten?
Aufgabe Nr. 5 – Tagesplan
Schreiben Sie in Form eines Brainstormings oder einer Mind-Map
auf, was Sie am nächsten Tag erledigen wollen. Sortieren Sie
anschließend alle Tätigkeiten in eine Reihenfolge nach
Ihrer Wichtigkeit. Die Installation meines Forums begann am Montag
nach dem Zeitmanagement-Workshop. Ich ordnete die ersten Schritte
zur Zielrealisierung in meiner Montagsliste relativ weit unten ein.
Wichtiger als die Installation des Forums erschien mir die Fertigstellung
eines neuen Kapitels für mein Buch „Selbstmanagement
für Musiker“ (Gesamtziel) und die Akquisition neuer Seminare
(Geld). Außerdem hatte ich familiäre Pflichten zu berücksichtigen
(Tochter in den Kindergarten bringen et cetera). Die Anträge
für den Providerwechsel, den Download und den Ausdruck des
Handbuchs sowie das erste Telefonat mit dem Support plante ich für
den Nachmittag mit einem Gesamtzeitbudget von 80 Minuten ein. Wie
Sie sich vorstellen können, setzte mich die öffentliche
Planung des Forums unter einen gewissen Erfolgsdruck („practice
what you preach!“). Tatsächlich habe ich innerhalb von
zwei Wochen ein auf PHP und MySQL basierendes Forum installiert,
obwohl ich von Datenbanken nicht mehr als ein ganz normaler Durchschnittsbürger
verstehe. Ohne Zeitmanagement hätte ich weder den ersten Schritt
getan, noch meine laufenden Pflichten erfüllen können.
Faktisch habe ich an dem Projekt sogar so viel Spaß gefunden,
dass ich gleich noch ein Gästebuch dazu installierte –
Sie sind herzlich eingeladen sich einzutragen!
Unsere Zeit läuft! Wenn wir über „Zeitmanagement“
reden, meinen wir wohl eigentlich „Aufgabenmanagement“.
Alle Teilnehmer des besagten Frühjahrsworkshops äußerten
das Bedürfnis nach einer befriedigenden Arbeit und ausreichend
Zeit für ein gelöstes Privatleben. Ein Zeitplanbuch mit
einem übersichtlichen Terminkalender und viel freiem Platz
zur Gestaltung von Tagesplänen kann Ihnen im Zeitalter des
„Multitasking“ helfen, den Fokus auf das Wesentliche
zu richten und sich Freiräume zu erhalten. „Aufgabenmanagement“
bedeutet so gesehen „Lebensmanagement“.