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nmz-archiv
nmz 2005/03 | Seite 42
54. Jahrgang | März
Bücher
Exploration, Improvisation, Gestaltung
Eine Sammlung von Materialien und Reflexionen weitet den Blick
für kreative Gruppenprozesse
Vroni Priesner, Doris Hamann (Hrsg.): Laut, Geste, Klang.
Räume öffnen in elementaren musikalischen Gestaltungsprozessen.
Beiträge zur ästhetischen Bildung. Klimperbein Verlag,
Hersbruck 2004. 198 Seiten, 15 Arbeitsblätter, € 39,90,
ISBN 3-9809236-1-4
Mit dem Werk „Laut, Geste, Klang“ stellt ein Team von
Autorinnen in mehreren Beiträgen Wege des Künstlerischen
Gestaltens in der Elementaren Musikpädagogik vor. Damit wird
ein Thema aufgegriffen, das auch für verwandte Bereiche interessant
sein könnte. Gleich zu Beginn liest man: „Lasst uns mit
der Neugier von Kindern die Entdeckungsreise durch die imaginären
Räume von Kunst beginnen, indem wir zunächst Räume
in uns selbst öffnen: Atem- und Resonanzräume, Bewegungsräume,
Klangräume, Spielräume des Handelns und Denkens.“
Diese „Reise“ kann in fünf Heften, die farbig unterschiedlich
gestaltet in einem Schuber zusammengefasst sind, gedanklich nachvollzogen
werden.
Was erfährt man auf dieser Reise? Beim ersten Durchblättern
und Anlesen kommt Irritation auf. Wo werden welche Inhalte in gedanklicher
Konsequenz entwickelt? Es gibt freie Flächen, einige Gedichte,
eine Sammlung kunsttheoretischer Zitate, graphisch gestaltete Arbeitsblätter
mit Übungen, fantasieanregende Zeichnungen und Fotos von Inszenierungen.
Doch schnell wird deutlich, dass es den Autorinnen offensichtlich
ein Anliegen ist, auf diese Weise den Blick beim Studieren der Beiträge
zu weiten. Hierfür sorgen die Gestaltung ebenso wie die Bezeichnungen
der einzelnen Hefte mit „Entrée“, „Atelier“,
„Bibliothek“, „Kinderzimmer“ und „Spielräume“.
Offensichtlich soll der Leser sowohl zum rational-logischen als
auch assoziativ-fantasievollen Mitvollziehen des Inhaltes angeregt
werden. Während das „Atelier“, das „Kinderzimmer“
und die „Spielräume“ die Praxis veranschaulichen,
findet man in der „Bibliothek“ theoretische Beiträge.
Bereits in den Leitgedanken des „Entrées“ wird
deutlich, dass es den Autorinnen nicht „um das Einüben
und Reproduzieren von bereits geschaffenen Werken geht“. Vielmehr
sollen die Studierenden selbst im kreativen Gruppenprozess ein neues
Werk künstlerisch (mit-)gestalten. Ein Kunstwerk jeglicher
Gattung wird verglichen „mit einem architektonisch vollkommenem
Bauwerk“. Dieses soll im künstlerischen Prozess durchdrungen
und erforscht, gleichsam „Stein um Stein“ abgetragen
werden, um so zu seiner Essenz, seinen Kompositionsprinzipien und
-hintergründen vorzudringen. Aus diesem „Material“
und den damit verbundenen Erfahrungen soll etwas Neues geschaffen
werden. Für diesen Weg können Werke aus allen Kunstrichtungen
dienen und gegebenenfalls im Schaffensprozess miteinander verknüpft
werden. Die Pädagogen haben dabei die Aufgabe, „Gestaltungsprozesse
zu planen, zu initiieren und durchzuführen“, so dass
die Studierenden durch Explorieren, Improvisieren und Gestalten
eigene Ausdrucksformen entwickeln.
In allen Beiträgen wird das Anliegen der Autorinnen deutlich,
Ziele, Inhalte und Formen einer „Künstlerischen Praxis“
der Elementaren Musikpädagogik darzustellen. In der „Bibliothek“
beleuchten sie diese unter theoretischen Aspekten und geben damit
für eine kritische Diskussion hilfreiche Ansätze, die
freilich nicht erschöpfend sind. Besonders das in allen Beiträgen
betonte prozessorientierte Handeln erfordert „Situationen,
die sich an Modellen künstlerischer Schaffensprozesse orientieren
(…), die in Inhalten, Vorgehensweisen und emotionalen Qualitäten
denen des Kaleidoskops entsprechen.“ Um diese sinnvolle Absicht
zu verwirklichen, wäre es notwendig, neben der theoretischen
Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und Komposition
ebenso grundsätzliche Gedanken zu den psychischen und sozialen
Prozessen des Individuums und der Gruppe aufzugreifen. Diese werden
zwar in den „Spielräumen“ in gelungener Weise eingeflochten
(methodisch/pädagogische, inhaltliche, psychologische Gesichtspunkte,
Sozialverhalten/Gruppenprozesse), hätten aber neben den bereits
genannten Themen in der Bibliothek ebenso grundlegend verarbeitet
werden können. Die Dokumentationen aus der Praxis beeindrucken
dadurch, dass sie sich nicht auf die Beschreibung einzelner Übungen
beschränken, sondern konsequent den „produktiv-schöpferischen“
Weg aufzeigen. Auch wenn viele Beispiele bereits aus verwandten
Bereichen, wie etwa Rhythmik, Spielpädagogik oder Tanz bekannt
sind, bieten sie dem Leser aufgrund ihrer intermedialen Verknüpfungen
und prozessorientierten Darstellung wertvolle Anregungen.