[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2005/03 | Seite 24
54. Jahrgang | März
Musikvermittlung
Klangerzeugung mit vollem Körpereinsatz
Body Sounds – eine stringent durchinszenierte Bühnenshow
für jedes Alter
Musikpädagogische Fachzeitschriften, denen die Verbreitung
von praxiserprobten Unterrichtsmaterialien am Herzen liegt, demonstrieren
es mitunter schon fast gebetsmühlenartig von Ausgabe zu Ausgabe:
Ein Musizieren mit Körperklängen ist in Schule und Musikschule
nach wie vor en vogue – und das nicht erst, seitdem die Gruppe
Stomp aus New York auch in Europa Einzug gehalten hat. Das Erfinden
und Produzieren vielfältiger Klänge ganz ohne Instrumente
auf der Basis des Patschens, Klatschens, Schnipsens und Stampfens
bezeichnete Carl Orff seinerzeit als Musizieren mit Klanggesten.
Was von Orff für die Arbeit mit musikalisch wenig vorgebildeten
Menschen oft als Einstiegsübung gedacht war, hat sich im Laufe
der Zeit zu einer eigenständigen Kunstsparte im Kanon musikalisch
künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt. Bis
zum heutigen Tag wurde das Repertoire an Körperklängen
um zahlreiche neue Klangeffekte erweitert und die etwas veraltert
anmutenden Begrifflichkeiten wurden ins Neudeutsche mit Body- und
Mouthpercussion beziehungsweise Vocalsounds übersetzt oder
übergeordnet als Bodypercussion bezeichnet.
Body Sounds
Body Sounds können
von allen Altersgruppen erzeugt werden… Foto: BS
Der Wunsch, allein mit der Stimme und den Ausdrucksmöglichkeiten
des Körpers Geräusche, Klänge und Harmonien zu produzieren,
verhalf dem sechsköpfigen Ensemble Body Sounds aus Potsdam
zu seinem Namen. Als „Ursprungswurzel“ bezeichnet Musikpädagogikprofessor
Werner Beidinger das Institut für Musikpädagogik der Universität
Potsdam. Zweien seiner Absolventinnen war es im Jahre 2002 ein besonderes
Anliegen, das im Studium Erlernte und Erworbene nicht ausschließlich
der eigenen Unterrichtspraxis zugute kommen zu lassen, sondern die
eigenen musikalischen Ausdrucksmedien auch über das Leben an
der Uni hinaus weiter zu professionalisieren und vor Publikum auf
die Bühne zu bringen. Heute besteht das Ensemble Body Sounds
aus drei Frauen und drei Männern mit unterschiedlichen Stimmlagen.
Alle sind beruflich in Schule, Musikschule, Musikhochschule oder
im freien Beruf als Musiker/-innen tätig und haben ihr Engagement
für das Ensemble zum gemeinsamen Hobby erklärt. Im Laufe
der Zeit ist ihnen die Inszenierung einer außergewöhnlichen
Gesangs- und Percussion-Show gelungen, die durch perfektes Timing,
ein großes Spektrum an Klangfarben sowie durch eine gehörige
Portion Spielfreude und Spontaneität besticht. Das Programm
ist stringent durchinszeniert und zieht die Zuhörenden mitunter
so in den Bann, dass sie sich bis zum Schlussakkord gar nicht zu
applaudieren trauen.
Von A wie Altenglisch bis Z wie Zulu
Auf der Suche nach künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten
mit Stimme und Körper entwickelt die Gruppe A-Capella-Arrangements
und Percussion-Stücke voller überraschender Soundeffekte.
Ihre Literaturauswahl bezeichnen die Body Soundler selber im positiven
Sinne als beliebig in Form von „alles ist möglich“.
Die von ihnen präsentierte Musik lebt von einer großen
Vielfalt in der Stückauswahl und den ständigen Wechseln
von Vokalem und Perkussivem. Vom altenglischen Madrigal bis zum
Zulugesang aus Südafrika durchlebt das Auditorium ein riesiges
Spektrum an Stimmungen, welches mitunter durch die sensible Einbettung
der Stücke in kleine Spielszenen verstärkt wird. Architektonisch
ist das Programm so gebaut, dass alle Stücke durch einen großen
musikalischen Spannungsbogen gestalterisch miteinander verknüpft
sind. Die Herangehensweisen an die verschiedenen Musiken sind stets
ähnlich, in den jeweiligen Charakteren jedoch völlig unterschiedlich,
und so entstehen reizvolle Kontraste von innig bis furios. Jeder
einzelne Programmpunkt lebt mehr von seinem ureigenen Ausdruck als
von technischer Virtuosität, das Gesamtszenario wirkt dann
wiederum durchaus virtuos. Auch wenn von der Idee her die sechs
Körper allein für den Sound sorgen sollen, sind kleine
Ausnahmen in Form klangvoller Requisiten erlaubt: Mit Sticks lässt
sich auf Tischen rhythmisch besonders präzise musizieren, ein
feines Rascheln von Servietten sorgt einen Moment lang für
erhöhte Aufmerksamkeit und auch ein perfekt performtes Abstellen
von Stühlen sowie ein zwischenzeitlich barfüßiges
Musizieren erweitern das Klangspektrum um neue Facetten und sorgen
bei Jung und Alt immer wieder für neue Faszination.
Body Sounds für jedes Alter
Was Erwachsene meist bis zur Sprachlosigkeit beeindruckt, muss
auch Kinder ins Staunen versetzen, dachten sich die sechs Body Sound-Mitglieder
und konzipierten ein neues Konzertprogramm für Kinder und Familien,
das jüngst in der Bremer Glocke seine Premiere feierte. Mit
großem Erfolg, denn das, was Kinder im Konzert besonders gerne
mögen, ist eine gelungene Mischung aus Momenten zum Zuhören
und Mitmachen verbunden mit dem Gefühl, selber in das musikalisch-künstlerische
Geschehen einbezogen zu werden. Beim neuen Body Sound Konzert für
Kinder entsteht für das junge Publikum für kurze Momente
der Eindruck, dass es zum gleichberechtigten musizierenden Partner
wird, weil es musikalisch mit ähnlichen Ausdrucksmitteln agieren
darf wie auch die Künstler auf der Bühne. Mitmach- und
Mitspielaktionen sind allseits nicht nur beliebt, sondern für
die Förderung der kindlichen Wahrnehmung im Konzert nahezu
evident, und das ist bei einer Veranstaltung, in dem allein die
Körper und Stimmen regieren, sicherlich so unmittelbar möglich
wie andernorts eher selten. Auch bei sinfonischer Musik freut sich
ein Publikum in der Regel darüber, selbst eine eigene Stimme
in Form eines kleinen Patterns mit Bodypercussion musizieren zu
dürfen. Erfahrungsgemäß besteht bei Konzerten für
Kinder mitunter dennoch die Gefahr, dass diese Mitmachmomente pädagogisch
„aufgesetzt“ wirken und den musikalischen Verlauf auf
der Bühne durch zu lautes Klatschen und wenig sensibles Stampfen
eher bremsen als unterstützen. Nur ein professioneller Umgang
mit diesen körperbezogenen Ausdrucksmitteln weiß dieses
zu verhindern, denn ein bühnenreifes Musizieren mit Körper-
und Stimmklängen will ebenso gelernt sein wie auch jede andere
Art von Instrumentalspiel.
Dass diese besondere Begabung
nur wenigen Menschen vorbehalten bleibt, versteht sich von selbst.
Die Übergänge sind jedoch fließend und die Idee,
mit einem jungen Publikum ein Mitspielstück mit Klanggesten
als Begleitstimme zu einem Instrumentalstück zu musizieren,
hat sich mittlerweile in zahlreichen Konzerten für Kinder durchgesetzt.
Elemente der Musiklehre wie das Mitvollziehen prägnanter Rhythmen,
einzelner Stimmeinsätze, besonderer Melodieverläufe et
cetera wird für Kinder durch den Einsatz von Klanggesten besonders
plastisch und praktisch gut umsetzbar. Um ein plumpes Klatschen
auf den Zählzeiten eins und drei um jeden Preis zu verhindern,
heißt es für die Anleitenden bei der Konzeption dieser
Stücke in erster Linie darauf zu achten, dass die Körperklänge
in ihren Klangfarben möglichst gut mit den Originalstimmen
des Stückes korrespondieren.
Das Musizieren mit Body Sounds will gelernt sein
Allen sechs Mitgliedern des Ensembles Body Sounds ist es ein besonderes
Anliegen, ihre Arbeit mit Stimm- und Körperklängen auch
an andere Interessierte weiterzugeben. In Fortbildungen und Workshops
vermitteln sie Musik- und Instrumentallehrkräften, Orchestermusikern,
Musikstudierenden et cetera ein Grundrepertoire an Vocal- und Bodysounds
für die eigene Unterrichts- und Konzertpraxis. Und wer dabei
lediglich an einfaches Fingerschnipsen und rhythmisches Fußstampfen
denkt, hat Body Sounds noch nicht in Aktion erlebt…