Aktuelle Ausgabe
Nehmen Sie Kontakt zur nmz auf
Holen Sie sich die nmz ins Haus
Archiv und Sitemap der neuen musikzeitung
Links zum Musikleben
neue musikzeitung interaktiv
Taktlos - Das Musikmagazin des bayerischen Rundfunks und der neuen musikzeitung
Fortbildung - Stellenmarkt der nmz
Die nmz als Werbeplattform
zurück zur vorherigen Seite
Startseite der neuen musikzeitung, nmz aktuell
Counter





Ausgabe 2004/07
Inhaltsverzeichnis
Archiv und Suche
[an error occurred while processing this directive]
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

nmz-archiv

nmz 2004/07 | Seite 14
53. Jahrgang | Juli/Aug.
Kulturpolitik

Europa – Herausforderung für den deutschen Föderalismus

Entscheidungsprozesse auf der europäischen Ebene gewinnen an Bedeutung · Von Olaf Zimmermann

Die letzte öffentliche Sitzung der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, besser bekannt als Föderalismuskommission, am 14. Mai dieses Jahres schloss Franz Müntefering, als einer der beiden Vorsitzenden dieser Kommission, mit dem Hinweis, dass er zu Beginn der Arbeit nicht geglaubt habe, dass Europa eine so eminent wichtige Bedeutung in der Arbeit der Kommission haben würde. Und tatsächlich schien Europa zunächst als ein Thema unter ferner liefen. Die Föderalismuskommission sollte in erster Linie dazu dienen, die Umklammerung von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag zu lösen, die sowohl in den letzten Jahren der Regierung Kohl politische Entscheidungen lähmte und sich jetzt wieder als ein Hemmschuh bei Reformen erweist, da es im Bundesrat tatsächlich um mehr geht als um die Interessen der Länder. Entscheidungen werden in weiten Teilen aus parteipolitischen Überlegungen getroffen, verzögert oder abgelehnt.

Zeichnung: Dieko Müller

In der Sitzung am 14. Mai wurde deutlich, dass der Föderalismus Deutschland nicht nur intern blockiert, sondern auch auf der europäischen Ebene Deutschland teilweise handlungsunfähig machen würde, hielte sich die Bundesregierung strikt an Artikel 23 Grundgesetz. Die Länder haben sich nämlich Anfang der 90er Jahre die Zustimmung zum Vertrag von Maastricht durch die grundgesetzliche Verankerung zur Mitbestimmung bei der europäischen Rechtssetzung abtrotzen lassen. Artikel 23 des Grundgesetzes regelt daher ungewöhnlich genau für einen Grundgesetzartikel wie diese Mitwirkung auszusehen hat.

Nun wurde in der Sitzung von Seiten der Länder vorgetragen, dass sie die Einhaltung dieser Regelung in der Praxis gar nicht einfordern und nur zu einem verschwindend kleinen Prozentsatz dieser Grundgesetzartikel überhaupt zum Einsatz kommt. Dieses tröstet wenig und wirft viel mehr die Frage auf, warum eine solche Regelung überhaupt erforderlich ist, wenn sie nicht mit Leben gefüllt wird.

Im Jahr 1998 hatte der Deutsche Kulturrat zusammen mit anderen Bundeskulturverbänden die Einsetzung eines Beauftragten für Kultur und Medien eingefordert. Einer der Gründe hierfür war, dass Deutschland bei Abstimmungsprozessen innerhalb des Europäischen Rates nicht mit einer Stimme sprechen konnte.

Deutschland wurde durch einen Vertreter der Kultusministerkonferenz und einen Vertreter des Auswärtigen Amtes im EU-Kulturministerrat vertreten. Der geforderte Beauftragte für Kultur und Medien sollte hauptsächlich die deutschen Kulturinteressen in Brüssel auf Augenhöhe mit den anderen europäischen Kulturministern wahrnehmen.

Nach dem Regierungswechsel 1998 wurde die Forderung des Deutschen Kulturrates von der rot-grünen Bun-desregierung umgesetzt und Michael Naumann zum ersten offiziellen Staatsminister für Kultur und Medien ernannt. Inoffiziell gab es mit Toni Pfeifer schon unter Helmut Kohl einen Staatsminister im Bundeskanzleramt, der zwar still, heimlich und sehr wirkungsvoll Kulturpolitik machte, aber nicht die Kultur im europäischen Kulturministerrat vertrat.

Für den gesamten Kulturbereich gewinnen die Entscheidungsprozesse auf der europäischen Ebene an Bedeutung. Kulturpolitik des Bundes heißt nämlich in erster Linie die Gestaltung von Rahmenbedingungen und nicht die Förderung von Kunst und Kultur. Und diese Rahmenbedingungen im Steuerrecht, im Urheberrecht oder auch im Arbeits- und Sozialrecht werden zu großen Teilen von der europäischen Rechtssetzung vorgeprägt. Der deutsche Gesetzgeber vollzieht oftmals nur noch nach, was der europäische formuliert hat. Ein Beispiel hierfür ist die EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft. Die entscheidenden Veränderungen in diesem Rechtsgebiet wurden auf der europäischen Ebene getroffen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Rechtssetzung mit dem Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft teilweise schon nachvollzogen, teilweise steht die Umsetzung noch aus und soll in einem zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden.

Die Bedeutung der europäischen Rechtssetzung wird in der Zukunft eher zu- als abnehmen. Zusätzlich, so wurde von den Vertretern der Bundesregierung am 14. Mai vorgetragen, werden künftig vermehrt Paketlösungen verhandelt. Das heißt Rechts- und Fachgebiete, die eigentlich nicht zusammengehören, wie zum Beispiel das Urheberrecht und der Tierschutz werden zusammen in einem Paket verhandelt. Will Deutschland seine Interessen wirkungsvoll in diesem „Kuhhandel“ vertreten, dann muss mit einer Stimme gesprochen werden und dann brauchen die Verhandlungsführer entsprechende Handlungsvollmachten.

In der Sitzung der Föderalismuskommission am 14. Mai wurde vom Chef der baden-württembergischen Staatskanzlei Rudolf Böhmler mit Nachdruck die Auffassung vertreten, dass es dabei bleiben muss, auch einem Länderminister die Vertretung gesamtstaatlicher Interessen in Brüssel übertragen zu können. Er verwies darauf, dass es Baden-Württemberg in erster Linie um Politikfelder wie Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie innere Sicherheit geht, bei denen die Kompetenzen, so Böhmler, primär bei den Ländern liegt. Der direkte Verweis auf Bildung und Kultur deckt sich mit dem Beschluss der Ministerpräsidenten vom 6. Mai dieses Jahres, in dem sie den Bildungs- und Kulturbereich für sich reklamieren. Die Gefahr bei einer Vertretung deutscher bildungs- und kulturpolitischer Interessen durch einen Vertreter der Länder besteht darin, dass sich dieser Ländervertreter noch mit seinen Kollegen abstimmt, während die Minister aus den anderen Ländern längst schon abgereist sind. Denn die Länder sind keineswegs ein monolithischer Block. Die schwierigen Abstimmungsprozesse innerhalb der Kultusministerkonferenz, die auf der nationalen Ebene das Abstimmungsorgan der Länder in bildungs- und kulturpolitischen Fragen ist, sind trotz des Fahrtwinds, den die Kultusministerkonferenz gewonnen hat, legendär. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, wie eine solche Vertretung aussehen kann, wenn Pakete geschnürt werden, in denen Kulturpolitik mit anderen Politikfeldern zusammen gepackt wird, in denen die Länder eben keine originäre Zuständigkeit besitzen.

Deutschland ist der größte Nettozahler in der Europäischen Union, Deutschland wird nach der Verabschiedung der europäischen Verfassung als einer der „großen“ Mitgliedstaaten einen höheren Stimmenanteil im Ministerrat haben. Mit diesem gewachsenen Gewicht Deutschlands in Europa muss verantwortungsvoll umgegangen werden. Dazu gehört, bei Entscheidungen ein eindeutiges Votum abzugeben und sich nicht aufgrund von innerstaatlichen Abstimmungsproblemen zu enthalten. Durch den Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten verändert sich die Europäische Union.

Die neuen Mitgliedsländer sind sehr viel stärker als die alten darauf fokussiert, die Mitgliedschaft in der Europäischen Union dazu zu nutzen, um ihre Interessen in Brüssel umzusetzen und auch um EU-Fördermittel zu akquirieren. Sie haben gegenüber Mitgliedstaaten mit einem hohen innerstaatlichen Abstimmungsbedarf, wie es in Deutschland der Fall ist, einen großen strategischen Vorteil. Es ist unbestritten, dass die Länder einen beträchtlichen Teil der direkten Kulturförderung tragen, wenn auch der Anteil der Kommunen an der Finanzierung von Kunst und Kultur nach wie vor größer ist. Unbestritten ist, dass der Bund, da die Länder die so genannte Kulturhoheit für sich in Anspruch nehmen, nur wenige Aufgaben in der Kulturfinanzierung übernimmt. Unstreitig ist aber ebenso, dass der Bund die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur setzt und damit sehr wirkungsvoll Kunst und Kultur indirekt fördern kann oder eben nicht.

Die Föderalismuskommission steht, auch was den Komplex Kulturpolitik angeht, vor der Aufgabe, Deutschland europafähig zu machen. Das heißt, die nationalen Entscheidungsprozesse zu beschleunigen und die Vertreter Deutschlands mit den entsprechenden Kompetenzen auszustatten. Die Nationalstaaten werden künftig teilweise nur noch sechs Wochen Zeit haben, um eine Position zu einem europäischen Vorhaben zu entwickeln und dann gegenüber den anderen Mitgliedstaaten zu vertreten, so informierte die Bundesregierung in der Sitzung in der Föderalismuskommission am 14. Mai. Damit Deutschland seine Chancen in der Gestaltung der europäischen Politik wirkungsvoll wahrnehmen kann, müssen zügige Verfahren entwickelt werden, damit die deutschen Vertreter mit einem Verhandlungsmandat auftreten können, welches im Verlauf der Verhandlungen weiterentwickelt werden kann.

Die adäquate Berücksichtigung von Länderinteressen in diesem Verfahren ist die eine Seite der Medaille bei diesem Wettlauf in Europa, die Beteiligung der nationalen Parlamente die andere. Denn was bei der gesamten Debatte um die Stärkung der Länderkompetenzen oftmals vergessen wird, ist, dass die Landesparlamente teilweise bereits auf das Abstellgleis geschoben wurden und die Landesregierungen genauso auftreten, wie sie es der Bundesregierung unterstellen, nämlich ohne Einbeziehung der anderen Mitspieler die Interessen zu vertreten. Föderalismusreform und europäischer Einigungsprozess sind eng miteinander verwoben. Wesentlich ist dabei, dass die demokratische Willensbildung in den Parlamenten, aber auch die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in Entscheidungsprozesse nicht den Bach heruntergehen.

Olaf Zimmermann

Siehe auch:

Leitartikel. Töteralismus
Theo Geißler über Probleme des Föderalismus

 

Social Bookmarking
Bookmark bei: Mr. Wong Bookmark bei: Webnews Bookmark bei: Linkarena Bookmark bei: Newskick Bookmark bei: Newsider Bookmark bei: Folkd Bookmark bei: Yigg Bookmark bei: Digg Bookmark bei: Del.icio.us Bookmark bei: Reddit Bookmark bei: Slashdot Bookmark bei: Netscape Bookmark bei: Yahoo Bookmark bei: Google Bookmark bei: Technorati Bookmark bei: Newsvine Bookmark bei: Ma.Gnolia Information

| top | nmz-start | kontakt |
| aktuelle ausgabe | kulturinformationszentrum | archiv/suche | abonnement | leserbrief |
| © 1997-2008 by neue musikzeitung und autoren | Impressum | Alle Rechte vorbehalten |