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nmz-archiv
nmz 2004/10 | Seite 34
53. Jahrgang | Oktober
Laienmusik
Ein Vierteljahrhundert Liebe zur Musik
Das Freie Musikzentrum München feiert – Angebote für
Laien und Profis
Mit der Bitte um eine Spende, die keiner Begrenzung nach oben
unterliegt, lud das Freie Musikzentrum in München am 17. September
zum 25. Geburtstag ins Neue Theater in der Entenbachstraße
ein. Eine Bitte (mit einem subtilen Hinweis versehen), die dieser
Tage, doch sind es wohl eher schon Jahre, von vielen Seiten zu hören
ist. Das Freie Musikzentrum meistert jedoch die von Etatkürzungen
geprägten Zeiten gut und kann durchaus auf eine Erfolgsgeschichte
mit optimistischer Zukunftsprognose blicken.
Das Freie Musikzentrum, kurz FMZ, wurde im Januar 1979 in der Form
eines gemeinnützigen Vereins gegründet. Die Idee: Interkultureller
Austausch auf musikalischer Ebene. Das Ziel war die Gründung
eines Weltmusikkonservatoriums, und ein Bewusstsein für die
Ebenbürtigkeit anderer Musikkulturen zu schaffen, doch dies
sei nicht erreicht worden, wie Mitbegründer Peter Pannke im
Interview mit dem Kultur-Magazin „Applaus“ resümierte.
Obwohl dieses Ziel verfehlt wurde, kann das FMZ auf eine erfolgreiche
Geschichte zurückblicken: Der erste Standort befand sich in
der Kirchstraße im Stadtteil Haidhausen. Hier schuf das FMZ
eine Plattform für Künstler, die bis dato noch fremden
Genren angehörten. Percussion, Didgeridoo, spirituelle Tänze
und auch Jazz standen auf dem Programm. Zudem wollte man weg vom
bloßen Musikkonsum und die Möglichkeit bieten, Musik
und Tanz selbst zu erlernen. In den achtziger Jahren wurde die berufsbegleitende
Weiterbildung für Musiktherapie sowie für kreativen Tanz,
die Percussion-Schule und das Jazz-Projekt gegründet. Der Zulauf
war groß, die Räumlichkeiten schnell zu klein, so dass
das FMZ 1985 in das ehemalige Haus des Richard-Strauss-Konservatoriums
in der Ismaningerstraße umzog, wo es heute noch zu finden
ist. Aktuell verzeichnet das FMZ rund 10.000 Besucher jährlich.
Die Organisation der Konzerte und Workshops werden von vier Hauptamtlichen
und etwa 120 freien Dozenten bewerkstelligt. Die künstlerische
Breite reicht von Yoga über indischen, brasilianischen und
Butoh-Tanz, ganzheitliche Stimmbildung, Mantra Singen, bis hin zum
herkömmlichen Gitarre und Blockflöte Spielen.
Mehr Weiterbildungsangebote
Die Angebote der berufsbegleitenden Weiterbildung sollen zukünftig
ausgeweitet werden, um die Kürzungen der Landeshauptstadt aufzufangen.
85 Prozent des Gesamtetats bringt das FMZ mittlerweile selbst auf,
der Rest stammt aus dem Topf des Kulturreferats. Satzungsgemäß
besteht das oberste Ziel des FMZ darin, ein Forum für Künstler
zu bieten, die abseits des Mainstreams liegen. Ein Zuschussbetrieb
also, der über die Kurse subventioniert wird. „Wir verkaufen
praktisch unsere Kurse, wie ein Jazz-Club Bier“, erklärt
die Geschäftsführerin Claudia Frodien. Die letztjährige
Etatkürzung der Stadt um zehn Prozent habe man durch eine Vielzahl
von Aktivitäten aufgefangen und verkraftet, so die Diplom-Ingenieurin.
Ein Zwiespalt: Denn wo Mittelstreichungen nahezu problemlos weggesteckt
werden, besteht auch die Gefahr, dass auf Verwaltungsseite mehr
Einsparpotenzial gesehen wird. „Die Landeshauptstadt ist sehr
interessiert daran, uns nicht untergehen zu lassen“, ist sich
Frodien sicher. Das FMZ werde als eine wichtige musikalische Institution
wahrgenommen und das Kulturreferat müsse eben tun, was es tun
muss.
Im Freien Musikzentrum wird also nicht viel gejammert, man stellt
sich lieber den neuen Herausforderungen. Auch wird das FMZ nicht
mehr von seiner ehemals esoterischen Weltanschauung dominiert: „Wir
haben uns davon gelöst und sind somit auch offen für eine
neue Zeit“, so Frodien. Ein Prozess, der vor mehr als fünf
Jahren begonnen habe. Heute liegt das Augenmerk der Verantwortlichen
auch verstärkt auf der Förderung der musikalisch-künstlerischen
Bildung von Kindern und Jugendlichen. In diesem Bereich konnte das
Zentrum im letzten Jahr einen Zuwachs von 13 Prozent verzeichnen.
„Wir können nicht feststellen, dass Eltern an der musikalischen
Erziehung ihrer Kinder sparen“, erklärt die Geschäftsführerin.
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten werde der Wert der Kultur
wieder deutlicher sichtbar. Das FMZ unterscheide sich von anderen
Musikschulen durch die kleinen Gruppen und die Lebendigkeit der
Dozenten, die alle künstlerisch sehr aktiv seien. „Das
FMZ ist ein Ort der Begegnung, es zeichnet sich durch seine familiäre
Atmosphäre aus“, so Frodien weiter. Das jüngste
Familienmitglied sei drei Monate, das älteste etwa 70 Jahre
alt.
Gucci-Täschchen und Sandalen
Und so versammelte sich die Familie, um gemeinsam ein Vierteljahrhundert
Liebe zur Musik zu feiern. Das Neue Theater platzte fast aus den
Nähten und der Publikumsquerschnitt zeigte auch, dass die Zielgruppe
mittlerweile breit gefächert ist: Gleichermaßen fanden
sich Geburtstagsgäste in Trecking-Sandalen, wie Trägerinnen
von Gucci-Handtäschchen im Opern-Outfit ein. Das Programm wurde
nur von hauseigenen Künstlern, darunter der FMZ-Chor, Geoff
Goodman und Till Martin vom Jazz-Projekt und verschiedenen Künstlerkonstellationen
aus den Bereichen Gesang und Percussion gestaltet.
Und wie lautet die Prognose der Geschäftsführerin für
die nächsten 25 Jahre FMZ, ist die Institution zukunftsfähig?
„Musik wird es immer geben. Die Laienmusik hat einen hohen
Stellenwert, man muss kein Profi sein, um die Musik zu lieben. Und
mit diesen engagierten Künstlern ist mir vor der Zukunft nicht
bange.“