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nmz-archiv
nmz 2004/09 | Seite 25
53. Jahrgang | September
Verbandspolitik
In die Zukunft
DTKV-Präsident Rolf Hempel im Gespräch
Rolf Hempel wurde 1932 in Reichenbach im Vogtland geboren. Nach
Studien an der Robert Schumann Akademie in Zwickau (Klavier, Trompete)
begann er 1952 ein Kompositionsstudium in Berlin bei Boris Blacher,
Heinz-Friedrich Hartig , Ernst Pepping und Josef Rufer. Später
war er Lehrbeauftragter an der Kirchenmusikhochschule Tübingen,
Professor für Komposition und Musiktheorie in Stuttgart und
von 1990 bis 1997 auch deren Rektor. Zu seinen Ehrenämtern
zählt seit vielen Jahren die Leitung des baden-württembergischen
Landesverbands des DTKV. Nach dem Rücktritt der langjährigen
Präsidentin des DTKV, Inka Stampfl, wurde Hempel am 24. April
2004 in München zum Präsidenten auf Zeit gewählt.
nmz-Herausgeber Theo Geißler unterhielt sich mit dem Komponisten
und DTKV-Präsidenten.
neue musikzeitung: Was sehen Sie als Ihre Hauptaufgaben
bis zu den turnusmäßig anstehenden Wahlen im Rahmen der
Bundesdelegiertenversammlung 2005? Rolf Hempel: Bis zu den auf der Bundesdelegiertenversammlung
2005 durchzuführenden Präsidiums-Wahlen haben sich die
jetzigen Mitglieder dieses Organs unter meinem Vorsitz folgende
Ziele gesetzt:
Solange es nicht möglich ist, die Finanzierung der DTKV-Geschäftsführung
mit einem entscheidenden Anteil einer von staatlicher Seite zu
gewährender Dauerförderung abzusichern, das heißt,
solange diese Kosten insgesamt aus den Abgaben der Landesverbände,
die selbst finanzielle Engpässe zu bewältigen haben,
gedeckt werden müssen, ist äußerst sparsames Verwalten
gefordert. Dies wird momentan erfolgreich praktiziert, zumal mit
großzügig bemessenen Sponsorengeldern von privater
Seite zur Zeit ebenso wenig zu rechnen ist.
Dem Arbeitsergebnis der auf der Länderkonferenz 2003 eingesetzten
Strukturkommission wird mit großen Erwartungen entgegengesehen.
Die von dieser Kommission ausgearbeiteten Vorschläge zur
Neustrukturierung des DTKV werden noch in diesem Jahr den Organen
des DTKV zur Beratung und Korrektur zugeleitet werden, um sie
dann in endgültiger Fassung der nächstjährigen
Bundesdelegiertenversammlung zur Beschlussfassung vorlegen zu
können.
Das Wirken des Präsidiums muss im Ganzen von stets völliger
Durchsichtigkeit geprägt sein. Regelmäßige Kurzinformationen
und Rundbriefe von mir an die Präsidiumsmitglieder und an
die Landesvorsitzenden tragen zu dieser angestrebten Transparenz
bei.
Dem derzeitigen Präsidium wird es gelingen, in der Bundesdelegiertenversammlung
2005 den Delegierten und dem dann neu zu wählendem Präsidium
einen finanziell sanierten und wieder gut funktionierenden DTKV-Dachverband
vorstellen und übergeben zu können. Zudem werden mit
den Ergebnissen der Strukturkommission Wege aufgezeigt werden,
die deutlich machen, wie selbst bei erheblicher ökonomischer
Beschränkung noch genügend Agenzien für effektives
Handeln freisetzbar bleiben.
Rolf Hempel komponierend.
Foto:Bulgrien
nmz: Die Bundesgeschäftstelle in München ist mit
Elisabeth Herzog wieder kompetent besetzt und funktionsfähig.
Ist damit die „Krise des DTKV“ beendet? Hempel: Diese Frage lässt sich so, wie sie gestellt
wird, eigentlich nicht beantworten. Erstens ist die DTKV-Geschäftsstelle
bis Jahresmitte 2003 nicht nur mit einem festangestellten geschäftsführenden
Sekretär, sondern mit weiteren stundenweise bezahlten freien
Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen ausgestattet gewesen. Es stimmt, dass
ein Teil der von diesem zusätzlichen Mitarbeiterkreis betreuten
Aufgaben projektgebunden gewesen ist und somit nicht zu Lasten des
DTKV-Haushalts hat verrechnet werden müssen, aber eben nur
ein Teil. Und zweitens ist die, wie Sie es nennen, „Krise
des DTKV“ gewiss nicht allein durch das Ausscheiden des langjährigen
geschäftsführenden Sekretärs, Dr. Achim Kirste, ausgelöst
worden. Demzufolge vermag nun die Neubesetzung der Vakanz durch
die kompetente wie motivierte Elisabeth Herzog diese Krise nicht
von einem Tag auf den anderen gänzlich zu beenden. Zu der relativ
raschen, auch kostensparenden Nachfolgeregelung ist anzumerken,
dass in diesem Zusammenhang dem Präsidiumsmitglied Wilhelm
Mixa entscheidende Verdienste zufallen.
nmz: Stichwort: Länder und Bund. Die föderale
Struktur der deutschen Kulturpolitik spiegelt sich in der Struktur
des DTKV. Was sind in Zukunft die Haupt-Aufgaben von Landesverbänden
und Bundesverband, wo liegt die Differenzierung? Hempel: Die föderale Struktur der deutschen Kulturpolitik
muss sich in den Strukturen des DTKV und seiner Mitgliedsverbände
künftig sehr viel deutlicher spiegeln. Jegliche Art von Betreuung
der Einzelmitglieder wie alle Formen lokal und regional orientierter
Aktivitäten gehören in die Regie und Verantwortung der
Landesverbände. Dem Bundesverband obliegt es, das Schaffen
und Wirken forschender, konzertierender und lehrender Musikerinnen
und Musiker und die damit verbundenen berufsspezifischen Probleme
mit den daraus ableitbaren Ansprüchen an Gesellschaft und Politik
bundesweit und international zu vertreten. Außerdem könnten
von diesem die Einzelprojekte der Landesverbände koordiniert
wie auch Kooperationen und Partnerschaften angeregt und gefördert
werden. Hierzu gibt es viele neue Ideen, die im Rahmen der Reformvorschläge
der Strukturkommission Bedeutung erlangen werden.
nmz: Der gesamte Bereich von Bildung und Kultur ist von
akutem Geldmangel gekennzeichnet. Haben sich dadurch die Aufgaben
eines Tonkünstlerverbandes verändert – vielleicht
weg vom inhaltlich orientierten Fachverband hin zum Lobby-Instrument?
Hempel: Aus Sicht des langjährigen Verbandsvorsitzenden
in Baden-Württemberg gestehe ich, dass mit und ohne akutem
Geldmangel gleichermaßen gute wie miserable Verbandspolitik
betrieben werden kann. Meine Erfahrungen sind aber auch die, dass
in Zeiten allgemeiner Knappheit dennoch Pfade entdeckt werden können,
zum Beispiel in Kooperationen mit anderen Verbänden, Vereinen,
staatlichen, kommunalen oder privaten Einrichtungen, auf denen es
mit einiger Mühe gelingt, für sinnvolle, nützliche
Projekte ausreichende finanzielle Grundlagen zu beschaffen.
nmz: Welche Wege will man bei Öffentlichkeitsarbeit
und Lobbying künftig beschreiten? Hempel: Vor allem sollten die von der nmz-Redaktion dem DTKV
und seinen Landesverbänden bereitgestellten Möglichkeiten
für breitflächige Öffentlichkeitsarbeit ausgeschöpft
werden, was leider nicht durchgängig geschieht. Lobenswerterweise
bringen die meisten Landesverbände eigene Landesmitteilungen
von beachtlichem Informationswert heraus. Außerdem nimmt die
Bereitschaft regionaler Funkhäuser zu, Berichte über besondere
Ereignisse in den Tonkünstler-Landesverbänden in ihre
Kulturberichterstattung aufzunehmen.
nmz: Der DTKV ist einer der mitgliederstärksten Verbände
im Musikbereich. Wie ist der Trend bei den „Jungen“?
Kann man sie noch für Verbandsmitgliedschaft gewinnen? Ist
ehrenamtliche Arbeit heute noch attraktiv? Hat der DTKV mit Verbandsmüdigkeit
zu kämpfen? Hempel: Weder auf Bundesebene des DTKV noch auf Landesebene
des Baden-Württembergischen Tonkünstlerverbandes registriere
ich bei nachrückenden Generationen prinzipielle Verbandsmüdigkeit,
Interesselosigkeit an ehrenamtlicher Tätigkeit oder Infragestellung
von Verbandsmitgliedschaft. Lediglich gegenüber ehrenamtlichen
Tätigkeiten, an welche zeitlich belastende Verpflichtungen
zur Wahrnehmung regelmäßiger Termine und womöglich
noch ein hoher Grad von Bereitschaft zur Übernahme persönlicher
Verantwortung gebunden sind, ist nach wie vor – jedoch nicht
begrenzt auf jüngere Mitglieder – eine gewisse Zurückhaltung
zu beklagen.
nmz: Seit Anfang der Neunziger Jahre gibt es den DTKV auch
in den neuen Bundesländern. Woran liegt es, dass man dort nicht
so richtig Fuß gefasst hat? Hempel: Das könnte von Landesverband zu Landesverband
ganz unterschiedliche Gründe haben. Wiederum könnten generelle
Probleme ursächlich beteiligt sein. Ich sehe mich außerstande,
hierzu eine rasch gefasste Meinungsäußerung abzugeben.
Immer wieder aufs Neue bewundere ich die Vielzahl und die Qualität
der Aktivitäten so mancher kleineren Tonkünstlerverbände
in den östlichen Bundesländern.
nmz: Sieht der DTKV im Bereich der Nachmittagsbetreuung
bei der geplanten Ganztagsschule eine Herausforderung, eine neue
Aufgabenstellung? Hempel: Einzelne Landesverbände sind hinsichtlich „Ganztagsschule“
und „G8“ und den aus diesen Umstellungen für ihre
Mitglieder erwachsenden Besorgnissen bereits sehr aktiv geworden.
Zu diesem Themenkomplex wird es in der nmz ab sofort sowohl auf
der DTKV-Bundesseite als auch auf den Seiten der DTKV-Landesverbände
regelmäßig ausführliche Berichte zur aktuellen Lage
wie auch Hinweise auf entsprechende Informationsveranstaltungen
geben. Eines jedoch ist schon jetzt erkennbar: viel Wesentliches
dürfte zunächst eher an der Basis und weniger in den zuständigen
Ministerien regelbar werden.
nmz: Wo sehen Sie den DTKV im „Agenda-Jahr”
2010? Hempel: Ich bin überzeugt davon, dass der DTKV nach
erfolgreichem Abschluss der augenblicklichen umfassenden Sanierungs-
und Umstrukturierungsanstrengungen die dann bis zum „Agenda-Jahr
2010“ verbleibenden Jahre sehr bewusst und intensiv dazu nutzen
wird, auf geeignetem Weg in eine für ihn und seine Mitglieder
gute Zukunft weiter voranzuschreiten.
nmz: Weitere Wünsche für einen erfolgreichen
DTKV auf Bundes- und Landesebene? Hempel: Die beste Voraussetzung und zugleich sicherste Garantie
für ein starkes Wirken der DTKV-Verbandsspitze auf sämtlichen
Ebenen ist nach meinem Dafürhalten eine größtmögliche
Übereinstimmung im von der Gesamtheit mitgetragenen und mitverantworteten
Handeln. Diese vollkommene Konsonanz hat den Anregungen und der
konstruktiven Kritik aller zu entspringen.