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VdM
nmz-archiv
nmz 2004/09 | Seite 32
53. Jahrgang | September
Verband deutscher Musikschulen
Den Zugang zu zeitgenössischer Musik eröffnen
Erfolgreicher Abschluss des ersten Berufsbegleitenden Lehrgangs
für Neue Kammermusik
Feierstimmung Anfang Juli in der BAK Trossingen: Doris Froese,
Mitglied im Vorstand des VdM, gratulierte 15 Musikpädagoginnen
und -pädagogen zum erfolgreichen Bestehen des ersten Berufsbegleitenden
Lehrgangs „Ensembleleitung Neue Kammermusik“. Ein Novum
in der Erfolgsgeschichte der VdM-Fortbildungen: Erstmals stand im
Zentrum eines Berufsbegleitenden Lehrganges die Unterrichtung zeitgenössischer
Musik.
Mit dem Besuch der vier jeweils einwöchigen Akademiephasen
und dem erfolgreichen Abschluss der praktischen und theoretischen
Prüfungen erwarben erstmals Lehrkräfte die Qualifikation
zur Leitung eines Ensembles mit neuer Kammermusik im Rahmen einer
Weiterbildungsveranstaltung nach §12 des Hochschulrahmengesetzes.
Die Initialzündung für dieses Projekt geht zurück
auf den Musikschulkongress 1999 in München. Dort stand die
Situation der zeitgenössischen Musik an unseren Musikschulen
im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion mit Komponisten, Verlegern
und Musikschulpädagogen. Musikschulen, so der allgemeine Tenor,
müssen als verantwortliche Träger unserer Musikkultur
Schülern neben Altbewährtem auch verstärkt den Zugang
zu zeitgenössischer Musik eröffnen. Eine einseitige Festlegung
auf Tradition, Jazz- und Popmusik oder sogar ein „Entweder-Oder“
von tradierter und zeitgenössischer Musik entspräche nicht
den Erziehungsidealen der Musikschulen.
Im Rahmen der daraufhin im Jahre 2000 vom VdM ins Leben gerufenen
Initiative „Neue Kammermusik für Musikschulen“
und deren Praxiserprobungen zeitgenössischer Kompositionen
beklagten Ensembleleiter/-innen einen Mangel an Weiterbildungen
zur musikschulspezifischen Methodik und Didaktik der zeitgenössischen
Musik. Dieses Interesse verwundert kaum: Engagierte Pädagoginnen
und Pädagogen stehen bei der Vermittlung zeitgenössischer
Musik im Ensemble vor einer Vielzahl von Aufgaben, für die
sie meistens nicht explizit ausgebildet wurden. Setzt die Vermittlung
eines zeitgenössischen Werkes im Einzelunterricht schon ein
spezialisiertes Wissen des Lehrers voraus, so potenzieren sich die
Anforderungen für die Einstudierung einer modernen Kammermusik
um ein Vielfaches.
Der VdM nahm sich des Problems an und entwarf mit Unterstützung
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eine Konzeption
für einen vierphasigen Berufsbegleitenden Lehr-gang zur „Ensembleleitung
Neue Kammermusik“. Als weitere Partner für diesen Modellversuch
wurden die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in
Trossingen und die Robert Schumann Hochschule Düsseldorf gewonnen.
Unter der Federführung von Prof. Dr. Wolfgang Rüdiger
(Robert Schumann Hochschule Düsseldorf) und Reinhard Gagel
(Rheinische Musikschule Köln) starteten im April 2003 20 Pädagoginnen
und Pädagogen in die erste Akademiephase. Die vier einwöchigen
Akademieeinheiten in Trossingen erstreckten sich über 15 Monate
mit jeweils drei dazwischenliegenden Praxisphasen, in denen die
Teilnehmer/-innen das Neuerfahrene mit Schülerensembles daheim
erprobten.
Neben den Grundlagen des Ensemblespiels, elementaren Dirigiertechniken,
Tipps zur Aufführungspraxis, wurden den Notationsformen und
Spieltechniken anhand ausgesuchter Werke breiter Raum gewährt.
Aber auch die Hinführung von Schülerinnen und Schülern
an zeitgenössische Musik mittels Improvisationen erfuhr ein
großes Interesse. Die Improvisation wurde als musikalische
Basisarbeit entdeckt, um die Klangwelt Neuer Musik spielerisch zu
erfahren.
Gastdozentinnen und -dozenten bereicherten die Lehrgangsphasen:
Komponist Mathias Spahlinger (Musikhochschule Freiburg) referierte
in der zweiten Akademiephase über das „Spannungsfeld
Komposition – Improvisationen“ und anhand seiner „128
erfüllten Augenblicke“ wurde das Synergiefeld zwischen
Konstruktionsidee und der Freiheit der Interpretation erfahrbar.
Für die dritte Akademiephase konnte der VdM Armin Köhler,
Chef der Redaktion „Neue Musik“ beim Südwestfunk
und künstlerischer Leiter der Donaueschinger Musiktage, gewinnen,
der seine innovativen Konzepte zur Konzertvermittlung vorstellte
und über die Geschichte und Gegenwart der Neuen Musik dozierte.
Matthias Kaul, Mitglied des Ensembles „L’Art pour L’Art,
führte moderne Perkussionstechniken vor und gab mit seinem
Projekt „Komponieren mit Kindern“ den Lehrgangsteilnehmerinnen
und -teilnehmer zahlreiche Anregungen, solche Projekte auch in VdM-Schulen
zu initiieren. Aber auch die letztjährige Weikersheimer Stadtkomponistin
Charlotte Seither war zu Gast in Trossingen: Nicht zuletzt deshalb,
da ihr Stück „Coq-à-l’ane“ zu den
meist gespielten Werken der VdM-Praxiserprobung 2001 gehörte.
So erfuhren die Ensembleleiterinnen und -leiter von der Komponistin
persönlich, wie denn genau die Wurzelbürste, der Kuckkucksrufer,
der Brummtopf oder das Geschirrtuch in ihrem oben genannten Werk
einzusetzen sind. Wie „Coq-à-l’ane“ standen
aber auch die 70 anderen Kompositionen der beiden VdM-Auswahlisten
zur Neuen Kammermusik (Praxiserprobungen 2001 und 2003) im Blickpunkt
des Lehrganges. Anhand dieser Werke, die speziell von einer Lektorenkonferenz
für die Unterrichtung von Neuer Musik an Musikschulen ausgewählt
wurden, konnten die Lehrgangsteilnehmer/-innen ihre Konzepte im
Rahmen von Lehrproben ausprobieren, diskutieren und verfeinern.
Schon die ersten Rückmeldungen der Pädagoginnen und Pädagogen
zeigen, wie motivierend die Impulse eines solchen Lehrganges für
den Unterrichtsalltag sind. Interessierte können sich davon
anstecken lassen, wie spannend und belebend Neue Musik in der Musikschule
sein kann. Zum Ende des Jahres erscheint im VdM-Verlag eine neue
Publikation zur „Neuen Kammermusik“, die die erfolgreichen
Konzepte der Lehrgangsabsolventen vorstellt.