[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2005/03 | Seite 30
54. Jahrgang | März
DTKV Bayern
Eine unterprivilegierte Gruppe
Lehrbeauftragte an Hochschulen für Musik
Lehrbeauftragte an Hochschulen
Die Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland (Universitäten,
Kunsthochschulen, Fachhochschulen) stellen das nach den Studien-
und Prüfungsordnungen erforderliche Lehrangebot im Wesentlichen
durch hauptamtliche Lehrkräfte (Professoren, Angehörige
des so genannten Mittelbaus, wissenschaftliche und künstlerische
Mitarbeiter et cetera) sicher. In den nicht zum Kernbereich gehörenden
Lehrangeboten werden oftmals Personen aus der Praxis herangezogen,
die ihre Haupttätigkeit und damit auch ihr finanzielles Auskommen
im Beruf haben, die jedoch – nicht primär aus finanziellen
Gründen – ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in die
Hochschule einbringen. Hierfür stellt der Staat begrenzte Mittel
zur Verfügung, aus denen die Personen eine bescheidene Nebenvergütung
erhalten. Für die Universitäten hat die Kultusministerkonferenz
eine (inzwischen gekündigte) Empfehlung erlassen, die generell
Aufgaben und Vergütungen der Lehrbeauftragten regelt. Daran
orientieren sich die Rechtsvorschriften der einzelnen Länder
für ihre Hochschulen.
Lehrbeauftragte an Hochschulen für Musik
In diese Empfehlung nicht einbezogen sind die Hochschulen für
Musik, da die Entwicklung hier in den letzten Jahrzehnten anders
als an den wissenschaftlichen Hochschulen verlaufen ist. Im Musikhochschulbereich
wird nicht lediglich ein untergeordneter, ergänzender Teil
des Lehrangebots, sondern ein wesentlicher Teil des verpflichtenden
Angebots in zentralen Fächern von Lehrbeauftragten erbracht.
Die Lehrbeauftragten sind zum Teil mit den gleichen Aufgaben betraut
wie hauptamtliche Professoren oder hauptberuflich Beschäftigte
des Mittelbaus, sie erteilen unter anderem Unterricht in Hauptfächern.
Wenn zum Beispiel in Harfe, Saxophon, Gitarre, Laute, um nur einige
Fächer zu nennen, ein geringer Lehrbedarf anfällt, der
unter dem Lehrdeputat eines hauptberuflich Tätigen liegt, so
wäre es nicht vertretbar, eine volle Stelle bereitzustellen
und einen Teil des Lehrdeputats nicht zu nutzen. Hier wird oftmals
eine in der Praxis tätige Person als Lehrbeauftragter mit der
benötigten Stundenzahl verpflichtet.
Lehrbeauftragte halten den Betrieb am Laufen
Nachdem seit Ende der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts
kaum noch neue Stellen für Musikhochschulen geschaffen wurden,
haben diese im Hinblick auf ständig wachsende Anforderungen
an die Qualität der Ausbildung einen immer größer
werdenden Teil des Lehrangebots auf Lehrbeauftragte übertragen.
Da die Vergütung für eine Lehrauftragsstunde circa ein
Drittel der Vergütung aus einer entsprechenden BAT-Stelle beträgt,
konnten auf diese Weise die Personalkosten verhältnismäßig
niedrig gehalten werden. Die Hochschulen versuchten zeitweise, den
Lehrbeauftragten eine Stundenzahl zu übertragen, die sich der
einer hauptberuflichen Tätigkeit annähert. Damit Lehrbeauftragte
keinen Rechtsanspruch auf eine hauptberufliche Stelle erwarben,
wurden die Hochschulen von den zuständigen Wissenschafts-/Kultusverwaltungen
angewiesen, Lehraufträge lediglich einen Stundenumfang zu übertragen,
der unter der Hälfte einer entsprechenden hauptberuflichen
Lehrkraft liegt. In Ausnutzung dieses Spielraums haben Lehrbeauftragte
an Musikhochschulen im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Hochschulen
zum Teil eine verhältnismäßig hohe Stundenverpflichtung.
Da sie in zentralen Fächern unterrichten, wird der Lehrauftrag
oftmals von Jahr zu Jahr verlängert, da nur so das Pflichtangebot
sichergestellt werden kann. Folge dieser Entwicklung ist, dass an
Musikhochschulen – und das gilt für die gesamte Bundesrepublik
Deutschland- 45 bis 50 Prozent des Lehrangebots von Lehrbeauftragten
erbracht wird, eine Situation, die sich grundlegend von den wissenschaftlichen
Hochschulen unterscheidet. An den Musikhochschulen befindet sich
wegen der faktischen Langzeit- Lehraufträge und der hohen Stundenzahl
ein verhältnismäßig großer Anteil von Lehrbeauftragten,
bei denen die Lehrauftragsvergütung den Hauptteil ihrer Einkünfte
bildet, das heißt die im Wesentlichen davon leben müssen.
Empfehlung der Kultus-Ministerkonferenz
Die Sonderstellung der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen ist
den Verantwortlichen seit langem bekannt. So wurde auf Initiative
der Kultusministerkonferenz in die entsprechende Regelung des Hochschulrahmengesetzes
die Klausel aufgenommen, wonach an Kunsthochschulen Lehraufträge
nicht lediglich zur Ergänzung, sondern auch zur Sicherstellung
des Lehrangebots erteilt werden können (Art. 55 Satz 2 HRG).
Eine entsprechende Regelung enthält auch in das Bayerische
Hochschullehrergesetz (Art. 34 Satz 2 HSchLG). Damit hat der Gesetzgeber
zum Ausdruck gebracht, dass die Aufgabe der Lehrbeauftragten an
Kunsthochschulen (hier speziell an Musikhochschulen) zum Teil eine
andere ist als an wissenschaftlichen Hochschulen.
Die Kultusministerkonferenz hatte seinerzeit in Kenntnis der unterschiedlichen
Situation in ihre Empfehlung über Lehrauftrags- und Lehrvergütungsregelungen
für den Bereich der Universitäten die Kunsthochschulen
nicht mit aufgenommen. Eine entsprechende Empfehlung für die
Kunsthochschulen ist in den zuständigen Gremien der Kultusministerkonferenz
in den 80er- und 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts zwar vielfach
beraten worden, wegen der unterschiedlichen Handhabung in den einzelnen
Ländern jedoch nie zustande gekommen. In Bayern hat sich der
Bayerische Landtag nicht nur bei Abfassung der entsprechenden Regelung
des Bayerischen Hochschullehrergesetzes, sondern auch auf Grund
von Eingaben von Betroffenen und Anträgen von Abgeordneten
der verschiedenen Fraktionen wiederholt mit der Situation der Lehrbeauftragten
an bayerischen Musikhochschulen befasst. Im Jahre 1990 hat der Landtag
einen Beschluss gefasst, worin die Staatsregierung ersucht wurde,
für Lehrbeauftragte, die eine hohe Lehrverpflichtung über
einen langen Zeitraum wahrnehmen und die primär von der Lehrauftragsvergütung
leben müssen, Teilzeitstellen zu schaffen.
Entsprechende Stellen wurden vom Wissenschaftsministerium zu den
nachfolgenden Staatshaushalten immer wieder angemeldet, ließen
sich aber nicht durchsetzen.
Die gegenwärtige Situation von Lehrbeauftragten an bayerischen
Musikhochschulen stellt sich wie folgt dar:
Die Vergütung der Lehrbeauftragten liegt entsprechend der
Vorbildung und den wahrgenommenen Aufgaben bei 24,50/ 27,50 und
36 Euro pro Stunde (in der Regel 60 Minuten). Dieser Satz wurde
seit 1992 nicht mehr angehoben. Demgegenüber stiegen die Löhne
im öffentlichen Dienst im gleichen Zeitraum um circa 30 Prozent.
Hier wäre eine deutliche Anhebung der Vergütungssätze
dringend erforderlich. Gleichzeitig müssten die Sätze
dynamisiert, das heißt der allgemeinen Gehaltsentwicklung
angepasst werden. Vergleichbare nebenberufliche Lehrkräfte
im Schulbereich erhalten in der Regel einen BAT-Vertrag und eine
zwei- bis dreimal höhere Vergütung. Die sich aus der unterschiedlichen
Behandlung von Schul- und Hochschulbereich ergebenden Probleme zeigen
sich besonders bei der Überführung der zum beruflichen
Schulbereich gehörenden bayerischen Konservatorien in den Hochschulbereich.
Nebenberufliche Lehrkräfte, die gleiche Aufgaben wahrnehmen,
erhalten je nach Herkunft aus dem Schul-(BAT-Vergütung) oder
Hochschulbereich (wesentlich niedrigere Lehrauftragsvergütung
) eine völlig unterschiedliche Vergütung. Es wäre
billig und gerecht, die Lehrbeauftragten an Musikhochschulen entsprechend
den nebenberuflichen Lehrkräften im Schulbereich in Anlehnung
an den BAT zu vergüten . Die Vergütung sollte in den kommenden
Staatshaushalten schrittweise so angehoben werden, dass mittelfristig
eine gleiche Honorierung gewährleistet ist. Demgegenüber
könnte eingewandt werden, dass an Musikhochschulen eine größere
Anzahl von Lehrbeauftragten unterrichtet, deren Haupttätigkeit
in einem Orchester liegt oder die sonst in ihrem Hauptberuf finanziell
gut abgesichert sind. Auch diese Lehrbeauftragten, die wegen ihrer
Praxiskenntnisse und Erfahrungen für die Hochschule unverzichtbar
sind, können in der Regel nur dann gewonnen werden, wenn für
sie eine angemessene Vergütung bereitgestellt wird.
Lösungsvorschläge für Lehrbeauftragte
Darüber hinaus sollten entsprechend dem seinerzeitigen Votum
des Bayerischen Landtags für einen Teil der Lehrbeauftragten,
die seit Jahren eine hohe Lehrverpflichtung wahrnehmen, und die
im Wesentlichen von den Lehrauftragsvergütungen leben müssen,
Teilzeitstellen bereitgestellt werden. Diese können allerdings
nicht kostenneutral aus vorhandenen Lehrauftragsmitteln geschaffen
werden, da Planstellen einschließlich der Versorgungslasten
sehr viel teuer als ein gleiches Kontingent von Lehrauftragsstunden
sind. Außerdem wird der Staat in der derzeitigen Finanzsituation
und angesichts der wachsenden Personallasten kaum bereit sein, neue
Stellen zu schaffen. Die Hochschulen ihrerseits sollten deshalb
überprüfen, ob sie frei werdende Stellen in Form von Teilzeitstellen
an ihre Lehrbeauftragten vergeben.
Kurzfristig sollten die Rahmenbedingungen für Lehrbeauftragte
an bayerischen Musikhochschulen (Vergütung bei nachgewiesener
Erkrankung des Lehrbeauftragten, bei Nichterscheinen von Studenten,
Fahrtkostenersatz, flexiblere Einstufung von Lehrbeauftragten in
die unterschiedlichen Vergütungsstufen u.a) angepasst werden.
Langfristig wird zu überlegen sein, ob angesichts der dargelegten
Situation der Status der Lehrbeauftragten an den Musikhochschulen
in der jetzigen Form haltbar ist und ob künftig Änderungen
der rechtlichen Stellung erforderlich sind. Für derartige Änderungen
gibt es keine Patentlösungen. Einerseits muss den Musikhochschulen
die Möglichkeit verbleiben, auf ein sich veränderndes
Lehrangebot zu reagieren. Zum anderen muss jedoch den berechtigten
Anliegen der großen Gruppe der Lehrbeauftragten Rechnung getragen
werden. Hier sind kreative Lösungen gefragt.
Der Landesverband Bayerischer Tonkünstler, dem über
die Regionalverbände zahlreiche Lehrbeauftragte angehören,
ist auf Grund von Bitten der Betroffenen bereit, die Anliegen der
Lehrbeauftragten zu vertreten. Es erscheint zunächst notwendig,
die Öffentlichkeit und die Verantwortlichen auf die Missstände
hinzuweisen und Überlegungen für kurz-, mittel- und langfristig
anzustrebende Lösungen anzustellen. Der Landesverband Bayerischer
Tonkünstler wird beim Deutschen Tonkünstlerverband anregen,
sich dieses Problems, dass sich in anderen Ländern vergleichbar
stellt, auch auf Bundesebene anzunehmen. Der Landesverband würde
es begrüßen, wenn durch vorstehende Ausführungen
eine Diskussion in Gang käme, die eine Problemlösung voran
brächte.