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nmz-archiv
nmz 2004/09 | Seite 26
53. Jahrgang | September
Musikwirtschaft
Nicht der Sieg, sondern gemeinsame Interessen zählen
In Teil 9 unserer Selbstmanagement-Serie geht es um Verhandlungstechniken
Es vergeht kein Tag in unserem Leben ohne Verhandlungsroutinen:
Es gilt die Honorarfrage für den nächsten Auftritt zu
klären, mit dem Lebensgefährten die Farbe der neuen Couchgarnitur
festzulegen oder eine Einigung mit dem Nachbarn über die maximale
Lautstärke der HiFi-Anlage zu erzielen. Eigentlich müssten
wir alle Verhandlungsprofis sein! Trotzdem bekunden die meisten
Musiker, dass ihnen Verhandlungen mit Veranstaltern und Labelmanagern,
Kollegen oder Medienvertretern unangenehm sind, insbesondere wenn
es um Geld geht. Woran liegt das? Wir verbinden Verhandlungen irrtümlicher
Weise immer mit einem Kampf um Sieg oder Niederlage. Es geht uns
dabei um mehr als nur Sachziele, es geht uns um Gefühle, um
Selbstwertgefühl! Bereits wenn wir als Kleinkinder Verhandeln
lernen, vermischt sich der eigene Siegeswille mit dem noch dringlicheren
Wunsch nach Elternliebe. Viele Menschen finden aus diesem unsichtbaren
Gefühlslabyrinth auch als Erwachsene nicht wirklich heraus.
In meinen Seminaren „Selbstmanagement für Musiker“
trainieren die Teilnehmer deshalb ein Verhandlungskonzept, das nicht
den Sieg, sondern die gemeinsamen Interessen der Verhandlungspartner
in den Mittelpunkt stellt. Auf diese Weise relativiert sich die
Angst vor der kritischen Auseinandersetzung. Weil in der Erziehung,
der Politik und den Medien bislang die Vertreter der „harten“
oder der „weichen Welle“ dominieren, ist der „dritte
Weg“ mit einem Umdenkungsprozess verbunden. Die (heimliche?)
Idealisierung des „harten Hundes“ sitzt bei einem Teil
der Menschheit genauso fest, wie die Kooperationsbereitschaft zu
allen Bedingungen beim anderen.
Wir können uns das Verständnis erleichtern, wenn wir
akzeptieren, dass wir es bei Verhandlungen zwar mit Businessexperten,
aber vor allem mit Menschen zu tun haben. Produzenten, Manager,
Clubchefs, Journalisten, Händler und Kollegen geht es oft ums
Geld, genauso aber auch um (innere) Werte, Ansehen und vor allem
um Selbstwertgefühl. Die Businessexperten sind uns im Grunde
ganz ähnlich. Genau wie wir selbst hassen sie es in einer Verhandlung
dumm dazustehen. Betrachten Sie Ihren Verhandlungspartner deshalb
unabhängig von dessen Vorgeschichte und Position immer als
Mensch, dessen Interesse im Verhandlungsergebnis mit abgebildet
werden muss.
Übung Nr. 1 – Verhandlungsziel auswählen
Welche Verhandlung schieben Sie seit langem vor sich hin? Wer
ist der richtige Ansprechpartner für Ihre Verhandlung?
Menschen lieben menschliche Umgangsformen. Warum also kühl
und abgezockt spielen? Gehen Sie statt dessen freundlich auf Ihren
Verhandlungspartner zu und holen Sie Informationen über ihn
ein. Auf diese Weise können Sie im Gespräch auf vielfältige
Art Vertrauen aufbauen. Wie arbeitet Ihr Verhandlungspartner normaler
Weise, wie ist sein Temperament, welche übergeordneten Ziele
verfolgt er? Wie können Sie Ihr Geschäftsverhältnis
verbessern?
Übung Nr. 2 – Informationen beschaffen
Informieren Sie sich im Detail über Ihre Verhandlungspartner
und archivieren Sie Ihr Wissen in Form einer immer weiter ergänzbaren
Aufzeichnung. Im Kapitel „Telefonmarketing“ habe ich
bereits ausführlich dargestellt, wie Sie die eigene Position
vor einer Verhandlung schriftlich erarbeiten. Was aber ist mit der
Position Ihres Gegenübers? Viel zu oft werden wir in Verhandlungen
von unvermuteten Enthüllungen der Gegenseite überrascht.
Wenn wir gut über die Ziele der Verhandlungspartner informiert
sind, können wir das Verhandlungsergebnis wirkungsvoll mit
steuern.
Übung Nr. 3 – Verhandlungsoptionen der Gegenseite erfassen
Versetzen Sie sich in die Position Ihrer Verhandlungspartner. Welche
Ziele verfolgt die Gegenseite? Was wäre für Sie als Verhandlungsergebnis
akzeptabel? Welchen Nutzen bieten Ihnen die unterschiedlichen möglichen
Verhandlungsergebnisse?
In der Verhandlung können Sie Ihr gesamtes Hintergrundwissen
wirkungsvoll ausspielen. Gehen Sie dabei Schritt für Schritt
vor. Eröffnen Sie das Gespräch mit Fragen, die Ihr Verhandlungspartner
sicher bejahen wird. Ein gesprochenes oder gedachtes „Ja!“
fördert sein Vertrauen und damit die Bereitschaft einseitige
Interessen zu überdenken. Weil sich diese Prozesse unterbewusst
abspielen, sind sie besonders wirkungsvoll.
Übung Nr. 4. – Formulieren Sie Einleitungsfragen
Formulieren Sie aus Ihrem Hintergrundwissen mehrere Fragen, die
Ihr Gegenüber mit Sicherheit bejahen wird.
Bauen Sie stets auf einen guten Gesprächsanfang auf. Gehen
Sie erst jetzt zu den eigentlichen Inhalten Ihres Gesprächs
über. Was überzeugt Ihren Gesprächspartner am meisten?
Hinter jeder konkreten Leistung steht immer ein Nutzen, der für
den Käufer viel entscheidender ist, als die Details Ihrer Leistung.
Nehmen wir das Beispiel Parfum: Sie kaufen das Versprechen von betörender
Präsenz, nicht einer chemische Lösung mit den Komponenten
E399, E278 und Hydrometapolidingsbums. Rücken Sie deshalb den
Nutzen Ihres Verhandlungsangebots ganz weit in den Vordergrund!
Übung Nr. 5 – Denken Sie über den Nutzen Ihres
Angebots nach
Mit welchem Nutzen (mehrere?) Ihres Angebots werden Sie bei der
Verhandlung hauptsächlich argumentieren? Der Nutzen Ihres Angebots
ist auf das Hintergrundwissen abgestimmt, das Sie über Ihren
Kunden besitzen. Nehmen wir das Beispiel eines Musiklehrers, der
am Tag der offenen Tür mit diversen Eltern redet. Für
manche Eltern sind bildungsbürgerliche Ideale sehr wichtig,
für andere die Gewissheit, dass Ihr Kind nicht auf der Straße
rumgammelt. Wieder andere Eltern kompensieren mit aufwendigen Förderprogrammen
das eigene schlechte Gewissen, weil sie für Ihre Kinder keine
Zeit haben. All diese Eltern erwarten von ein und dem selben Angebot
einen unterschiedlichen Nutzen. All diese Eltern unterschreiben
den Vertrag des Musiklehrers, wenn Ihre individuelle Nutzenvorstellung
befriedigt wird.
Lassen Sie sich nicht von den Einwänden Ihrer Gesprächspartner
aus der Spur bringen. Betrachten Sie Einwände als optimale
Informationen über die Bedürfnisse Ihres Verhandlungspartners.
Unterscheiden Sie sehr fein zwischen Einwänden und Vorwänden.
Sobald eine Person Ihnen gegenüber einen Einwand äußert,
stellen Sie eine Kontrollfrage.
Nehmen wir an, Ihr Kunde sagt beim Tag der offenen Tür: „Meine
Nachbarn haben erzählt, dass Ihre Musikschullehrer sehr unterschiedlich
qualifiziert sind.“ Anstatt sich zu verteidigen, fragen Sie
zurück: „Habe ich Sie richtig verstanden: Würden
Sie Ihre Kinder an unserer Schule anmelden, wenn Sie sicher sind,
dass Ihre Kinder ausschließlich und immer von hervorragenden
Dozenten betreut werden?“ Ihr Gesprächspartner wird diese
Frage bejahen, wenn es sich um einen Einwand handelte. Sie versichern
ihm nun, dass Sie diese Leistung garantieren. Falls es sich um einen
Vorwand handelte und Ihr Gesprächspartner Ihre Frage verneint,
brauchen Sie diesem Thema keine weitere Beachtung zu schenken. Fragen
Sie statt dessen auf direkte Art und Weise, was ihn noch hindert,
seine Kinder bei Ihnen anzumelden.
Übung Nr. 6 – Termin vereinbaren
Vereinbaren Sie einen Termin für Ihre Verhandlung. Klären
Sie vorab wie lange und mit wem Sie voraussichtlich sprechen werden.
Richtiges Verhandeln ist Übungssache. Sie erhalten die notwendige
Übung, wenn Sie Ihren Verhandlungsstil an Sachzielen orientieren,
die für beide Seiten transparent und fair erscheinen. Wer auf
die „harte“ und die „weiche Welle“ verzichtet,
zieht positive Bestätigung und Befriedigung aus Verhandlungen,
mag es auch um noch so viel Berufserfolg oder Geld gehen.