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nmz-archiv
nmz 2004/11 | Seite 41
53. Jahrgang | November
Noten
Violinen als Abbild gesellschaftlichen Verhaltens
Zu einigen duettösen Neuerscheinungen
Rolfs bunter Geigenkasten, 6 beliebte Lieder von Rolf Zuckowski
für eine oder zwei Violinen, Arr. H.J. Rogoll, Heft 1 Sikorski
1096 – Heft 2, Sikorski 1097
Jedes Kind kennt Rolfs „Lieder, die wie Brücken sind“
oder „Wie schön, dass Du geboren bist“. So ist
es nur folgerichtig, dass diese Kinderzimmer-Hits nun auch die
Unterstufen-Geigenunterricht-Charts erstürmen. In jedem Heft
finden sich sechs zuckrige Duette. Die erste Stimme ist für
Schüler gedacht, die Begleitstimme wurde schwerer gestaltet,
sodass auch der Lehrer oder ein fortgeschrittener Schüler
ein interessantes Arrangement zum Spielen hat. Also liebe Lehrer,
am besten schon mal die Fingerfarben anrühren, der Titel
verlockt dazu, den Geigenkasten nach dem Spielen bunt anzumalen.
Fazit: duettös colorös.
Hans Gebhard-Elsass: 24 Rhythmische Duette, Goldbach-Verlag
St. Ingbert
Diese 24 Violinduette des Komponisten und Musikpädagogen
wurden in den 30ern geschrieben und bisher nur handschriftlich
verbreitet. Nun sind sie zum ersten Mal im Druck erschienen. Als
Anfangsduette in erkennbar pädagogischer Absicht für
Schüler und Lehrer komponiert, bieten sie leicht spielbare
Ergänzungsliteratur für das Spiel auf leeren Saiten
mit durchaus kompositorischem Profil. Verschiedene Rhythmen und
Bogeneinteilungen werden geübt, die Abfolge kann dabei der
individuellen Unterrichtssituation angepasst werden. Die 2. Stimme
ist nicht schwierig, da nur vereinzelt höhere Lagen benötigt
werden. Fazit: duettös graziös.
Hartmut Schmidt: Lukas-Variationen für 2 Violinen,
Tonger 3069-1
Diese modernen Duette haben wider Erwarten keinen Bezug zur
Bibel, sondern sind ein kompositorisches Denkmal für das
Enkelkind Lukas von Schmidts bestem Freund. Schmidt studierte
Komposition bei G. Wimberger und ist als Bratschist im Mozarteum
Orchester Salzburg tätig. Auffällig ist seine Vorliebe
für Akkorde, die aufgelöst und neu zusammengesetzt werden.
Einzelne aleatorische Elemente sind eingebaut, wobei immer die
spieltechnischen Möglichkeiten im Vordergrund stehen: So
beinhaltet jede der fünf Variationen bestimmte Bogeneffekte,
Stricharten, Pizzicati et cetera, die aber trotz starker melodischer
Reibungen beider Stimmen und ungewöhnlicher Intervallfolgen
– auch eine Urwaldexpedition hat ja ihre Reize – spielbar
bleiben.
Gabriel Fauré: Pleurs d´or, Transcription pour
2 Violons et Piano de Bruno Garlej, J. Hamelle & Cie Éditeurs
HA 9 709 | ebd. Tarentelle, HA 9 700 | ebd. Puisqu´ici-bas
toute âme, HA 9 707
Von Faurés Werken gibt es zahlreiche Bearbeitungen für
die verschiedensten Instrumente. Besonders hervorzuheben sind
die drei Duette für zwei Singstimmen und Klavier, die in
einer rein instrumentalen Fassung für zwei Violinen und Klavier
herausgegeben worden sind. Die Originaltonart ist erhalten geblieben,
außerdem wurde der ursprünglich gesungene Text, ebenso
wie die Artikulation und Phrasierung der Gesangspartien, mit in
den Klavierpart übernommen, was im Hinblick auf eine durchdachte
Interpretation sicher sehr hilfreich ist. Drei gelungene Transkriptionen,
um als Geiger neue Aspekte in Faurés Kompositionen zu entdecken.
Fazit: duettös charmös.
Winfried Michel: Libellum canonis-22 Violinduette op. 34,
Mieroprint EM 8000
21 Canons und Shákon für zwei Violinen als Abbild
gesellschaftlichen Verhaltens: des Nachahmens, einander Überholens,
aneinander Vorbeihandelns et cetera Kanonischer Kontrapunkt als
festgelegte Konstruktion und psychologisierende Musik. Jeder der
vier Hauptteile besteht aus drei unterschiedlichen Canons, der
jeweils vierte stellt eine Zusammenfassung der drei vorausgegangenen
dar. Als Material dienen Ganztonleitern, Zwölftonreihen,
Minimalistisches, „Zigeuner-Dur“, einmal auch Moll.
Anfangs werden gleiche Taktarten in beiden Violinstimmen verarbeitet,
später dann ungleiche Taktarten, versetzte Schwerpunkte (die
Zweierbeziehung wird zunehmend komplizierter), einige Canons sind
schließlich ganz ohne Taktbezeichnung, und zum Schluss findet
man zusammengesetzte und asymmetrische Taktarten.
Die obere Stimme, meist in der ersten Lage spielbar, geht nie
über die vierte Lage hinaus, die zweite Stimme ist schwieriger.
Eigene Texteinlagen, Pantomimisch-Tänzerisches und Lichtprojektionen
können ergänzend hinzugenommen werden. Für den
Geiger dankbar als moderne Einführung in den kanonischen
Kontrapunkt und für den Hörer spannend, auch wenn sich
einige Strukturbündelungen im Beziehungsdickicht auditiv
und visuell nicht sofort erschließen. Fazit: duettös
amourös.