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nmz-archiv
nmz 2004/11 | Seite 10
53. Jahrgang | November
Cluster
Ach Bach
Ein Online- und Mailorder Plattenversender aus dem Ostwestfälischen
hatte für kurze Zeit mal Aldi für Musikliebhaber gespielt.
Der komplette Bach, Johann Sebastian selbstverständlich, für
schlappe 129,90 Euro, etwa einem Zehntel des Originalpreises. Musik
auf 172 CDs, also bis zum Abwinken mit nichts als Bach-Musik drauf.
Kantaten, Passionen, Choräle, Orgelgepfeife, Tastenmusik ohne
Ende. Alles zusammen in zwei Boxen mit jeweils 30 Zentimeter Breite,
etwa 7,3 Kilogramm schwer. Das ist wie Geburtstag und Namenstag
auf einmal, eine Anschaffung fürs Leben. Gekauft! Geliefert!
Jetzt nur noch ein beherzter Griff nach irgendwo, muss schließlich
irgendwas Gescheites darauf sein, ist ja Bach. Hör an, das
Unglück ist einem doch ein treuer Gefährte. Klingen tat
was anderes als was klingen sollte. Bach wars schon, was einen da
hörend wohltemperierte, aber leider nicht die gewünschten
Partiten. „Ostwestfalen, Bach! Wir haben da ein Problem.“
Wie, wenn sich das an anderer Stelle wiederholt und man merkt das
erst in zehn Jahren, weil – bei aller Liebe zu Bach –
alles auf einmal anzuhören, das wäre nicht nur für
einen selbst sondern auch die Nachbarn einigermaßen anstrengend.
Zugegebenermaßen hat man außerdem leider auch nicht
alle Notentexte während der Schulzeit auswendig gelernt und
weiß im schlimmsten Fall gar nicht, ob da was falsch eingetütet,
gelabelt oder gesummt wurde. Und jetzt sagt die Originalhersteller-Firma
Hännsler, dieses Schnäppchen verletze angeblich Lizenzverträge
und hätte gar nicht so oder auch ohne Fehler verkauft werden
dürfen. Ist man nun auch noch ein schlimmer Verbrecher geworden?
Fünf Jahre Knast? Wenigstens hätte man dann Zeit, den
ganzen Bach durchzuhören. Doch so richtig freuen kann man sich
darüber nicht mehr.