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nmz-archiv
nmz 2004/11 | Seite 48
53. Jahrgang | November
Oper & Konzert
Pop- Amerika besinnt sich ehemaliger Künstler- Qualitäten
Live in München: Avril Lavigne, Bowling For Soup, Three
Days Grace, Hoobastank
Livemusik. Ein Wort, das trotz Rechtschreib- Desaster rigoros aus
dem neuen Duden gestrichen wurde. Live spielen geht in Deutschland
überhaupt nicht mehr. Vielleicht zum Playback eines Midi- Files
von Bohlen gatzen; das soll es dann gewesen sein. Wie so oft, denn
wir Einheitler haben keine popkulturellen Wurzeln (möchte uns
die Musik-Industrie nimmer müde verzapfen), scheint eine Puderzucker
weiche Tendenz aus Nordamerika bei uns auszuschlüpfen: Livemusik
mit kompletten Musikern. Dieses Entwicklungsstadium ist zwar zu
wenig um das Trend- Horn zu blasen, doch anbahnend genug, ein paar
Nächte in München zu verbringen und die Tendenzen unter
die Lupe zu nehmen, noch dazu, wo das Plastik- Pop Label Jive Records
(unter anderem Britney Spears) Rockbands wie „Three Days Grace“
oder „Bowling For Soup“ nach Europa schickt.
Pop-Prinzessin Avril Lavigne
geht on Tour. Foto: nmz-Archiv
Das texanische Quartett „Bowling For Soup“ darf beim
ersten Deutschland Auftritt (26. September 2004, Olympiahalle München)
im Vorprogramm der Platin schweren 20jährigen Songwriterin
Avril Lavigne ran. Sie stellen das am 15. November bei Jive erscheinende
Album „A Hangover You Don’t Deserve“ vor, ein
Spaßwerk, das sich durch Rockmusik und gnadenlos guten Chorgesängen
im Stile der Beach Boys auszeichnet. Schnell vermutet man wie bei
so vielen Spaßrockern, dass der Soundmatsch Dirigent würde,
diese Vorstellung kann man nach einem Song ad acta legen. „Bowling
For Soup“ beeindrucken mit perfektem Sound, mehrstimmigen
Satzgesängen und einer unglaublichen Instrumenten- Beherrschung,
die da lautet: lieber die Gitarre mal zurückdrehen und den
Gesang eindeutig setzen. Die Songs des Albums kommen 40 Minuten
lang knackig daher, und das wird ihnen vom Publikum sehr gedankt.
Ein kurzweiliger Auftritt mit Rock- Charme und diesem vermeintlich
selbstverständlichen nordamerikanischem Können, das in
Europa zu viele ungeschickt kopieren.
Avril Lavigne hat es keine Millisekunde schwer, die Olympiahalle
zu beherrschen. Routiniert dennoch Publikums affin spielt sie sich
durch ihr Programm, das alle Hits beinhaltet, sie allein mit der
Akustikgitarre zeigt oder ihr am Klavier sitzend neue Songschreiberinnen
Seiten entlockt. Auch hier offenbart sich eine großartig spielende
Liveband, die dazu singen kann. Ein großer Abend mit grandiosen
Musikern.
In der „Georg-Elser-Halle“ wurde es am 10. Oktober
2004 mächtig laut aber trotzdem angenehm. Die Kanadier „Three
Days Grace“ trafen die kalifornische Band „Hoobastank“:
knallharte Rockmusik, immer wieder durch beruhigende und entkrampfende
Melodienbögen unterbrochen. „Three Days Grace“,
sie veröffentlichen am 8. November ihr ebenso betiteltes Debutalbum
(Jive), beginnen ihre Deutschland Premiere ruppig aber lieb. Ihre
Instrumente werden in allen Lagen traktiert, dennoch entlocken die
Vier um Sänger Adam Gontier ihnen schönste Klänge,
die jederzeit kompetent weiter verarbeitet werden. „Three
Days Grace“ erweisen sich als die härtere Ausgabe von
Nickelback und Gitarren- Riff Erschaffer, die unanbiedernd an Heroen
wie „Soundgarden“ erinnern. Ge- und berührt jubelt
das Publikum und manch einer ist ob der Präsenz von „Three
Days Grace“ schlicht verdattert.
„Hoobastank“, gerade mit der Single- Ballade „The
Reason“ in allen Charts vertreten, legen noch einen Härtegrad
zu. Die Hauptband des Abends ist sich der Fangunst gewiss, spielt
das Album „The Reason“ fast ganzheitlich vor und auch
hier, auf Grund des Spielstärke des Quartetts fasziniert, fragt
man sich erstens, woher die das Können und zweitens, ob das
nicht doch etwas mit den Schulsystem und Vorlieben- Ausbildungen
in Nordamerika zu tun hat. So klingen Musiker. So leben Musiker.
Es darf so weiter gehen. Wenn es dem Einhalt der Plastikmusik dient,
nehmen wir gerne diese nordamerikanischen Pioniere an und hoffen
auf baldiges Ankommen der Welle in Europa.