[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2005/03 | Seite 25
54. Jahrgang | März
Verbandspolitik
Wer funktioniert, kann nicht agieren
Interview mit Manfred Trojahn, dem neuen Präsidenten des
Deutschen Komponistenverbandes
Der 1949 in Cremlingen geborene Komponist studierte von 1966 bis
1970 Orchestermusik (Flöte) in Braunschweig, dann ab 1970 Orchestermusik
und Komposition in Hamburg und wurde 1991 als Professor für
Komposition an die Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf berufen.
Als Dirigent arbeitete er unter anderem mit dem Ensemble Modern
und der Staatskapelle Berlin. Er lebt abwechselnd in Düsseldorf
und Paris. Zu seinen Werken gehören die Opern „Enrico
– dramatische Komödie“ und „Was ihr wollt“,
Variationen für Orchester oder „Lieder auf der Flucht“.
Im Juni 2004 wurde er zum Präsidenten des Deutschen Komponistenverbandes
gewählt. Die nmz sprach mit ihm.
nmz: Sie sind seit etwa einem halben Jahr Vorsitzender
des Deutschen Komponistenverbandes. Was hat Sie als Kreativer
und Lehrender dazu bewogen, jetzt als Funktionär einem Verband
vorzusitzen?
Manfred Trojahn: Auf diese Frage hab’ ich mich schon
lange gefreut. Funktionär! Nun, ich funktioniere nicht und
werde einiges daransetzen, dass das auch so bleibt. Wenn man funktioniert,
kann man nicht reagieren und vor allem nicht agieren. Künstler
agieren und so werde ich versuchen auch diese Tätigkeit auszuüben,
nicht als Funktionär sondern als Künstler. Wir erleben
eine Zeit in der unsere Arbeit, die Arbeit aller Menschen, die im
kulturellen Bereich tätig sind, einer gesellschaftlichen Neubewertung
unterzogen wird. Es kann uns nicht gleichgültig sein, wer da
bewertet und welche Kriterien angelegt werden. Wir müssen unsere
Haltung dazu zum Ausdruck bringen. Das erfordert Engagement: hier
ist meines…
Arbeit der Zukunft
nmz: Was sind denn die zukünftigen Arbeitsschwerpunkte
für die nächsten Monate, für die nächsten
Jahre auch des Komponistenverbandes?
Kreativer, Lehrender, „Funktionär“:
Manfred Trojahn. Foto: Martin Hufner
Trojahn: Der Verband hat sich auf einige Kerngebiete zu
konzentrieren. Die Neubewertung des Urheberrechtes – auch
im europäischen Rahmen – ist ein derartiges Gebiet, die
rasante Veränderung der Rundfunklandschaft ein weiteres, und
natürlich wird die Entwicklung der Urheberrechtsgesellschaften
für Deutschland, also die der GEMA, ein zentrales Gebiet bleiben.
All dieses ist heute im europäischen Kontext zu betrachten
und so wird ein mittelfristiges Projekt ganz sicher ein europäischer
Zusammenschluss der Komponisten sein. Nicht zuletzt sollte der Verband
eine Stimme dort erhalten, wo über den Wert von Kunst und Kultur
in unserer Gesellschaft befunden wird. Die deutschen Komponisten
haben dazu ganz sicher interessante, dezidierte Auffassungen…
All das lässt sich allerdings nur richtig beginnen, wenn
der Verband als zentrale Aufgabe begreift, dass er die jungen Komponisten
als Mitglieder gewinnen muss, oder besser nicht nur die jungen,
sondern all diejenigen, die bisher noch die Auffassung haben, man
könne so weiterträumen wie bisher und irgendwer würde
das Überleben schon regeln.
Man hat zu lange darauf verzichtet, intensive Werbung für
die Mitgliedschaft zu betreiben – hierzu sind Konzepte zu
entwickeln und dafür ist ein eindeutiges Votum für die
Richtung der Verbandsarbeit nötig. Ich werde bei der Mitgliederversammlung
im Sommer solche Konzepte vorschlagen – wir sehen dann, was
die Mitglieder dazu sagen werden.
Themen
nmz: Welches sind denn ganz konkret die gemeinsamen kultur-
oder verbandspolitischen Themen, die in den nächsten Monaten
anzugehen sind?
Trojahn: Es gilt, Stellung zu beziehen zu den Fragen, die
sich aus dem „Korb 2“ genannten Referentenentwurf zum
Urhebergesetz und dessen gesetzlicher Umsetzung ergeben. Es gibt
da zum Beispiel neue Festlegungen im Verhältnis Autor-Verleger,
die mit Sinn zu füllen sind. Das wird Verhandlungen mit unseren
Freunden und Förderern, den Verlegern erforderlich machen.
Und wie ich die kenne, werden sie zunächst nicht sonderlich
„amused“ reagieren. Es gilt weiterhin, eine Position
der deutschen Komponisten zur Quotenregelung im Rundfunk zu finden.
Und natürlich haben die Komponisten mitzureden bei der Frage
nach Sendeplätzen für Neue Musik, oder besser: zeitgenössischer
Musik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Das was da im Moment von radikalisierten Kleinbürgern zerschlagen
wird – und zwar mit schamlos populistischen Argumenten –
darf von uns nicht ohne erbitterten Widerstand aufgegeben werden.
Es sind Strukturen, die einst aufgebaut wurden, um einen kreativen
Bereich der Gesellschaft zu ermöglichen. Das kann man nicht
einfach kündigen.
nmz: Der DKV ist ein Verband, der U- und E-Komponisten
unter einem Dach vereint. Wie wollen Sie es schaffen, die Komponisten
zu gemeinsamen Positionen zu bewegen, auch an den Punkten, die
in den letzten Jahren zu Spannungen geführt haben?
Trojahn: Nun, ich habe zu Beginn meiner Amtszeit gesagt,
der DKV muss wieder verstärkt der Verband aller Komponisten
werden oder es wird ihn in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Wenn
das Solidarmodell sich nicht weiterführen und verbessern lässt
dann wird der Verband zerfallen, das wäre sehr traurig, aber
dann wohl nötig. Im Moment spüre ich den Willen zur Solidarität
und sehe zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Kollegen der
E-Musik den Wunsch der U-Kollegen nach einer Rundfunkquote stützen,
obwohl viele keine wirkliche Zuneigung zu diesem Instrumentarium
verspüren. Ich persönlich werbe dafür, weil ich –
langjährig in Frankreich ansässig, das ja eine solche
Quote eingeführt hat – gute Ergebnisse für die französischen
Kollegen erkenne.
Im Gegenzug erwarte ich die Zustimmung der U-Komponisten zu unserer
Haltung in der Bewertung des zusammenbrechenden Rundfunkengagements
für die zeitgenössische Musik. Es muss begriffen werden,
dass es gemeinsam besser geht als gegeneinander, und ich habe zunächst
einmal die Hoffnung, dass sich diese Erkenntnis durchsetzen wird.
Wir befinden uns in einer gesellschaftlichen Umwälzungsphase,
bei der letzten Endes nicht nur die E-Musik auf dem Prüfstand
steht, sondern das Verhältnis der Gesellschaft zur Autorenschaft
insgesamt. Da ist eine Positionierung von beiden kompositorischen
Richtungen nötig und möglich und zwar eine gemeinsame,
solidarische.
Selbstverständlich ist das Denken in ästhetischen Kategorien
und Wertigkeiten sehr stark. Allerdings ist es politisch unklug,
an Polarisierungen festzuhalten wenn sie die Positionen der Allgemeinheit
der Autoren schwächen. Was erforderlich ist, ist eine neue
Haltung der Mitglieder zu ihrem Verband, der als Lobby für
alle zu begreifen wäre. Vielleicht gelingt es durch den Generationswechsel
der mit meiner Wahl stattgefunden hat, hier einiges zu verändern.
Neue Strukturen
nmz: Und deswegen gibt es vielleicht auch eine neue Personal-,
eine neue Führungsstruktur?
Trojahn: Ich habe von Anfang an versucht, mein Amt nicht
präsidialhegemonial zu verstehen – das interessiert mich
nicht, ich definiere mich nicht zuerst über dieses Amt und
bin kein Funktionär. Ich bin ein hinreichend prominenter Komponist
und vielleicht tut das dem Verband ganz gut.
Alles andere muss ich lernen und das tue ich dadurch, dass ich
Fragen stelle. Ich kann diese Fragen einem sehr engagierten Vorstand
stellen und es gibt eine erfahrene Geschäftsführerin,
Sabine Begemann, die ihrerseits zurückgreifen kann auf die
Erfahrungen der wunderbaren Marianne Augustin, die – 90-jährig
– über fünf Jahrzehnte Verbandserfahrung verfügt
und diese weise und lebhaft einzubringen versteht. Hinzu kommt,
dass wir Barbara Haack für die Mitarbeit bei uns gewinnen konnten.
Ich bin also umgeben von starken, fähigen Frauen – es
kann nichts schief gehen.
Der Vorstand geht unter diesen Umständen sehr gut damit um,
dass der Präsident nicht aus jahrelanger Erfahrung heraus alles
regelt, sondern hauptsächlich Fragen stellt.
Sie haben mich vorhin als Lehrenden angesprochen: Ich bin als Professor
an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf auch kein „Lehrer“
geworden, der doziert, sondern ich bin einer, der fragt.
Ausbildung & Arbeitslosigkeit
nmz: Sie bereiten Kompositionsstudenten auf ihren Beruf
vor. Ist das nicht eine Ausbildung zur Arbeitslosigkeit?
Trojahn: Jahrzehnte gepflegter Versorgungsstaatsmentalität
haben dazu geführt, dass jetzt gefordert wird, die Ausbildungsgänge
für Komponisten am Arbeitsmarkt zu orientieren. Irgendein hochqualifiziertes
Mädelchen aus dem NRW-Wissenschaftsministerium hat das, mir
gegenüber, jüngst so formuliert. Ich denke, es hat sich
eine falsche Vorstellung eingeschlichen, über das, was ein
Künstler ist.
An unserer Hochschule zählt seit neuestem alles zur „künstlerischen“
Ausbildung. Unsere Freunde von der Musikwissenschaft oder der Pädagogik
dürfen sich daher als Künstler fühlen.
Ich hoffe, das hilft dem angeschlagenen Selbstbewusstsein auf.
Ich bestehe – ein wenig donquichottehaft – auf der absoluten
Sonderstellung der künstlerischen Ausbildung, die zur Freien
Kunst führt. Da sind wir als Komponisten den freien Malern,
die an den Kunstakademien ausgebildet werden, näher als etwa
den viel handwerklicher geprägten Instrumentalisten.
Wir erleben ein Gerede über Exzellenz und Elite, meist von
denen betrieben, denen man raten möchte, gerade diese Begriffe
aus ihrem Wortschatz zu tilgen. Gleichzeitig gibt es eine freche
Bemühung, eben diesen Eliten das Leben zu komplizieren, mit
überregulierten Studiengängen, mit unzureichender Mittelzuwendung
an die Hochschulen, die daher meist nur Rudimentäres leisten
können....
Da kommt es denn gerade recht, „Normalität“ in
der Ausbildung zu fördern mit dem Hinweis, das andere sei doch
gefährlich und könne böse enden, vielleicht sogar
in der Arbeitslosigkeit. Als hätte sich ein Künstler von
solchen Argumenten je abhalten lassen. Für diese spießige
Politik, von den Ministerien entwickelt und von den Hochschulen
fröhlich mitgetragen, fehlt es mir an Verständnis.
Jeder Student, der zu mir kommt, ist angehalten zu fordern, von
sich, von mir, und er muss irgendwann entscheiden, ob diese Welt,
in die er strebt etwas für ihn ist. Gerade heute ist der Schritt
zum freien Komponisten nur mit großem Selbstbewusstsein und
viel Mut zu wagen – ich bin aber der Meinung er sollte ermöglicht
werden, weil er, gesellschaftlich sinnvoll oder nicht, sowieso von
einigen versucht werden wird.
Für mich zählt diese freie Wahl zur Menschenwürde.
Dazu ist kein akademischer Abschluss nötig, mir mangelt es
auch an einem solchen, allerdings haben sich die Akademien es sich
früher nicht nehmen lassen, diesen Menschen einen Rahmen zu
geben, gegen den man sich prächtig auflehnen konnte. Heute
binden wir sie ein in die langweiligen Perspektiven bürgerlicher
Lebensplanung.
Selbstvermarktung
nmz: Halten Sie eine Art Selbstvermarktung oder Selbstmanagement,
-ausbildung für die Komponisten für sinnvoll?
Trojahn: Wissen Sie, eine sinnvolle Selbstvermarktung setzt
ja einen Markt voraus. Im Moment scheint es mir so, als mangele
es an diesem… Selbstvermarktung in solch einer Zeit als Studieninhalt
zu fordern und nicht gleichzeitig Lösungen für den Markt
anzubieten, ist reiner Zynismus. Man kann nicht Orchester schließen
und den Musikern dann sagen, schafft eure Märkte nun durch
Selbstvermarktung. Es mangelt an einer kultivierten Gesellschaft,
die begreift, dass das einzige, das von ihr bleiben wird, ihre Kunst
und Kultur ist. Ich habe das umsichwütende Banausentum in den
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schon angesprochen
– dagegen bräuchte es Widerstände, gesamtgesellschaftliche
Widerstände natürlich, aber zuvörderst die derjenigen,
die für die und in der Kunst und Kultur arbeiten.
Ich habe nicht den Eindruck, dass die Hochschulen sich als Teile
dieser Problemfelder begreifen, von daher denke ich, wird die Selbstvermarktung
wohl doch nur von jenen gepredigt werden, die sie nicht nötig
haben. Davon, also von solchen, die die Praxis nur aus der Theorie
kennen, haben wir in den Instituten auch so schon hinreichend viele.