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nmz-archiv
nmz 2004/06 | Seite 40
53. Jahrgang | Juni
Rezensionen
Ich bin vom grünen Licht so schwer zu heilen
Die DVD „halb und halb – Wenzel & Band im Konzert“
bei Conträr
Entdeckt habe ich persönlich als Westmädchen den in
der Lutherstadt Wittenberg geborenen und aufgewachsenen Hans Eckardt
Wenzel, Poet, Ex-Clown, Liedermacher, Regisseur und vor allem Musiker,
noch zu DDR-Zeiten in der deutschen Buchhandlung in Prag. Ich kaufte
mir auf gut Glück seine LP mit Liebesliedern „Stirb mit
mir ein Stück“. Und war fortan begeistert, die tief melancholischen
Songs mit außergewöhnlichen Texten drehten sich wochenlang
ununterbrochen auf meinem Plattenteller und wühlten sich tief
in meine spätpubertäre Seele. Ich setzte Himmel und Hölle
in Bewegung, um mehr über diesen Sänger herauszufinden
– Fehlanzeige. Das Internet war noch nicht erfunden…
Fast 20 Jahre später ist Wenzel im wiedervereinigten Deutschland
zwar mit einigen Preisen – Preis der deutschen Schallplattenkritik,
Kleinkunstpreis et cetera – ausgezeichnet worden, im Westen
insgesamt aber immer noch nicht so bekannt wie es ihm eigentlich
gebührte. Die vorliegende DVD ist als Einstieg und auch für
eingeschworene Fans sehr zu empfehlen: schon mit den 168 Minuten
Spielzeit hebt sie sich von Schnell-Schnell-Konzertmitschnitten
und DVD-Produktionen manch anderer Künstler wohltuend ab. Man
erlebt einen Auftritt Wenzels mit seiner Band 2001 im Maxim Gorki
Theater in Berlin.
Die Clown-Maske hat er inzwischen abgelegt, Wenzel ist zu seinen
Wurzeln und dem grünen Licht, das immer wieder in seinen Liedern
auftaucht, zurückgekehrt. Die anspruchsvollen, lyrischen Texte,
die nie überkandidelt oder übertrieben angestrengt wirken,
sondern seine Kompositionen wirksam ergänzen, handeln abgesehen
von der Liebe und den Frauen, die bis heute Lieblingsthemen geblieben
sind, auch von sozial Schwachen, Klassentreffen, herbstlichen Gefühlen
oder den sinnlichen Genüssen des Lebens. Er ist nicht nur sanfter
Chansonnier, sondern auch ein Bänkelsänger, der es manchmal
auch verbal krachen lässt.
In seiner Musik kann man Volksmusik- und Folkeinflüsse genauso
heraushören wie die Songtradition der 20er- und 30er-Jahre
eines Brecht oder Eisler. Und – wie er es treffend im angehängten
Interview beschreibt – vielleicht als unbewusst-bewusstes
Erbe seiner böhmischen Vorfahren – auch slawisch-osteuropäische
Töne. Die Instrumentierung ist dementsprechend: Klarinette
und Blech neben Percussion und natürlich Klavier und Akkordeon.
Chapeau!
Ursula Gaisa
halb und halb – Wenzel & Band im Konzert
Conträr/Vertrieb Indigo 7504-8