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nmz-archiv
nmz 2005/02 | Seite 9
54. Jahrgang | Februar
Forum
Kultur in Deutschland keine Kür, sondern Pflicht
Offener Brief an ARD-Intendanten zur geplante Reduktion der Klangkörper
Sehr
geehrter Herr Dr. Gruber, sehr geehrter Herr Prof. Voß, am
29. September wurde die neue Landesvertretung des Freistaates Bayern
in Brüssel feierlich eröffnet. Dieser Abend wurde von
einem großartigen Beitrag des Münchner Rundfunkorchesters
musikalisch begleitet. Noch am selben Abend erfuhren die Musiker
von der geplanten Auflösung des Orchesters.
Sicherlich ist es nicht Aufgabe des Deutschen Bundestages, sich
in unmittelbare Entscheidungen Ihrer Häuser einzumischen. Als
Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Fraktion in der Enquete-Kommission „Kultur
in Deutschland“ des Deutschen Bundestages ist es allerdings
auch unsere Pflicht, uns der langfristigen kulturpolitischen Fragen
und Entwicklungen des Kulturstandortes Deutschland anzunehmen. Hierzu
gehört zweifelsohne das einzigartige Kulturnetzwerk der ARD-Klangkörper.
Mit der Errichtung der föderalen Rundfunkstruktur nach dem
Krieg fiel ihnen ein wichtiger Programmauftrag zu. Sie standen für
einen kulturellen Neuanfang in der Nachkriegszeit, sorgten mit ihrer
Musik gleichzeitig für anspruchsvolle Unterhaltung und gaben
Deutschland ein positives Ansehen als Land der Musik zurück.
Nach Aussagen Ihrer eigenen Redakteure sind Ihre Mitarbeiter auch
heute noch stolz darauf, dass etwa das Münchner Rundfunkorchester
„das Programm Bayern 4 Klassik maßgeblich prägt“.
Auch das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart und die SWR-Sinfonieorchester
in Baden-Baden, Freiburg und Kaiserslautern tragen den guten Namen
deutscher Kulturorchester regelmäßig in alle Welt.
Die Unterzeichner dieses Briefes möchten Sie daher bitten,
für den Erhalt dieser laut Ihrer eigenen Aussage „erstaunlichen“
Orchester mit ihren 71 beziehungsweise 44 Musikern einzutreten.
Das Argument, es müssten drastische Einschnitte im Kulturprogramm
der Sender vorgenommen werden, da die Rundfunkgebühren entgegen
einer Empfehlung der KEF statt um 1,09 Euro lediglich um 88 Cent
angehoben werden sollen, halten wir nicht für stichhaltig.
Es sind gerade die kulturellen, hintergründigen und nicht dem
Quotendruck ausgelieferten Medieninhalte, die das gebührenfinanzierte
System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausmachen.
Die ARD gibt für ihre zwölf Orchester, fünf Chöre
und vier Big Bands rund 155 Millionen Euro aus. Die Kosten liegen
bei circa 36 Cent pro Gebührenzahler, was rund 2 Prozent der
Rundfunkgebühr entspricht. Dank der langen Tradition und des
großen Potentials der Klangkörper ist das nicht zu viel.
Wir wissen genau wie Sie, dass angesichts der Finanzlage in den
öffentlichen Haushalten kein Bereich von Einsparungen ausgeschlossen
werden kann. Auch wir haben trotz massiven Drucks etwa seitens des
Deutschen Bühnenvereins mit unserer Gutachtenvergabe zur Reform
der Theater- und Orchestertarife Einschränkungen gefordert
und uns damit unbeliebt gemacht. Doch wir wollen diese Strukturveränderungen
vor allem deshalb vornehmen, weil wir die Klangkörper erhalten
wollen.
Machen Sie Programm mit Ihren Klangkörpern, ihnen gebührt
ein Platz im Hauptprogramm. Die Rundfunkorchester haben in den Ursprüngen
des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems das hohe Niveau
der Sender geprägt, für welches sie bis heute unverwechselbar
waren. Bitte tragen Sie durch den Erhalt des Münchner Rundfunkorchesters
und des SWR-Rundfunkorchesters dazu bei, ein Signal gegen eine Welle
von Orchesterschließungen zu setzten und pflegen Sie zusammen
mit uns den „Exportschlager“ Deutsche Rundfunkorchester.
AG Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“
der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag: Günter Nooke MdB
(Sprecher), Gitta Connemann MdB, Matthias Sehling MdB, Christian
Freiherr von Stetten MdB, Dr. Johannes B. Zehetmair, Dr. Nike Wagner,
Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg, Heinz-Rudolf Kunze