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Ausgabe 2005/03
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nmz 2005/03 | Seite 40
54. Jahrgang | März
Rezensionen

Fragwürdige Auswahlkriterien, gute Ausbeute

Die Opernedition der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: ein Gelingen mit Abstrichen

Willkommen im Schnäppchenparadies. Kultur muss nicht teuer sein. Gebundene Romanausgaben unter 5 Euro, Kinofilme auf DVD unter 10 Euro. Kaum ein größeres Verlagshaus, das sich nicht, geschmückt vom Urteil ihrer Feuilletonredaktionen, am großen Schlussverkauf beteiligt. Alles muss raus.

Vom Preis und Erscheinungsbild her versucht sich die FAZ-Edition mit Opern-DVDs da ein wenig abzuheben. „Sie haben das Geld, wir den Geschmack“ scheint an die Stelle von „Geiz ist geil“ zu treten. Der Anspruch, „die 20 wichtigsten Opernaufführungen“ herausgesucht zu haben, ist schon Ehrfurcht gebietend, doch wird schnell klar, dass die Edition an diesem Anspruch gemessen, nur scheitern konnte.

Was schon die ersten beiden Folgen mit je vier Opern vermuten ließen, bestätigt sich bei der Vervollständigung: Die Kooperation mit nur einem Partner (Arthaus) schränkte die Auswahl auf jenes Material ein, das eben dieses Label schon veröffentlicht hatte und nun etwa zehn Euro unterm üblichen Preis zu haben ist. An eine streng nach Qualitätsmaßstäben vorgenommene oder wenigstens repräsentative Auswahl ist bei einer solchen Konstellation natürlich nicht zu denken. Unter anderen Umständen hätte die fast schon lächerlich pompöse und bis auf Pavarottis solide herausposaunten Radames musikalisch unbedeutende „Aida“-Produktion (Mailänder Scala 1986) hier ebenso wenig Berücksichtigung gefunden wie die – gemessen am Namen des Regisseurs – völlig unspektakuläre „Bohème“ aus Sidney, auch wenn Baz Luhrmann hier einige Jahre vor „Moulin Rouge“ optisch schon ein paar Fühler in Richtung Montmartre ausgestreckt hat. Szenisch ebenfalls enttäuschend Pierre Strossers Lyoner „Pelléas“, als imaginäres Drama in Fin-de-Siècle-Innenräume eingesperrt und – eigentlich unverzeihlich – mit vertauschten Stereo-Kanälen.

Zwei kaum mehr als routinierte Regiearbeiten bieten zumindest üppig ausgestattete und prominent besetzte Raritäten: Shirley Verrett an der Seite Plácido Domingos in Meyerbeers „Afrikanerin“ und die große Marilyn Horne als „Orlando Furioso“ in Vivaldis Ariost-Adaption. Ein weiterer Repertoire-Außenseiter, Paisiellos „Nina“, wird in der Hauptsache durch Cecilia Bartolis fulminante Bühnenpräsenz inmitten einer auch sonst sorgfältigen und liebevollen Zürcher Aufführung legitimiert.

Eher enttäuschend letztlich auch die Präsentation der Boxen. Der ursprüngliche Begleittext der Arthaus-Versionen (ohne Aktualisierung der Künstlerbiografien) wird ergänzt durch einen Essay aus der FAZ-Redaktion. Dieser bezieht sich aber nicht, wie man erwarten könnte, auf die Besonderheiten, die die jeweilige Aufführung zu einer der „wichtigsten“ machen würde, sondern oft nur auf das Werk selbst, woran schon das Dilemma abzulesen ist, in dem die Fachleute da gesteckt haben müssen.

Andererseits sind in der Sammlung aber sehr gute bis herausragende Produktionen zu erleben. Solche, in denen die handwerklich gediegene Inszenierungsarbeit im Laufe des Stücks an Dringlichkeit gewinnt und in Verbindung mit hervorragenden Sängerleistungen absolut werkdienliche Ergebnisse hervorbringen: „Peter Grimes“ aus der English National Opera mit einem großartigen Philip Langridge in der Titelpartie und „Pique Dame“ aus Glyndebourne mit einem erschreckend neurotischen Hermann (Yuri Marusin) und einer gespenstisch schön singenden Gräfin (Felicity Palmer). Vor allem aber Götz Friedrichs abgeklärte, in der wunderbar differenzierten Personenführung beglückende „Meistersinger“ mit dem gesangstechnisch überragenden Hans Sachs Wolfgang Brendels setzen hier höchste Maßstäbe.

Oder solche, die auf ganz unterschiedliche Weise einen verblüffenden Blick auf ein Stück werfen. Die beiden Händel-Opern wären hier zu nennen; Jossie Wielers mit brillanter Strenge modernisierte „Alcina“ aus Stuttgart und – vokal noch spektakulärer – David Aldens Münchner Comic-Strip namens „Rinaldo“ – ein Sängerfest. Auch Axel Mantheys subtil naive Bebilderung der „Zauberflöte“ von den Ludwigsburger Festspielen gehört hierher, freilich mit einigen gesanglichen Abstrichen, und natürlich Robert Wilsons bewährtes Zeitlupen-Theater, das sich als erstaunlich kompatibel mit Glucks Reform des musikdramatischen Zeitgefühls im „Orphée“ erweist. Gardiners Dirigat der Berlioz-Fassung übertrifft diejenige Ivor Boltons in der jüngst erschienenen Münchner Produktion (Farao Classics) deutlich, Magdalena Kozena erreicht allerdings nicht die gestalterische Kraft Vesselina Kasarovas in der Titelrolle. Als Penelope steht Letztere ganz im Mittelpunkt der Zürcher Aufführung des „Ulisse“, in der Klaus-Michael Grüber und Nikolaus Harnoncourt Monteverdi als einen zeitlos gültigen Musikdramatiker präsentieren, und als „Belle Helène“ brilliert sie in Helmut Lohners köstlicher Version von Offenbachs Klassiker (Zürich 1997). Ein Dokument intelligenten Regietheaters auch Herbert Wernickes illusionslos präziser „Falstaff“ aus Aix-en-Provence, mit einem hervorragenden Sängerkollektiv um den intellektuellen Außenseiter herum, als der sich Willard White in der Hauptrolle gibt.

Zwei Inszenierungen treffen den musikalischen Tonfall mit instinktivem Gespür und großer szenischer Imagination haargenau: Louis Erlo den trockenen Sarkasmus von Prokoffiefs „Liebe zu den drei Orangen“ (Lyon 1989) und Dario Fos exemplarische, den Geist der Comedia dell’arte atmende Amsterdamer Aufführung des Rossinischen „Barbier“, ein auch sängerisch beglückendes Ereignis.

Eine Besonderheit schließlich Benoît Jacquots Tosca-Film. Puccini-Puristen werden vielleicht die Nase rümpfen, wenn die ein oder andere Kantilene zugunsten eines geflüsterten inneren Monologs akustisch in den Hintergrund geblendet wird. Einigen Problemen mit der Synchronisation und dem gegenüber Angela Gheorghiu und Ruggiero Raimondi nicht nur darstellerischen Abfallen Roberto Alagnas zum Trotz macht dieser Film aber deutlich, was in diesem Medium über das oft einfallslose Abfilmen von Aufführungen hinaus möglich wäre. Am ästhetischen und musikdramatischen Gelingen dieses Zugriffs, der den Opernfilm zu einer Gattung eigenen Rangs erhebt, kann jedenfalls kaum ein Zweifel bestehen.

Juan Martin Koch

FAZ-Opernedition

  • Serie 1: Orphée et Eurydice (Wilson/Gardiner), Falstaff (Wernicke/Mazzola), Die Meistersinger von Nürnberg (Friedrich/Frühbeck de Burgos), Tosca (Jacquot/Pappano)
  • Serie 2: Rinaldo (Alden/Bicket), La Belle Hélène (Lohner/Harnoncourt), Aida (Ronconi/Maazel), Die Zauberflöte (Manthey/Gönnenwein)
  • Serie 3: Alcina (Wiehler/Hacker), L’Africaine (Mansouri/Arena), Pique Dame (Vick/Davis), Capriccio (Lawless/Runnicles)
  • Serie 4: Peter Grimes (Albery/Atherton), Pelléas et Mélisande (Strosser/Gardiner), Nina (Lievi/Fischer), Orlando Furioso (Pizzi/Behr)
  • Serie 5: Il ritorno d’Ulisse in patria (Grüber/Harnoncourt), L’amour des trois oranges (Erlo/Nagano), La Boheme (Luhrmann/Smith), Il barbiere di Siviglia (Fo/Zedda)
  • Gesamtedition (20 Opern): € 339,- zzgl. Versandkosten, Paket mit jeweils vier Opern: € 69,-, Einzelpreis: € 19,90

www.faz-net.de/dvd-shop

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