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nmz-archiv
nmz 2004/10 | Seite 29
53. Jahrgang | Oktober
Deutscher
Tonkünstler Verband
Kulturförderung ist Investition, nicht Subvention
Kulturstaatsministerin Weiss beim Kongress „Musik als Wirtschaft
II“ in Berlin
Dass es inzwischen einmütige Haltung des Bundeskanzlers und
seines Kabinetts sei, Kulturförderung als Investition und nicht
als Subvention zu definieren, ist die mit Abstand wichtigste Nachricht
vom zweiten Fachkongress „Musik als Wirtschaft“, in
Berlin. Keine Geringere als die Staatsministerin für Kultur
und Medien, Dr. Christina Weiss, hat diesen Paradigmenwechsel der
Bundesregierung vor versammelter Fachpresse erklärt.
Bundeswirtschaftsministerium, Pressekonferenz: Staatsministerin
Weiss spricht verschiedene Themen an, von Sendeplätzen im öffentlich-rechtlichen
Rundfunk, über das Wegbrechen von Auftrittsmöglichkeiten,
bis zur EU-weiten Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes
für alle Kulturgüter, -waren und -dienstleistungen, den
Deutschland anstrebe.
Hierbei fällt der entscheidende Satz: „Ausgaben für
Kulturförderung sind keine Subventionen, sondern Investitionen.“
Die Verfassung schreibt vor, dass bei Kreditaufnahme zum Stopfen
von Haushaltslöchern, die Höhe der investiven Ausgaben
die der konsumtiven überschreiten muss. Insoweit ist die Definition,
ob Ausgaben für Kultur und Bildung Investitionen oder Subventionen
sind, von zentraler sowohl haushalts- und wirtschafts- als auch
kultur- und bildungspolitischer Bedeutung.
Wegen dieser Tragweite schien dem Autor das Zitat der Ministerin
eine gezielte Nachfrage wert: „Handelt es sich bei Ihrer Aussage
um die persönliche Auffassung der Staatsmininsterin für
Kultur und Medien oder auch um die Auffassung des Kabinetts, insbesondere
des Bundeswirtschafts- sowie des Bundesfinanzministers?“
Weiss antwortete, im Koch-Steinbrück-Papier (Subventionsabbau-Konzept
der Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen,
Roland Koch und Peer Steinbrück) – seien Ausgaben zur
Kulturförderung ursprünglich als Subventionen eingestuft
worden. Sie habe von Oktober 2003 bis Februar 2004 daran gearbeitet,
dass diese Betrachtungsweise geändert wird. An der langen Zeitspanne
sei erkennbar, welch erhebliche Überzeugungsarbeit habe aufgebracht
werden müssen. Doch letztendlich habe sich ihre Auffassung
durchgesetzt. Nun bestehe diesbezüglicher Konsens im Kabinett,
insbesondere auch seitens des Bundeskanzlers. Insoweit handele es
sich bei ihrem obigen Zitat um die offizielle Haltung der Bundesregierung.
Ist mit dem von Kulturstaatsministerin Weiss somit erklärten
Paradigmenwechsel der Bundesregierung nun die entscheidende Weiche
gestellt? Gilt dieser Paradigmenwechsel auch für (kulturelle)
Bildungsausgaben? Erhörte die Bunderegierung etwa die beim
DMR-Kongress „Musik bewegt!?“ (Berlin, 8. September
2003) artikulierte Forderung, die der Autor in seinem Kommentar
mit den Worten „staatliche und kommunale Finanzmittel für
(musikalische) Bildung dürfen nicht mehr – wie bisher
– als konsumtive, sondern müssen künftig als investive
Ausgaben definiert werden“, zusammenfasste? Kann das von der
PISA-Studie und dem jüngsten OECD-Bildungsgutachten geschockte
Deutschland nun wieder ein „Land der Dichter und Denker“
werden?
Wenn ja, dann wäre der Kultur-Staatsministerin gelungen,
ein grundlegendes Anliegen umzusetzen, das Bundespräsident
Richard von Weizsäcker bereits 1991 bei einer vielbeachteten
Rede im Schloss Belevue so formuliert hatte:
„Substanziell hat die Förderung von Kulturellem nicht
weniger eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Haushalts zu sein,
als zum Beispiel der Straßenbau oder die öffentliche
Sicherheit. Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich
„Subventionen“ nennen, während kein Mensch auf
die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude
oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen.“
Doch ist die von Staatsministerin Weiss beschriebene – vermutlich
seitens einiger Minister nur zähneknirschend mitgetragene –
offizielle Haltung der Bundesregierung zunächst lediglich eine
politische Grundposition. Bevor daraus exekutives Handeln erwachsen
kann, bedarf es der legislativen Umsetzung, sprich: der Ausformung
durch Gesetze, Verordnungen, Ausführungsvorschriften und so
weiter auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. So wird es eine wichtige
Aufgabe des DTKV, der Kulturverbände und -organisationen, der
Bildungs- und Kulturpolitiker aller Couleur, und insbesondere der
Journalisten sein – nicht zuletzt hier in der nmz –
darüber zu wachen, dass die Bundesregierung den schönen
Worten ihrer Staatsministerin für Kultur und Medien nun die
entsprechenden gesetzgeberischen Taten folgen lässt.