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nmz-archiv
nmz 2004/10 | Seite 41
53. Jahrgang | Oktober
Jazz, Rock, Pop
Das Warten hat sich gelohnt
Ein Rockabend der Prägung 90er mit Velvet Revolver in München
Vor knapp einem halben Jahr war das Debütalbum der Band Velvet
Revolver mit dem Titel „Contraband“ erschienen. Wem
das Line Up der Band bekannt war, konnte ahnen, dass diese Platte
nach oben stürmen würde. Duff Mc Kagan (Bass), Matt Sorum
(Schlagzeug) und Slash (Gitarre), alle drei einst Kreativköpfe
bei Guns’n’Roses, bilden den Kern der Gruppe, die durch
Dave Kushner, einem vielbeschäftigten Studio-Gitaristen instrumental
komplettiert wird. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen wurde Grunge-
Ikone Scott Weiland (Ex-Stone Temple Pilots und von einem Gericht
zum Zwangsentzug verurteilter Ex-Junkie) als Sänger verpflichtet.
Mit insgesamt fünf Konzerten war im August auch Deutschland
auf dem Tourplan. Den Löwenanteil des Publikums bestritten
die Anfang- bis Mittdreißiger. Jene, die sich vor dem Konzert
noch über ihre 90er- und 92er-Guns’n’Roses-Tourerlebnisse
austauschen mussten.
Guns hin, Revolver her:
Sänger Scott Weiland und Kollegen. Foto: BMG/RCA
Um 20 Uhr fiel der Startschuss, die Backyard Babies durften den
Abend eröffnen. Als Anheizer und Vorband verrichteten sie einen
tadellosen Job und mit ihrem Straßen-Rock’n’Roll
der derben Art war für Wohlfühlatmosphäre gesorgt.
Wie es sich für eine so genannte Supergroup gehört,
war erst einmal Warten angesagt, dabei gab es weder technische noch
lokale Probleme. Nach über einstündiger Pause untermalt
mit gellenden Pfiffen der Zuschauer gaben sich die Herrschaften
Weiland & Co also dann doch noch die Ehre. Velvet Revolver betreten
die Bühne und das sinnlose Herumstehen scheint stante pede
vergessen. Innerhalb kürzester Zeit sind die Bewunderer aus
dem Häuschen, recken Fäuste in die Höhe, schütteln
Haarmähnen und kennen jede einzige Zeile jedes Songs auswendig.
Eine deformierte Art der Beatlemania kommt gar auf, sobald Slash
die Frontmonitore besteigt und seine berühmt-berüchtigte
Les-Paul-Gitarre flaggengleich in die Höhe streckt und dabei
spielt. Obwohl man erwartet, dass die Herrschaften ihr musikalisches
Handwerk perfekt beherrschen, ist es bemerkenswert, mit welcher
Leidenschaft sie ihre Songs nach so vielen Jahren Business noch
zelebrieren. Abgebrühte Profis sind alle, die da jetzt auf
der Bühne stehen. Aber gerade ihre Entertainment Erfahrung
spielen sie in dieser kleinen Halle – verglichen mit den Stadien,
die sie mit ihren Vorgänger- Bands gefüllt haben –
voll aus.
Ihre Performance wirkt intim und versprüht Wohnzimmer-Atmosphäre.
In derartigen Läden wurden sie in L.A. oder Seattle entdeckt.
Um allabendlich ihre Show durchzustehen, scheinen die als feierwütig
bekannten Velvet Revolver Musiker übrigens ordentlich in Punkto
Fitness trainiert zu haben. Nach Eskapaden im drogentechnischen
Sinn sehen die Waschbrettbäuche (natürlich reißt
sich die Band, wie es sich für Rocker gehört, sämtliche
T-Shirts während des Konzerts vom Leib) nicht aus, wenngleich
verständlicherweise im Alter etwas eher auf die Konzertbremse
gedrückte wird, denn nach gut 50 Minuten verlassen Velvet Revolver
bereits die Bühne.
Entschädigt wird man mit zwei Zugabenblöcken, die nach
allen Regeln der Kunst aufgebaut sind. War das Konzert bis auf „It’s
so easy“ ausschließlich mit Songs vom Album „Contraband“
geprägt worden (deren Intros, Outros sowie Soli beliebig verlängert
wurden), war es an der Zeit, die letzten Asse auszuspielen und nun
Songs aus der Guns’n’Roses- beziehungsweise Stone Temple
Pilots-Ära abzufeiern.
Zeitreisig versetzt fühlte man sich, als Slash mit Zylinder
auf dem Kopf und Marlboro im Mundwinkel auf die Bühne zurückkehrte
und die Guns’n’Roses-Nummern „I Used To Love Her“
und „Mr. Brownstone“ lässig, lakonisch und dreckig
intonierte oder Scott Weiland herrlich abgewrackt „Sex Type
Thing“ aus seiner Bandvergangenheit anstimmt. Und obwohl es
aus der Mode zu sein scheint, Schlagzeug-Soli zu spielen: wenn ein
Weltklasse Mann wie Matt Sorum (Ex-The Cult) sein Können zelebriert,
reißt das nach wie vor jeden Fan mit und hätte an diesem
Rockabend der Prägung 90er einfach gefehlt.