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nmz-archiv
nmz 2004/12 | Seite 7
53. Jahrgang | Dez./Jan.
Magazin
Wie online darf der Rundfunk sein?
Die öffentlich-rechtlichen Sender im Visier der EU
Dem
öffentlich-rechtlichen Rundfunk bläst gehörig der
Wind entgegen. Grund sind nicht nur die Entwicklungen der einzelnen
so genannten Kulturprogramme der Sender sondern auch ihre Legitimation
in der EU. In der EU scheint man alles auf die Ermöglichung
eines fairen Wettbewerbs zu setzen. Konstruktionen aus Subventionen
oder Gebühren, so schätzt man es ein, führen zu Verzerrungen
im Wettbewerb – zum Nachteil privater Unternehmen.
Die Bandmaschinen müssen
digitaler Technik weichen. Foto: Martin Hufner
Aber gehören Aufbau und Pflege eines Online-Angebotes zur
eigentlichen Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,
darf man die dadurch entstehenden Kosten den Gebührenzahlern
aufbürden und im Gegenzug dann auch noch Computer mit Onlinemöglichkeit
gebührenpflichtig machen? Letzteres wirkt absurd, scheint aber
dennoch zur Realität zu werden. Niemand zwingt den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk zum Anbieten seiner Informationen im Internet. Das andere
bezweifelt der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation e.V.
(VPRT). Sie haben dafür auch gute Gründe gefunden. Insgesamt
4242 verschiedene Artikel kann man beispielsweise über die
diversen Shopangebote des WDR erstehen, unter anderem Musik-CDs,
Hörspiel-CDs, Münzen, Batteriesets, Netzadapter, Ferngläser,
Taschenlampen und Isolierflaschen. Gehört das wirklich zum
Bildungs-, Unterhaltungs-, Informations- und Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks? Das verneinte sogar Kulturstaatsministerin Christina
Weiss auf einer Pressekonferenz zu den Entwicklungsmöglichkeiten
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter
Anfang November: „Die Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen
Veranstalter sind werbefrei und dürfen nicht zu E-Commerce-Zwecken
genutzt werden. Ich gehe davon aus und empfehle dringend, dass diese
Beschränkungen auch tatsächlich eingehalten werden.“
Selbst unter Berücksichtigung dieser Rückrufaktion der
Kulturstaatsministerin bleibt die Frage, wie weit sich der öffentlich-rechtliche
Rundfunk über das Internet verbreiten darf. Denn auch im Bereich
der Presse- und Informationsdienste könnte man feststellen,
dass der gebührenfinanzierte Rundfunk dann nicht nur zur Konkurrenz
für private Rundfunkanstalten sondern auch für andere
Presseunternehmen wie Zeitungen und Zeitschriften wird. Zu diesem
Thema äußerte sich Kulturstaatsministerin Christina Weiss:
„Zwar sind die öffentlich-rechtlichen Anbieter nicht
die alleinigen Lordsiegelbewahrer für verlässliche und
vielfältige Informationen, aber sie müssen die Möglichkeit
der Teilhabe an den neuen Verbreitungswegen haben. Nur so können
sie ihren Kultur- und Bildungsauftrag erfüllen.“ Man
könnte zynisch einwenden, vielleicht sogar nur noch dort, wo,
wie bei NDR Kultur beispielhaft, man diesen Auftrag im Rundfunk
schon weggespart hat. Eine weitere Kritik äußerte die
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten
(KEF), denn bisher sahen sich die Anstalten offenbar nicht in der
Lage, objektivierte Daten zum Umfang ihres Online-Angebots vorzulegen.
Und es stellt sich noch eine dritte Frage. Was gehen diese Entwicklungen
die Kulturstaatsministerin eigentlich überhaupt an? Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk ist Ländersache und aus gutem Grund als staatsfern,
nicht gar als staatsfrei konstituiert. Er soll gerade von politischer
Einflussnahme befreit sein. Man weiß, dass dies eine eitle
Hoffung ist und mit der Realität nichts zu tun hat. Intendanten-
und andere Entscheidungsträgerposten werden immer noch im wesentlichen
nach Parteibuch vergeben und nur nebenbei auch nach Kompetenz. Da
wirkt der Vorwurf der Kulturstaatsministerin gegenüber der
Brüsseler Kommission beinahe wie „konkrete Poesie“:
„Es steht der Kommission nicht zu, sich über den Umweg
des Wettbewerbsrechts eine ,Kompetenz-Kompetenz’ für
den Medienbereich zu schaffen.“ Aber steht deshalb dem öffentlich-rechtlichen
Rundfunk auch das Internet zu? Der Rundfunkstaatsvertrag bestimmt
in §2 nämlich sehr eng: „Rundfunk ist die für
die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen
aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer
Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels
eines Leiters.“