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nmz-archiv
nmz 2005/03 | Seite 26
54. Jahrgang | März
Jeunesses Musicales Deutschland
Laien und Profis in einem Orchester
Die DOV und die JMD kooperieren erfolgreich
Mit der Einführung der Orchesterpatenschaften haben DOV und
JMD eine Basis zur Zusammenarbeit zwischen Profi- und Laienorchestern
geschaffen, die erste hoffnungsvolle Früchte trägt. In
der Praxis gab es aber bereits vorher einzelne Ansätze in ähnlicher
Richtung. Ein Beispiel hierfür ist die „norddeutsche
sinfonietta“ aus Rendsburg, ein Mitgliedsorchester der JMD
unter der Leitung von Christian Gayed, in dem Profis und Laien an
einem Pult spielen.
Wenn man sich dem Probenort der „norddeutschen sinfonietta“
nähert, zeigt sich zunächst ein ganz gewöhnliches
Bild wie bei fast jedem Laienorchester: Der Dirigent kommt mit einem
Kleinbus vorgefahren, schleppt Saft- und Mineralwasserkästen,
die Musiker nahen aus allen Himmelsrichtungen, gemessenen Schrittes,
überzeugt vom eigenen Tun, aber insgeheim auch ein wenig neidisch
auf alle diejenigen, die jetzt einen freien Nachmittag haben.
Auch im Saal das übliche Bild, einige wenige bauen auf, der
Rest trifft nach und nach ein. Als sich dann allmählich die
Streicherpulte sortieren, man sich ein bisschen warm spielt, fallen
dann doch Unterschiede auf: Erstens bemerkt man deutliche Altersunterschiede
an den Pulten, zweitens erkennt man, dass hochvirtuose Tonleiterpassagen
eines Pultpartners von eher etwas schüchternen Tonfolgen des
anderen begleitet werden. Dieser Eindruck verfestigt sich denn auch
bei Probenbeginn, Unterschiede in der Souveränität von
Artikulation und Bogenführung sind bei den Streichern nicht
zu übersehen, die musikalischen Anweisungen des Dirigenten
werden von den Stimmführern in technische Lösungen übersetzt
und von den Jüngeren bereitwillig übernommen.
Insgesamt herrscht eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre,
die wohl auch deshalb etwas angespannt wirkt, weil der Solist sich
unvorhergesehener Weise verspätet hat. Hinzu kommt, dass die
verbleibende Probenzeit äußerst knapp ist, da am Abend
bereits das erste Konzert stattfinden soll. Immerhin stehen im Rahmen
des Projektes „Le Sax“ mit Darius Milhauds „La
Création du Monde“, dem Saxophonkonzert „The
Year“ von Bernd Frank und Bizets erster „L’Arlésienne“-Suite
keine ganz leichten Werke auf dem Programm. So bleibt wenig Zeit
für humoristische Einlagen und entspannte Probenführung.
Es ist ein spannendes Projekt, das sich um den Dirigenten Christian
Gayed kristallisiert und dessen Schirmherrschaft die Kultusministerin
des Landes Schleswig-Holstein, Ute Erdsiek-Rave übernommen
hat. Hintergründe, Perspektiven und Probleme hat Klaus Volker
Mader vom Landesverband Schleswig-Holstein der JMD im nachfolgenden
Interview mit dem Dirigenten erfragt.
Klaus Volker Mader: Herr Gayed, seit dem Jahr 2000 gibt
es die „norddeutsche sinfonietta“, wie kam es zu dieser
Gründung?
Christian Gayed: Im Gespräch mit Kollegen kristallisierte
sich die Erkenntnis heraus, dass es zwar jede Menge guter solistischer
Ausbildungsmöglichkeiten für junge Musiker gibt, dass
aber vergleichbare pädagogische Angebote trotz vieler hervorragender
Jugendorchester im Orchesterbereich fehlen. Die Verklammerung von
pädagogischen Inhalten und Orchesterpraxis war mir persönlich
besonders wichtig. Die Situation, dass mitspielende Profis als Orientierungspunkt
dienen und dadurch die Jugendlichen „mitziehen“, kann
meiner Meinung nach auch ein Ensemble wie das Landesjugendorchester
nicht ersetzen. Hinzu kommt die überschaubare Größe
eines Kammerorchesters, die eine besondere Präsenz von jedem
fordert.
Mader: Laien und Profis in einem Ensemble, wie geht das
auf Dauer? Machen die Profis das umsonst? Gibt es Aufwandsentschädigungen?
Gayed: Es gibt für die Berufsmusiker Aufwandsentschädigungen,
die wir versuchen durch Eintrittsgelder bei den Konzerten, Spenden
und Sponsorenmittel wieder hineinzubekommen. Diese bewegen sich
allerdings auf einem fast unzulässig niedrigen Niveau. Für
die Schüler versuchen wir die Probenphasen kostenfrei zu halten
und wenn möglich die Fahrkosten zu erstatten. Auf der künstlerischen
Seite bleibt das Ganze ein Spagat. Die Profis müssen ein, zwei
oder drei Gänge zurückschalten und beispielsweise Bogenstriche
unter ganz anderen Kriterien diskutieren, als sie das von ihren
Berufsorchestern gewohnt sind. Auf der anderen Seite stehen natürlich
auch die Schüler unter einem gewissen Druck, wenn sie mit den
Profis an einem Pult spielen. Es ist das Interessante unserer Aufgabe,
diese Spannung in eine möglichst homogene Leistung umzuwandeln
und für beide Seiten fruchtbar zu machen.
Mader: Haben Sie eine ständig gleiche Besetzung
oder einen Pool von Musikern, aus denen Sie je nach Projekt ein
Ensemble zusammenstellen?
Gayed: Das Zweite ist der Fall. Leider muss man vielleicht
sagen, da wir natürlich als Orchester gerne noch mehr zusammenwachsen
würden. Das Problem liegt zum Teil daran, dass die Profis natürlich
von ihrer Arbeit leben müssen und deshalb nicht immer zur Verfügung
stehen. Bei den Schülern haben wir eine natürliche Fluktuation,
da viele natürlich mit dem Studienbeginn einen Ortswechsel
vornehmen. Insgesamt haben wir aber mittlerweile auf beiden Seiten
einen umfangreichen und zuverlässigen Pool von Mitwirkenden.
Mader: Wie verwaltet sich das Orchester? Wer macht die
Organisation, wer sucht die Programme aus, wie wählen Sie
neue Mitglieder aus?
Gayed: Für Schüler veranstalten wir einmal im
Jahr ein Probespiel. Die Profis und die Programme suche ich bisher
aus, es sind aber in Zukunft auch Probenphasen mit Gastdirigenten
sowie jährlich eine Konzertreise geplant.
Mader: Haben Sie Besetzungssorgen oder finden Sie stets
genug geeignete Bewerber?
Gayed: (Lacht!) Was heißt schon geeignet? Und was
heißt schon Sorgen? Es geht natürlich nie alles glatt
bis dahin, dass wir in Einzelfällen sogar Absagen während
der Probenphasen bekommen. Ich vermute und hoffe, dass sich in dem
Maße, wie sich dieses Modell herumspricht und als hochwertig
herausstellt, wir solche Probleme nicht mehr haben. Es hat sich
bisher immer alles zum Guten gelöst, aber es bleibt jedes Mal
bis zum Schluss spannend.
Mader: Wo proben Sie und wie meistern Sie die organisatorischen
Probleme während Ihrer Probenphasen wie zum Beispiel Catering?
Gayed: Catering haben wir keines, es sei denn ich bringe
zum obligatorischen Kaffee auch mal Kekse oder Kuchen mit, ansonsten
haben wir Selbstversorgung. Proben tun wir normalerweise in der
Musikschule Rendsburg, die Unterbringung erfolgt privat bei ortsansässigen
Musikern.
Mader: Wie bereiten Sie ein Projekt vor, wie viele Proben
hatten Sie zum Beispiel für Ihr Projekt „Le Sax“
in welchem Zeitraum?
Gayed: Wir hatten zunächst ein Probenwochenende, das
wir mit einer öffentlichen Generalprobe abgeschlossen haben.
Zwei Wochen später haben wir uns dann am Freitagnachmittag
zu einer Wiederaufnahmeprobe getroffen und hatten dann Freitag,
Samstag und Sonntag Konzerte. Diese Arbeitsphase war damit extrem
kurz, normalerweise haben wir doch etwas mehr Probenzeit, in der
Regel sind es immer drei bis vier Tage.
Mader: Abschließend, was sind Ihre zukünftigen
Pläne, was wäre Ihr größter Wunsch?
Gayed: (Lacht!) Gute Frage, nächste Frage! Nächstes
Jahr steht unser fünfter Geburtstag an.
Abgesehen davon, dass wir das erwähnte Gastdirigentenprojekt
durchführen wollen, haben wir ein Programm „Krieg &
Frieden – 60 Jahre Kriegsende“ mit Werken von K. A.
Hartmann und A. Honegger geplant, und verfolgen damit erstmals auch
ein politisches Thema. Uns selbst wollen wir mit einem spanischen
Programm feiern. Ansonsten wünsche ich mir natürlich,
dass die Sache sich weiter stabilisiert und dass das Modell weiter
auch nach außen getragen wird und möglichst auch engagierte
Nachahmer findet. Wichtig wäre natürlich auch, dass sich
die finanzielle Situation weiter stabilisiert.
Mader: Herr Gayed, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!