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nmz-archiv
nmz 2004/10 | Seite 44
53. Jahrgang | Oktober
Rezensionen
Du trägst mich unter deiner Haut
Cole Porter zum 40. Todestag/ Film & CD: „De-Lovely“
Er gab der Postmoderne schon 1934, vor 70 Jahren also, ihr Motto,
„Anything Goes“: Cole Porter, dessen Todestag sich am
15. Oktober zum 40. Mal jährt. Schon 1946 hat Hollywood versucht,
sein Leben auf der Leinwand zu erzählen. „Night and Day“
hieß das Biopic von „Casablanca“-Regisseur Michael
Curtiz. In der Hauptrolle, von Porter höchstpersönlich
vorgeschlagen: Cary Grant.
Kevin Kline (li.) als Cole
Porter, Ashley Judd als seine Film-Ehefrau. Foto: Fox
„Night and Day“ war eine Nummernrevue, die relativ
wenig mit Porters Vita zu tun hatte. Damit unterschied sie sich
aber auch kaum von anderen aufwendigen Hollywood-Komponisten-Porträts
der vierziger Jahre: „Rhapsody in Blue“ über George
Gershwin und „Words and Music“ über Rodgers &
Hart. Trotzdem prägten natürlich diese Hollywood-Revuen
unser Bild von den genialen Schöpfern des „Great American
Songbook“. Inzwischen wissen wir mehr über unsere Tin
Pan Alley-Helden. Wir kennen George Gershwins manisch-depressive
Seite, Lorenz Harts Säufer-Seele und Cole Porters homosexuelle
Neigungen. Das alles sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man
sich Irwin Winklers Porter-Biopic „De-Lovely“ anschaut.
Das Kino und Cole Porter, sie haben schon in den frühen Tonfilmtagen
eine Affäre miteinander angefangen. „The Battle of Paris“
hieß der erste Film von 1929, für den Cole Porter die
Songs lieferte. Dann folgten in den 30ern Verfilmungen seiner Broadway-Musicals
„Anything Goes“ oder „The Gay Divorce“ mit
Fred Astaire. Viele der Filme, zu denen Porter in dieser Zeit die
Musik schrieb, sind vergessen. Doch Filmsongs wie „In The
Still Of The Night“ oder „I’ve Got You Under My
Skin“ haben die Zeit, wie ein Großteil des Cole Porter-Songbooks,
überlebt. Woody Allen etwa benutzte in seiner letzten Komödie
„Anything Else“ (!) einen Porter-Song, den einst James
Stewart auf der Leinwand gesungen hatte, sogar als ironisches Leitmotiv:
„Easy To Love“, freilich in der Fassung mit Billie Holiday.
Und wer kennt nicht die Gassenhauer aus „Kiss Me, Kate“
oder „High Society“? „Too Darn Hot“, gesungen
und getanzt von der in diesem Jahr gestorbenen Ann Miller oder „Well,
Did You Evah!“ mit Frank Sinatra und Bing Crosby.
Spätestens seit Ella Fitzgeralds „Cole Porter Song
Book“ von 1956 ist der Name des Meisters jedem Jazz- und Pop-Fan
geläufig. Ein Pub-Entertainer wie Robbie Williams zum Beispiel
ist mit seiner Musik aufgewachsen: „Mein Vater ist ein großer
Verehrer von Sinatra, Martin und Bing. Deshalb kenne ich all diese
Songs, wusste aber damals nicht, wer sie komponiert hatte.“
In „De-Lovely“ singt Robbie den Titelsong. „Ich
hoffe, dass diese Songs durch diesen Film ein neues Publikum finden,
denn sie sollten unsterblich sein.“ Bei Aufführungen
des Films während des Münchner Filmfests staunten nicht
wenige „jazzigere“ Robbie Williams-Fans darüber,
wie viele ihrer Lieblingslieder von Cole Porter stammten.
Natürlich treffen wir bei diesem neuen Porter-Projekt auf
die üblichen Verdächtigen: Mr. & Mrs. Costello –
Elvis & Diana Krall – oder Natalie Cole. Aber auch Popstars
wie Alanis Morisette oder Sheryl Crow glänzen mit Porter-Standards.
Zu den absoluten Höhepunkten des Soundtracks (erschienen bei
Columbia) gehören aber eine laszive Version von „Love
For Sale“ mit der neuen Soul-Diva Vivian Green und die Gesangsnummern
von Kevin Kline. Als Mr. Porter croont er unglaublich charmant „Night
And Day“, „Be A Clown“, „Experiment“
oder im Duett mit seiner Film-Ehefrau Ashley Judd „In The
Still Of The Night“. Stephen Endelman sorgte im übrigen
für die vorzüglichen Arrangements. Cole Porter himself
kommt natürlich am Ende auch noch zum Zuge. Seine göttliche,
nasale Version von „You’re The Top“ läuft
hier außer Konkurrenz.
Facts & Fiction vermischen sich in „De-Lovely“,
wie in jedem guten Biopic, aber Regisseur Irwin Winkler schafft
es tatsächlich, eine filmische Porter-Welt zu erschaffen. Winklers
Konzept dafür: „Die authentischen Fakten aus Porters
Leben sind wie Noten in einer Melodie zusammengefügt, um ein
wahrhaftigeres, tiefgründigeres Bild von diesem Mann, seiner
Arbeit und, was am wichtigsten ist, von seinem Herzen zeigen zu
können.“ Schon zweimal zuvor waren Winkler mit dieser
Einstellung Musikfilm-Klassiker gelungen: Martin Scorseses „New
York, New York“ über die Swing Ära und Bertrand
Taverniers „Round Midnight“, für den Dexter Gordon
für einen Oscar nominiert wurde. „De-Lovely“ ist
der große Erfolg in Amerika versagt geblieben. Aber dort entwickelte
sich ja im Gegensatz zu Rod Stewarts „Great American Songbook“
auch Robbie Williams’ Swing-Album zum Flop. Vielleicht hat
ja „Old Europe“, das der geniale Songschmied Porter
so liebte, auch in diesem Fall den besseren Geschmack.