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nmz-archiv
nmz 2005/03 | Seite 48
54. Jahrgang | März
Jazz, Rock, Pop
Die Popmusik ist tot, Wiedergeburt unerwünscht
Überlegungen zu einer aussterbenden Musikrichtung
Philosophie, wie sie angesichts von Schnappi (dem kleinen
Krokodil) einzig noch zu verantworten ist, wäre der Versuch,
alle Dinge so zu betrachten, wie sie vom Standpunkt der Erlösung
sich darstellten.
(frei nach Theodor W. Adorno, Minima Moralia)
Dem beliebten Verdacht, dass irgendetwas in oder an der Kunst zu
einem Ende kommen werde oder bereits zu einem Ende gekommen sei,
begegnet man häufig in Form von emotional vorgetragenen Diagnosen
oder nüchternen Thesen. Ist man selbst Produzent künstlerischer
Objekte, liegt eine emotionale Argumentation diesbezüglich
meist näher. Versteht man beispielsweise Theodor W. Adorno
aber zuallererst als Wissenschaftler, wird einsichtig, warum er
der Hegelschen „These vom Ende der Kunst” teils mit
Sympathie entgegentrat. Dass er ihr letztlich jedoch in großen
Teilen widersprach, ist auch auf seine eigene Involviertheit in
den künstlerischen Prozess – sei es als Komponist oder
vielmehr als Freund berühmter Komponisten – zurückzuführen.
Allerdings war für Adorno „große Musik“ tatsächlich
zu ihrem Ende gekommen, „kritische Musik“ dagegen noch
im Säuglingsstadium. Adornos Ästhetik ist dabei nahezu
eine reine Musikästhetik, wenngleich Beckett häufig Erwähnung
findet. Für Nick Cohn bedeutete das Ableben Elvis Presleys
1977 das „Ende der Popmusik“, wiewohl Waylon Jennings
den Tod Buddy Hollys 1959 als „the day the music died“
empfand.
Popmusik existiert bislang noch. Allerdings ist nicht nur von einer
„Krise“ zu sprechen. Die Betrachtung der Bilanz des
Pop-Jahres 2004 muss vielmehr zu dem Schluss führen, dass die
Popmusik tot und ihre Wiedergeburt unerwünscht ist.
Als Indikator ist die letzte Staffel der Pro7-Sendung „Popstars“
zu nennen, an der zuallererst zu beklagen war, dass sie 2004 Detlev
D! Soost nur als Choreographen, nicht aber als Jury-Mitglied aufbieten
konnte, was der Sendung einen Großteil ihres Unterhaltungspotenzials
raubte. Präsentierte sich der Produzent Fahrenkrog-Petersen
in einer frühen Phase der Casting-Show noch als – vermeintlich
frohe Botschaften verkündender – Prophet, so muss doch
befürchtet werden, dass dieser Satz lediglich als Motivation
der (zu jenem Zeitpunkt noch nicht ausgeschiedenen) Kandidaten gedacht
war. Dabei traf die Jury während der Vorrunden durchaus nachvollziehbare
Entscheidungen. Im Finale allerdings durften die Fernsehzuschauer
abstimmen. Hierbei bewies die Masse der votierenden Zielgruppe,
für die man den Namen „Die Jamba-Generation“ vorschlagen
möchte, freilich einmal mehr ihren außerordentlich schlechten
Geschmack und wählte mit Markus (39,5 %), Doreen (35,5 %),
Kristina (34 %) und Pat (32 %) genau jene Kandidaten in die neue
Band („Nu Pagadi“), die qualitativ mit Richard und Katrin
eigentlich während der meisten Sendungen der Staffel nicht
hatten mithalten können. Wenn also die Masse des jungen Publikums
den Sinn für Qualität verliert, sie dementsprechend das
jeweils Schlechteste am ehesten kauft, dann muss reagiert werden.
Es liegt zwar vermeintlich immer näher, beispielsweise von
dem „Ende der Neuen Musik“ zu sprechen, in Wahrheit
aber ist die populäre Musik am Ende und kann nun abgeschafft
werden.