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nmz-archiv
nmz 2005/04 | Seite 11
54. Jahrgang | April
Forum
Die Popmusik ist schon längst tot
Anmerkung zu Arno Lückers Artikel „Die Popmusik ist
tot…“, nmz 3/05,
Seite 48
Als in den 90er-Jahren die Technowelle aufbrauste, griff die Angst
um sich, dieser Bumm-Bumm-Bumm-Maschinensound würde die gute
Popmusik zu Grabe tragen. Dass im Zuge der neuen Bewegung sich eine
beachtliche subkulturelle Vielfalt ausdifferenzierte, von der Kunst
des Plattenauflegens über neue Trendmagazine bis hin zu den
gigantischen Party-Events der Love Parade und ihren schrägen
Outfits, übersah man bei der groben Kritik des Musikalischen
geflissentlich. Dabei lässt eben diese Vielfalt doch darauf
schließen, wie lasch und leer Pop damals schon war. Nur blieb
der synthetischen Tanzmusik ein folgenreicheres wirtschaftliches
Interesse versagt, da sie dafür zu artifiziell, vielleicht
vom Selbstverständnis auch zu subversiv war. Andererseits fand
sie auch keinen Eingang in die Hochkultur, weil sie zu sehr in den
Stätten des Underground beheimatet blieb. So verflüchtigte
sich Techno wieder in seinen Zersplitterungen, während konträr
dazu der populäre Starkult weiterhin Präsenz und Profite
versprach, und sei es als justiziables Objekt wie in der Person
Michael Jacksons, dem einstigen „King of Pop“.
Pop war dadurch jedenfalls alt geworden. Wenn er, wie beispielsweise
aus Großbritannien, noch einmal musikalisch für Aufsehen
sorgte, war zurecht vom 70er-„Revival“ die Rede. Ebenso
speist sich das Liedrepertoire in „Deutschland sucht den Superstar“
und Co. aus den irgendwie aufgewärmten „Klassikern“
(abgesehen von Bohlens Neukompositionen, die den Namen nicht verdienen).
Es scheint, dass der Pop in sein postmodernes Stadium eingetreten
ist, wenn die jetzige Vermarktungsstrategie sich mehr denn je den
hinteren Gliedern der Verwertungskette widmet. Dies liegt aber im
Verlust ästhetischer Qualitäten begründet, und nicht
in der Missgunst der angeblich verkommenen Masse. Denn Pop war seit
jeher auf Breitenwirkung angelegt und kommerziell manifestiert;
die immer peinlicheren Shows sind nur das Oberflächenphänomen
dieses (Madonna weiß es im Übrigen schon lange) weithin
ausgelaugten Keyboard- & Gitarrenband-Sounds. Es ist verständlich,
dass der Kapitalismus aus dem mürben Lappen so noch einige
Rubel wringen will. Doch wenn das hierbei optierende Publikum überhaupt
relevant sein sollte, ist es sein Auswahlspektrum längst nicht
mehr.
„Erlösung“ im Geiste Adornos (dessen geschichtsphilosophische
Reflexion Lücker, fragwürdig, zur Kritik des Läppischen
variiert) macht hierbei wenig Sinn. Nach dem Super-Star jetzt noch
die Er-, Auf- oder sonst eine rigorose Lösung zu suchen mag
sich mancher wünschen – in der postmodernen Sicht aber
hat die Popmusik, neben Rock ‘n’ Roll, Reggae, Metal
und so weiter, schon ihren neuen Platz gefunden, ob gut oder schlecht.
Und das werden auch die Programmmacher der privaten Sendeanstalten
irgendwann – auf ihre Weise – wiederum griffig formulieren
können.