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nmz-archiv
nmz 2004/10 | Seite 8
53. Jahrgang | Oktober
Magazin
Galileo Figaro ist also doch nicht Freddie Mercury
Das Queen- Musical „We Will rock You“ feiert am 12.
Dezember Premiere in Köln
Warum man Musicals liebt? Wohl weil es Traumwelten sind, gespickt
mit Phantomen, Löwen, Lokomotiv- Rollschuhen, Katzen oder Königen.
Dazu leichte Melodiekost, stets ein wenig gestelzt vorgetragen,
dennoch pathetisch genug. Was passiert nun, wenn ein Musical von
Tatsachen handelt, Zeitgeschehen eingeflochten wird, Protagonisten
noch leben und wahre, weil nicht speziell entworfene Musik zu hören
ist? Man wird aus einem Traum erwachen. So könnte das bald
in Köln passieren. Das Rockmusical „We will rock you“,
bestimmt von der Vision der Band Queen und über 20 Rockklassikern
der Band, feiert am 12. Dezember 2004 Premiere in Deutschland. Regisseur
Ben Elton hat mit den Queen- Musikern und Musical- Produzenten Brian
May und Roger Taylor ein Rockspektakel auf die Beine gestellt, dass
in dieser Form einzigartig ist: Rocksongs, britischer Humor, dazu
eine fiktive Realitätsgeschichte (begleitet von überdimensionalen
Videoleinwänden, echten und Technicolor-Bühnenbildern),
die oft genug in der Gegenwart zur Wahrheit wurde. Die nmz hatte
in London Gelegenheit mit Brian May über das Musical und die
Deutschlandpremiere zu sprechen.
Ein Musical-Highlight: Die
„Killer Queen“. Foto: BB Promotion
nmz: Man ist überrascht, dass der Hauptprotagonist
„Galileo“ nicht versucht, Freddie Mercurys Stimme zu
treffen. Ist das Absicht? Brian May: Absolut. Niemand könnte Freddie Mercury sein.
Ich weiß, dass viele Besucher mit diesem Eindruck zu kämpfen
haben, aber Freddie ist ja nicht alleine die Geschichte von Queen.
nmz: Sie zeigen das Musical mit britischem Humor, verteilen
Breitseiten gegen Britney Spears und die Musikindustrie. Gab es
schon Beschwerden? May: Bis jetzt hat uns noch niemand verklagt. Das liegt mitunter
daran, dass wir keinen beleidigenden sondern einen hintergründigen
Humor pflegen. Zudem sind uns die betroffenen Personen wichtig,
denn sie sind oder waren für die Musik nicht unbedeutend. Und
wir selbst kriegen ja auch genug ab.
nmz: Die Queen- Songs passen perfekt in das Musical- Ambiente,
so, als würden sie nur auf eine Story warten. May: Ich bin froh, dass Sie das genau so sehen. Leicht war
es nicht, wir mussten experimentieren, nehmen immer noch Veränderungen
vor, ohne aber den Kern der Songs zu verändern. In jedem Land
werden die Songs differenzierter klingen, weil die Hauptdarsteller
ihren Stil einbringen. Da kommt meine Aufgabe als Produzent zum
Tragen, das alles anzugleichen ohne die persönliche Note wegzunehmen
und den Leuten genug Platz für ihre Entwicklung zu lassen.
nmz: Als Musiker kennen Sie die Arbeit im Studio, mussten
aber nie mit einem Regisseur arbeiten. Funktionierte das auf Anhieb? May: Nicht wirklich. Mit dem ersten Regisseur klappte gar
nichts. Erst als wir Ben Elton gewannen, sahen Roger und ich unsere
Intention verstanden. Das reichte vom Ticketverkauf bis zur Umsetzung
der Geschichte. Das sind andere Probleme, als die, mit denen du
als Bandmitglied konfrontiert wirst. Normalerweise kommst du ins
Studio und spielst deinen Song runter. Als Musical- Produzent geht
das nicht. Ich habe ständig meine Notenpartituren dabei um
selbst kleinste Dinge bei Bedarf zu ändern.
nmz: Im Musical werden die Vision einer freien Welt und
der Kampf um diese Vision allgegenwärtig zitiert. Traf das
stets auf Queen zu? May: Ja, das ist eine uralte Queen Vision, die wir da vertreten.
Regisseur Ben Elton ist das zu verdanken. Es ist erstaunlich, wie
gut er uns kannte und praktisch zu einem Bandmitglied wurde. Unglaublich,
wie er sich instinktiv mit dieser Geschichte unserer Vision näherte.
„Galileo“, die Hauptfigur stellt rein äußerlich
eher James Dean dar, aber spirituell ist das Freddie Mercury pur.
nmz: Um die Vision zu vermitteln, benötigt man Texte.
Sind die Songs und Dialoge in Köln Deutsch? May: Ein heikles Thema. Wir entschlossen uns in Deutschland
den Dialog Deutsch zu machen, die Songs aber nicht zu übersetzen.
In Spanien beziehungsweise Russland mussten wir die Songs übersetzen,
weil zwar klar war, dass man die Queen- Songs kennen würde,
aber nicht deren Bedeutung im Kontext mit der Handlung des Musicals.
Auch wird dort weniger häufig Englisch gesprochen als in Deutschland.
Ben Elton hatte die Idee speziell in Deutschland diese Zwitteraufführung
in Deutsch und Englisch zu machen. Da die Story jeweils auf die
aktuelle Situation des Landes bezogen ist, in dem das Musical aufgeführt
wird, bin ich mit der erarbeiteten Lösung für Köln
sehr zufrieden.
nmz: Konnten Sie beim Casting für Deutschland dabei
sein? May: Nicht bei jedem. Zunächst trifft ein Team eine
Vorauswahl. Roger und ich sehen dann die „Creme de la Creme“.
In Deutschland war das Niveau der Künstler enorm hoch. Wir
waren überwältigt. Es war extrem schwierig, diese talentierten
Leute wieder wegzuschicken. Köln hat uns positiv zu schaffen
gemacht.
nmz: Zu schaffen machte Ihnen auch der Start des Musicals
in London, dennoch ist es in der dritten Spielzeit angekommen. Ist
das für Sie eine neue Erfolgsstufe? May: Es ist schier großartig. Ich könnte ständig
grinsen. Es war für uns vielleicht das letzte große Territorium,
das es zu betreten galt. In der Tat hatten wir mit Vorurteilen zu
kämpfen und weckten Ängste im Establishment der Kritiker,
weil da Typen kamen, die überhaupt nicht in deren Vorstellung
einer Musical-Produktion passten. Aber wir konnten sie überzeugen,
weil wir uns eine gewisse Bescheidenheit bewahrt haben. Wir treten
nach wie vor nicht wie die großen Zampanos auf. Das war der
richtige Weg um das Musical nicht nur in London zu etablieren, sondern
hoffentlich auch in Amerika, Spanien oder Deutschland.