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nmz-archiv
nmz 2004/06 | Seite 43
53. Jahrgang | Juni
Noten
Software liegt immer noch voll im Trend
Sinnvolles und Absurdes auf der Musikmesse
Das Softwareangebot steigt gegenüber früheren Jahren
immer weiter, wenngleich auch für den Pädagogen der Versuch,
Sinnvolles von nicht Sinnvollem zu unterscheiden, mit sehr weiten
Wegen durch den Elektronik-Dschungel der Musikmesse verbunden ist.
Auch ist der computernutzende Pädagoge immer öfter anzutreffen,
so dass es durchaus Sinn macht, hier einen kurzen Einblick zu eröffnen
und einige Grundsatzfragen einmal mehr, aber berechtigt zur Diskussion
zu stellen. Aber natürlich gibt es neben Nützlichem und
sehr Nützlichem dabei auch einige Absurditäten, die dem
Leser nicht vorenthalten werden sollen.
Vielversprechende Nachricht kommt von der Internationalen Datenbank
für Noten und Verlagsartikel (idnv): zur speziellen Software
zur Nutzung der erarbeiteten Datenbank durch Handel, Verlage und
Bibliotheken soll demnächst eine CD-Rom für Lehrer, Musiker,
et cetera im Fachhandel Musik erhältlich sein, die diesen einschließlich
einer Merkzettelfunktion Zugang zu dieser Datenbank zu Hause am
Computer ermöglicht. Offen bleibt bei aller Nützlichkeit
nur die Frage, wie angesichts der Explosion neuer Angebote die Aktualität
auch zu Hause gewahrt bleibt. Ein pragmatisches Update-Konzept oder
ein ständig aktualisierter Zugang über Internet würden
hier sicher helfen. Selbstspielsysteme als Nachrüstsatz werden
– wie alle Elektronik – immer besser und billiger und
offensichtlich – warum auch immer – gefragter. „Vocaloid“
heißt das Programm aus Japan, das einen auf dem Computer eingegebenen
Text ohne kompositorisches Dazutun zu einem gesungenen Lied umwandelt,
bei dem der geneigte untätige Zuhörer dann nur noch die
Ausdrucksstärke und Timbre der Stimme einstellen „darf“
– Ist ein guter Komponist oder Arrangeur so leicht zu ersetzen?
Die Weltneuheit „MuseBook Score“, ein elektronischer
Seitenblätterer, läßt viele – vielleicht sogar
im Konzert Blättergeschädigte – neugierig werden.
Sollte hier tatsächlich eine Lösung für das bekannte
Problem angeboten werden? Etwa kein nervenzehrendes Blättern
für Spielende und Blätterer ? Es wäre zu schön.
Tatsächlich handelt es sich um ein elektronisches Notenformat,
das zwar Notizen des Spielers zulässt und freundlicherweise
gleichzeitig den aktuellen Spielstand in Echtzeit und in „benutzerdefinierten
Farben“ anzeigt. Einziger Haken und damit k.o.-Kriterium dabei
ist, dass das System keine Ahnung hat, wie ein Musizierender wirklich
Noten liest, deshalb blättert das System auch trotz mikrofongesteuerter
Koordination in diesem Sinne nicht richtig. Die Funktion des automatischen
Klaviers, zum besseren Verständnis und zum Einprägen zu
nutzen, ist wider alle vernünftigen pädagogischen Ansätze.
Ebenso absurd ist die Darstellung des Herstellers, es handele sich
hierbei um einen Weg, einfacher Noten zu lesen – ganz im Gegenteil:
der Anfänger lernt es falsch und der Fortgeschrittene ist irritiert,
ganz zu schweigen von musikmedizinischen Aspekten, die die Darstellungsoptik
und die erzwungene Haltung am Instrument betreffen.
Mit dem Audio-to-midi-Konverter können CDs, Wav.-Dateien
und MP3-Aufnahmen in Noten umgerechnet, bearbeitet und ausgedruckt
werden.
Der neue Smartscore 3 bietet gerade für den individuellen
Anwendungsbereich neue Möglichkeiten zum Scannen auch von umfangreichen
Notentexten und zu deren Umwandlung in einen bearbeitbaren, transponierbaren
und klingenden Notentext, sowie zum Speichern als Wav.- oder MP3-Datei.
Auch das Notationsprogramm Sibelius hat seine Version 3 neu im
Angebot. Neben wesentlichen Neuerungen für Arrangeure, Komponisten
und Notensetzer enthält das Programm 20 Klänge verschiedener
Instrumente, darunter Chorstimmen und die eines Bösendorfer-Klaviers.
Auch gibt es die Möglichkeit, die eigenen Kompositionen auf
CD zu brennen oder ins Internet zu stellen. Gleichzeitig enthält
Sibelius eine Reihe von Funktionen, die für die musikalische
Ausbildung nutzbar sind.
Das Angebot an Programmen zur Ausbildung nimmt zu und ist sicherlich
gut gemeint. Die Programme dürfen aber nicht nur wegen leichter
individueller Anpassbarkeit überzeugen, sondern müssen
auf ihr spezifisches oder überhaupt ein pädagogisches
und methodisches Konzept geprüft werden. Notentrainer, Rhythmustrainer,
Musiktheorietrainer, Gehörbildungstrainer sind hierbei von
verschiedenen Anbietern erhältlich. Aber auch eine Reihe von
Gitarren- und Keyboard-Schulen zum Selbststudium oder zum Gebrauch
im Unterricht sind bereits erschienen oder angekündigt. Eine
Grundregel gilt aber auch hier: einfach die Software kaufen und
dem Schüler in die Hand drücken oder selbst im Unterricht
anwenden ist nicht angesagt. Besser ist es, sich in Ruhe eine Marktübersicht
zu verschaffen, seine eigenen Kenntnisse im Umgang mit der Technik/dem
Computer zu prüfen und gegebenenfalls zu erweitern –
und nach dem vorhergehenden sorgsamen Studium von Herstellerunterlagen
auf der Messe selbst auszuprobieren.
Unumgängliches Muss ist die sorgsame Prüfung der Programme
auf eine sinnvolle pädagogische, didaktische und methodische
Anwendbarkeit generell und in Bezug auf die einzelnen Unterrichtsformen,
-inhalte und -situationen.