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nmz-archiv
nmz 2005/03 | Seite 12
54. Jahrgang | März
Nachschlag
Ein Komplize
Erfreulich ist es, dass man den marktwirtschaftlichen Ökonomieprinzipstönern,
die immer behaupten, dies und das sei eben nicht zu machen wegen
nicht zu finanzieren, manchmal Gegenbeispiele vor die Nase halten
kann. Das tut gut, denn wir wollen ja auch nicht das Unbezahlbare,
sondern das Machbare, das sich zugleich nicht verbiegen lässt,
Charakter zeigt, Eigenart wahrt. Am 24. Januar wurde dem Produzenten
des Labels ECM Manfred Eicher der Kulturelle Ehrenpreis der Landeshauptstadt
München 2004 verliehen. Und hier hat man eine schöne Wahl
getroffen. Nicht, dass jeder mit Eichers Platten- und Musikästhetik
einverstanden sein muss! Anerkennen aber sollte jeder, dass hier
mit Unerschütterlichkeit und innerer Konsequenz ein Weg beschritten
wurde und wird, der das innere Potenzial Eichers, seine Visionen,
seine Träume in die Tat umsetzt. Er ist einer, der hier keine
Abstriche machte, der nicht auf den Markt und seine ohnehin oft
fragwürdig windigen Analysen schielte, sondern der einen Weg
ging, den er aus seiner musikalischen Überzeugung heraus für
den richtigen erachtete. Und das Schöne: das Unternehmen wurde
auch ein finanzieller Erfolg! Wobei man sich immer fragen kann,
was finanzieller Erfolg heißt. Ist es der kapitalistische
der Profitratenmaximierung, oder ist es nicht auch der, der den
Unternehmenden Mensch sein lässt, ihm seine Träume belässt
und der die Produktion trägt.
Diesen Weg beschreitend hat Eicher eine ganz eigenständige
Reproduktionsästhetik geprägt. Er rettete die durchs technische
Medium verloren zu gehen drohende Aura in dieses zurück. Seine
CDs sind nicht einfach Dokumententräger, sie sind Kommunikationspartner,
suchen Nähe zum Hörer, machen Vorschläge, wie musikalische
Abläufe sich gegenseitig befruchtend gehört werden können.
Und auch die Musik selbst, die Eicher bevorzugt, blickt immer ins
Weite und Stille hinein: nicht mit plärrender High-Tech-Klanglichkeit,
sondern mit keineswegs weniger aufwändiger sensibler Raumstrukturierung,
mit atmosphärischer Grundierung. Nicht der Sound ist hierbei
Prinzip, sondern das individuelle Wechselspiel des Klangs zum Werk,
zur Ideenwelt des Komponisten oder des improvisierenden Musikers.
Und Eicher hatte immer wieder ein genaues Gespür für synergetische
Wirkungen, für die Konfrontation von Alt und Neu, von Jazz
und klassischer Musik. Hier stellten sich Brücken und Beziehungslinien
von verblüffend tiefer und nahe gehender Wirkung her.
„Ich bin davon überzeugt, dass Kunst nur dann berührt
und durchdringt, wenn sie durch Wahrhaftigkeit und Leidenschaft
entsteht. Und ich merke es immer deutlicher: alles, was wirklich
tief geht, muss glücken. Es ist gut zu wissen, dass es Komplizen
gibt, mit denen ich meine Leidenschaft teilen kann. Es ist ein Glück
für mich, Musiker zu sein. Beheimatet in einer wortlosen Sprache.”
Das waren Manfred Eichers Schlussworte in einer wunderbar ehrlichen
und tiefen Rede zur Verleihung des Ehrenpreises. Und es ist auch
für uns beruhigend zu wissen, dass es immer noch solche Komplizen
gibt.