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nmz-archiv
nmz 2004/10 | Seite 12
53. Jahrgang | Oktober
Nachschlag
Radio-Quote & Kultur-Enquete
Olaf Zimmermann, Mitglied der Enquetekommission des Deutschen Bundestages
„Kultur in Deutschland” und Geschäftsführer
des Deutschen Kulturrates, beantwortet der neuen musikzeitung Fragen
zum Quoten-Hearing der Enquete-Kommission.
nmz: Bei ihrem „Halbzeitbericht” vor einigen
Wochen haben die Regierungsparteien zum Thema „Musikquote”
bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Stellung bezogen.
Für die SPD Eckhard Barthel mit einem klaren „Ja –
aber”, für die Grünen Antje Vollmer, die sich deutlich
zur quantifizierten Quote bekannte. Was also will die Bundesregierung
eigentlich? Olaf Zimmermann: Einen Erfolg in der Kulturpolitik, der öffentlich
auch wahrgenommen wird. Da kommt die Quotendiskussion gerade recht.
nmz: Welche Quoten-Sorte ist gemeint? Soll die Sende-Prozent-Zahl
in Deutschland produzierter Musikstücke festgelegt werden oder
der Anteil deutschsprachiger Titel? Was sagt die EU-Rechtsprechung
zu solcher Reglementierung? Zimmermann: Eine Quotierung von in Deutschland produzierter
Musik ist absolut europarechtswidrig und kommt deshalb ernsthaft
überhaupt nicht in Frage. Der europäische Wettbewerbskommissar
würde eine solche Quote sofort untersagen. Wer eine Musikquote
will, muss wissen, dass es sich nur um eine Quotierung von deutschsprachigen
Titeln handeln kann.
nmz: Im zeitlichen Ambiente der Popkomm – dort trifft
sich in Berlin die einschlägig interessierte Phonoindustrie
– veranstaltet nun die Kultur-Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages ein öffentliches Experten-Hearing zur Quote. Ist
das Ergebnis „Pro Quote” dadurch nicht schon präjudiziert?
Zimmermann: Ich halte die Terminierung der Anhörung
parallel zur Popkomm für sehr unglücklich. Es entsteht
dadurch in der Öffentlichkeit der Eindruck, die Enquetekommission
hätte sich schon für die Einführung der Quote ausgesprochen.
Ich selbst werde in der Enquetekommission gegen eine Quote stimmen,
da ich glaube, dass eine Quote weder den deutschen Musikern hilft,
noch die Qualität des Rundfunkangebotes verbessert.
nmz: Über die aktuelle Programmpolitik vieler Öffentlich-Rechtlicher
können sich derzeit sicherlich nur Globalisierungsfetischisten
freuen. Der Kulturanteil wird gnadenlos runtergefahren. Es gibt
eine stabile „reale Quote” von 87 Prozent an ausländischen
Titeln. Hilft da nur eine starre gesetzliche Verpflichtung oder
sehen Sie eine Besserungs-Chance für die Programm-Verantwortlichen
durch Argumente, durch Bewusstmachungs-Prozesse? Zimmermann: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist einer
der wichtigsten Kulturträger in unserem Land, der aber leider
manchmal diese eigene Stärke vergisst. Die Welthandelsorganisation
wie auch die Europäische Kommission würde lieber heute
als morgen dem gebührenfinanzierten Rundfunk in Deutschland
den Garaus machen. Geschützt wird er nur von seinem Kultur-,
Informations- und Bildungsauftrag. Wenn der öffentlich-rechtliche
Rundfunk überleben will, wird er sich auf diese Qualitäten
besinnen.
nmz: Ist es nicht paradox: Am lautesten reklamiert eine
phonographische Industrie strenge Quotierung, die ihre deutschen
Interpreten gerade in die Wüste geschickt hat. Wird da nicht
unter dem Heuchel-Mäntelchen angeblicher Nachwuchs-Förderung
wirtschaftlicher Protektionismus angestrebt, der mit Blick auf die
grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit auch noch juristisch
fragwürdig ist? Zimmermann: Die Kündigungen von Verträgen durch
große Phonounternehmen, gerade mit Deutschen Künstlern,
macht die Forderung nach einer Musikquote besonders unglaubwürdig.
Wer eine Quote im Rundfunk fordert, darf nicht selbst die Verträge
mit den Künstlern auflösen, die dann vermehrt gespielt
werden sollen. Nicht nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk,
sondern auch die phonographische Wirtschaft, müssen sich ihrer
Verantwortung viel deutlicher stellen.