[an error occurred while processing this directive]
nmz-news
nmz 2004/10 | Seite 2
53. Jahrgang | Oktober
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet.
Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten
im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen
verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur
Darstellung gebracht werden.
Neue Köpfe braucht das Festspiel
In Salzburg wurde die Ruzicka-Nachfolge geregelt
Bei den diesjährigen Salzburger Festspielen wurde einmal mehr
Kulturösterreichs Lieblingsstück gespielt: Wie heißt
der nächste Festspielintendant? Namen schwirrten, im Dutzend
wirrköpfiger, durch die Gerüchteküche und die Gazetten.
Bevor dann der interessierten Öffentlichkeit die neuen Namen
offiziell mitgeteilt wurden, konnten diese bereits davor der stets
übereifrigen österreichischen Presse entnommen werden.
Also: neuer künstlerischer Leiter als Nachfolger Peter Ruzickas
wird von 2007 an Jürgen Flimm (Foto rechts). Ihm zur Seite
im Dreierdirektorium verbleiben als bewährte Kräfte die
Präsidentin Helga Rabl-Stadler und der kaufmännische Direktor
Gerbert Schweighofer. Da der jetzt sechzigjährige Flimm in
den letzten drei Jahren schon Schauspieldirektor in Salzburg war,
darf man ihn allerdings auch ruhig zu den „Alten“ zählen.
Er liebt, wie er sagt, die Stadt sehr, ebenso wie der neue „Chef“
für die Festspielkonzerte: Peter Schmidl (Foto links) ist Soloklarinettist
bei den Wiener Philharmonikern, geht aber 2007 mit Beginn seiner
neuen Tätigkeit in Salzburg in Pension. Salzburgs Festspiele
als fideles Altenheim – warum nicht? Nebenbei: Jürgen
Flimm leitet jetzt bis 2007 die Ruhrtriennale. In Salzburg folgt
ihm der Regisseur Martin Kusej (Foto Mitte), ob dieser aber über
2007 hinaus in Salzburg als Schauspielchef weitermacht, ist unbekannt.
Flimm will sich alles in Ruhe überlegen, wie es weitergeht
in Salzburg, wenn es denn weitergeht. Übrigens: angeblich auf
Wunsch des Bundeskanzlers (Österreich) wird der Dirigent Franz
Welser-Möst die musikalischen Geschicke an der Salzach stärker
mitprägen. Wenigstens er ist dann noch nicht pensionsreif.
gr
Wie man ein perfekter Intendant wird
Zum Tode Albin Hänseroths
Kann man den Beruf „Theaterintendant“ studieren? Nicht
direkt, aber vielleicht so: Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften,
Promotion über empirische Theaterforschung, Professor für
Soziologie und Pädagogik der Massenmedien, Forschungen in diesem
Bereich sowie des Theaters, Musikkritiker für diverse in- und
ausländische Zeitungen, unter anderem die „WELT“.
Auf diese Weise gut gerüstet, gelang es dem 1939 in Mönchengladbach
geborenen Albin Hänseroth, als künstlerischer Direktor
das marode Opernhaus in Barcelona zu konsolidieren und dem einst
renommierten Gran Teatre de Liceu wieder zu internationalem Ansehen
zu verhelfen. Danach übernahm Hänseroth (1997) die Intendanz
der Hamburgischen Staatsoper, gemeinsam mit Ingo Metzmacher als
Generalmusikdirektor bewahrte Hänseroth dem Haus den Ruf eines
avancierten modernen Musiktheaters, wofür vor allem die Uraufführung
von Helmut Lachenmanns erster Oper „Das Mädchen mit den
Schwefelhölzern“ steht. Konflikte mit der Hamburger Kulturbehörde
vor allem wegen drastischer Etatkürzungen und der Wunsch nach
einem etwas ruhigeren Arbeitsplatz ließen Albin Hänseroth
das Angebot aus Köln annehmen, ab 1999 als Nachfolger Franz
Xaver Ohnesorgs die Intendanz der Kölner Philharmonie zu besetzen.
Hier konnte Hänseroth beweisen, dass es für ein großes
Musikhaus in einer Zeit von Events und großen Namen wichtig
ist, ein eigenständiges, ästhetisches Profil zu entwickeln,
der allgemeinen Flachköpfigkeit energisch entgegenzuarbeiten.
Nicht nur für die kulturpolitisch miserabel geführte Stadt
Köln, für das ganze deutsche Musikleben bedeutet Albin
Hänseroths plötzlicher Tod eine Katastrophe. Albin Hänseroth
erlag am 9. September 2004 in Köln einem Krebsleiden. gr
Auftrag für Chen Yi Ende August 2004 hat der Schweizer Chemiekonzern Roche den zweiten
Kompositionsauftrag der Roche Commissions an die chinesisch-amerikanische
Künstlerin Chen Yi vergeben. Der erste Auftrag war 2003 an
Harrison Birtwistle vergeben worden, dessen Werk „Night’s
Black Bird“ 2004 während des Lucerne Festivals zur Uraufführung
gelangte (Bericht auf Seite 48 dieser Ausgabe). Chen Yis Werk wird
2005 uraufgeführt.
Markus Poschner Die Jury des Dirigentenforum, ein bundesweites Förderprogramm
für den dirigentischen Nachwuchs in Deutschland unter der Leitung
von Peter Gülke hat den jungen Dirigenten Markus Poschner,
Chefdirigent des Georgischen Kammerorchesters, mit dem mit 7.500
Euro dotierten Preis 2004 ausgezeichnet. Preisträger vergangener
Jahre waren unter anderem Marc Piollet, Gabriel Feltz, Christian
Voß und Matthais Foremny.
Matthias Ilkenhans Am 1. September 2004 trat Matthias Ilkenhans als neuer Redakteur
der NDR Radiophilharmonie in Hannover die Nachfolge von Hansjoachim
Reiser an, der sich in den Ruhestand verabschiedet hat. Ilkenhans,
Jahrgang 1968, gehörte von 1994 bis 2000 als Geiger und Projektmanager
zum Ensemble der Jungen Deutschen Philharmonie und kehrte 2001 nach
einem Jahr beim Münchner Kammerorchester als Geschäftsführer
zurück.
Dieter Gorny
Dieter Gorny, Musiker, Musikpädagoge und Vorstandsvorsitzender
der VIVA Media AG wurde vom Präsidium des Deutschen Musikrates
einstimmig zum Vizepräsidenten gewählt. Er tritt damit
die Nachfolge von Jens Michow als Geschäftsführender Präsident
an. Präsident Martin Maria Krüger: „Mit Dieter Gorny
haben wir einen profilierten Vertreter aus dem Medienbereich mit
exzellenten Verbindungen (…) gewonnen.“
Nachfolgerin
Für den scheidenden Chef des Deutschen Theaters in München,
Heiko Plapperer-Lüthgarth, gibt es bereits eine Nachfolgerin.
Wie der Aufsichtsratsvorsitzende des Theaters, Bürgermeister
Hep Monatzeder (Grüne), am Mittwoch mitteilte, soll die Produzentin
Andrea Friedrichs (42) aus Solingen neue Theaterchefin werden. Mit
dem Abschluss der Vertragsverhandlungen sei in Kürze zu rechnen.
Plapperer-Lüthgarth beendet im September nächsten Jahres
aus persönlichen Gründen seine Geschäftsführertätigkeit.
Mit Friedrichs gewinne die Stadt eine „international renommierte
Fachfrau“, die nicht nur in der Musicalszene als „hochprofessionelles
Multitalent“ gehandelt werde. Als Produzentin und Geschäftsführerin
sei sie künstlerisch und kaufmännisch in allen Sparten
der Branche zu Hause.
Preisträger Peter Ruzicka
Peter Ruzicka (55), Komponist, Dirigent und derzeit künstlerischer
Leiter der Salzburger Festspiele und der Münchener Biennale
ist der erste Preisträger des neuen „Louis Spohr Musikpreises
Braunschweig”. Die Stadt Braunschweig und private Stifter
wollen damit den Braunschweiger Musiker Spohr würdigen und
zugleich bedeutende Komponisten, die dem europäischen Musikleben
innovative Perspektiven eröffnet haben.
Tim Renners Rückkehr
Der ehemalige Deutschland-Chef des Plattenmajors Universal kehrt
nach seinem freiwilligen Abgang Ende letzten Jahres zurück.
Sein gerade bei Campus erschienenes Buch „Kinder, der Tod
ist gar nicht schlimm” ist ein persönliches Resumee seiner
Tätigkeit in den Plattenfirmen von Polydor bis Universal Music.
Mit seiner Firma Motor FM bewirbt sich Renner um eine freie Rundfunklizenz
in Berlin. „Gesendet wird ausschließlich aus der Wohngemeinschaft
Deutschland”, heißt es in einer Pressemeldung. „Das
heißt, nur das, was hier bei uns zu Hause entsteht, wird gesendet.
Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Sprache gesungen wird oder
welcher Herkunft der Künstler ist. Bei Motor FM findet all
das Platz, was Redakteure sonst ignorieren, weil man vielleicht
nicht Englisch singt oder ohne Chartnotierung oder TV-Umfeld daherkommt.
Wir akzeptieren nicht, dass einzelne Kulturen diskriminiert werden,
auch nicht, wenn es die eigene ist.” Ergänzt wird das
Programm durch einen Internet-Downloadshop, so dass man die gesendete
Musik auch digital erwerben kann. mh
Marmor, Stein und Eisen bricht
Christian Bruhn wird siebzig
Christian Bruhn wurde am 17. Oktober 1934 in Hamburg-Wentdorf geboren.
Bereits in den frühen 50er-Jahren startete er in München
seine Karriere als Jazzpianist, wechselte dann aber als Arrangeur
und Produzent zum „Tempo“-Schallplatten-Label.
Hier profilierte er sich als geschickter Bearbeiter bereits bekannter
Schlager und erhielt die ersten Fernsehmusik-Aufträge. 1960
landete er mit einer eigenen Schlager-Komposition seinen ersten
großen Erfolg mit „Midi-Midinette“. Dieses Liebeslied
auf ein Pariser Mädchen, das so schön ist wie die Stadt
an der Seine, sang Conny Froboess mit ihrer frischen, jugendlichen
Stimme. Damit begannen die viele Jahre fortgeführten Produktionen
mit dem gleichaltrigen Berliner Verleger Peter Meisel. Gemeinsam
entdeckten sie das Multitalent Drafi Deutscher („Marmor, Stein
und Eisen bricht“, 1965) und die Sängerin Manuela („Schuld
war nur der Bossa Nova“). Zuvor trafen Anfang der 60er-Jahre
das Autorenduo Bruhn/Georg Buschor (Text) mit ihrem Song „Zwei
kleine Italiener“ zielgenau den Zeitnerv. Nachdem der „Gartenzwerg-Marsch“
(Adelheid) zum Text von Hans Bradke ein Dauerhit wurde, es für
die „Zwei kleinen Italiener” die erste Goldene Schallplatte
(damals für eine Million verkaufte Exemplare) und den Bronzenen
Spatz gab, blieb dem fleißigen Duo der Erfolg treu, sie erzielten
bei den Schlagerfestspielen 1964 erneut den ersten Preis, dieses
Mal mit ihrem Titel „Liebeskumnmer lohnt sich nicht“.
Siw Malmqvist war die Gesangsinterpretin. Mit „Wunder gibt
es immer wieder“ gewann Katja Ebstein 1970 beim internationalen
Schlagerwettbewerb „Grand Prix de la Chanson“ in Amsterdam
den 3. Preis für Deutschland.
Aus den verschiedenen Genres seines Œuvres möchte ich
hier nur einige Beispiele erwähnen, wie den von Katja Ebstein
mit großem Nuancenreichtum interpretierten Heine-Zyklus. Ebenso
wenig verwandt dem Schlageralltag ist der für’s Fernsehen
in zwölf Folgen komponierte Zyklus „James Tierleben“
nach Gedichten von James Krüss. Allein die Fernseh- und Filmmusiken
nur aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Essays sprengen.
Um wenigstens einige Titel zu nennen: Timm Taler, Sindbad, Alice
im Wunderland, Jack Holborn, Captain Future, Die Post geht ab, Die
Banditen vom Rio Grande, Apartmentzauber, Maibritt, Fit for ever,
Manni der Libero, All meine Töchter; Abenteuer in Afrika; Hans
im Glück.; Hotel Shanghai und so weiter. Schade, dass nur wenige
Musikfreunde um diese ganz erstaunliche Vielfachbegabung Christian
Bruhns wissen, denn solche Musik ist auch ohne Filmbilder sehr hörenswert.
1982 wählte die GEMA-Mitgliederversammlung Christian Bruhn
mit großer Mehrheit in den Aufsichtsrat, 1991 wurde er zum
Aufsichtsratsvorsitzenden gekürt. Er stellte sich dieser zeitaufwändigen
Herausforderung und bewältigt sie seit 13 Jahren glänzend.
Für seine dabei allen GEMA-Mitgliedern zugute kommenden erbrachten
außerordentlichen Leistungen, wurde er im Jahr 2001 mit dem
GEMA-Ehrenring ausgezeichnet und bald darauf außerdem zum
Ehrenmitglied der GEMA ernannt, während der Freistaat Bayern
ihn für seine Vorlesungen an der Musikhochschule Nürnberg/Augsburg
mit einer Honorarprofessur würdigte. kw
Musikpädagoge aus Leidenschaft
Zum Tod des Musikpädagogen Heinz-Jürgen Bräuer
Musikpädagogik war für Heinz-Jürgen Bräuer nicht
bloß sein Beruf oder seine Berufung, sondern seine Leidenschaft:
Sein Profil als Musikpädagoge lebte aus dem Spannungsfeld des
ausübenden Musikers und dessen langjähriger Schulerfahrung.
Musikpädagogik zu lehren, bedeutete für ihn mehr, als
lediglich die Vermittlung musikpädagogischen „Rüstzeugs“.
Er verstand es nicht nur leidenschaftlich zu musizieren, sondern
ebenso leidenschaftlich über Musik zu reflektieren und beides
seine Studierenden zu lehren. Und darin lag die besondere Qualität
seines wissenschaftlichen Profils, das eine Konstante sämtlicher
Stationen seines Werdegangs ist, wie zum Beispiel an der Pädagogischen
Hochschule in Freiburg und schließlich seiner Professur für
Musik und ihre Didaktik an der Universität Bielefeld, an der
er seit 1994 lehrte. Im Zentrum seines denkerischen Interesses stand
immer die Musik. Ihren vielfältigen Erscheinungsformen und
Beziehungen zu anderen Künsten intensiv nachzugehen, war für
ihn nicht Selbstzweck. Dass er in seinen Seminaren oft mit bildenden
Künstlern, Literaturwissenschaftlern oder Historikern den Diskurs
suchte, versteht sich nicht nur als Folge des damals in Bielefeld
neu eingerichteten „integrativen“ Studienganges Kunst/Musik:
Eine solide wissenschaftliche Basis war für ihn stets eine
unverzichtbare Grundlage jeglichen schulischen Arbeitens, Lehrens
und Lernens, – selbst in der Grundschule. Sich mit Musik auseinander
zusetzen, war für ihn ein lustvolles intellektuelles Vergnügen,
gleich ob durch präzise Analysen oder Erkundung des denkerisch
Möglichen in einem quasi „dialektischen“ Diskurs.
Sein Denken und Handeln wurde an erster Stelle durch hohe Ansprüche
an sich selbst und von einem mit leiser Selbstironie durchtränkten
Skeptizismus geleitet. Er pflegte eine angenehme von Bescheidenheit
und Zurückhaltung getragene, nie anbiedernde Freundlichkeit,
die stets die ausgewogene Balance von Nähe und Distanz wahrte.
Zudem zeichnete ihn eine von unausgesprochenen ethischen Überzeugungen
geadelte, besondere „menschliche“ Haltung aus.