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nmz-archiv
nmz 2005/05 | Seite 45
54. Jahrgang | Mai
Oper & Konzert
Schiller und Schily als Paten
Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs 2005 stellten
sich vor
Organisten gehören in Deutschland zu den zuverlässigsten
Musikern, während Oboisten und Trompeter leicht wegen Indisposition
ausfallen. Solche Erkenntnisse lassen sich anhand der Teilnehmerstatistik
zum Deutschen Musikwettbewerb 2005 gewinnen. Eine Rekordzahl von
270 jungen Musikerinnen und Musikern hatte sich in diesem Jahr für
die verschiedenen Solokategorien von Gesang bis Orgel gemeldet,
besonders viele im Bereich Gesang (39 Meldungen) und Violine (38).
Dagegen zeigten nur vier Tubisten und zwei Kontrabassisten Wettbewerbsinteresse.
Krankheit und andere Probleme reduzierten die Zahl der aktiven Teilnehmer
schließlich auf insgesamt 152, wobei es bei den Bläsern
viele, bei den Organisten die wenigsten Ausfälle gab. Fünfzehn
hatten sich gemeldet und dreizehn erschienen auch tatsächlich
zum ersten Durchgang.
Die Preisträger v.l.n.r.:
Andreas Hofmeir, Eleonora Reznik, Maximilian Hornung, Sophia
Jaffé und Nicolas Altstaedt. Foto: DMW/DMR
Der zwischen Berlin und Bonn wechselnde Deutsche Musikwettbewerb,
der nun zum 30. Male stattfand, stellt sehr hohe Ansprüche,
wie Wolfgang Gönnenwein, der Vorsitzende des Projektbeirats,
zugab. Neben dem international ausgeschriebenen ARD-Wettbewerb brauche
Deutschland auch einen hochrangigen nationalen Wettbewerb, um sein
eigenes Profil in der Musik zu entwickeln. Die Europäische
Union solle nicht zum „Einheitsbrei“ führen, sondern
zu kultureller Differenzierung, zu einer „Kultur der Vaterländer“.
Hierzu trägt der Deutsche Musikwettbewerb bei, der nicht nur
technische Fähigkeiten bewertet, sondern ebenso die Musikerpersönlichkeit.
An zwölf Berliner Märztagen wurde musiziert und gesiebt,
wobei zunächst die acht Fachjurys für Gesang, Klavier,
Streicher, Holzbläser, Blechbläser, Orgel, Harfe und Klavierpartner
das Wort hatten. Bei den dritten und vierten Durchgängen mussten
die Teilnehmer vor der Gesamtjury auftreten und diese unter übergreifenden
Aspekten überzeugen.
Der Deutsche Musikwettbewerb präsentiert aktuelle Spitzenleistungen
in den verschiedenen Fächern, wobei einzelne Bundesländer
herausragen. Inzwischen gibt es, wie Gönnenwein hervorhob,
ein ausgewogenes Verhältnis von alten und neuen Bundesländern.
Gerade in Leipzig und Dresden zeigten sich hohe kulturelle Substanzen.
Zwei der fünf Preisträger, die Geigerin Sophia Jaffé
und der Cellist Nicolas Altstaedt, kommen aus Berlin, während
der Cellist Maximilian Hornung als Bayer vorgestellt wurde. Auch
unter den 24 Stipendiaten war Berlin eindrucksvoll vertreten, gleichrangig
gefolgt von Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen
und Sachsen.
Dass in diesem Jahr drei der fünf Preisträger Streicher
sind, spricht für ein besonders hohes Niveau in diesem Bereich.
Dies zeigte sich schon beim Kammerkonzert der Stipendiaten, wo Sonja
Starke einen Satz aus der G-Dur-Violinsonate von Brahms mit warmer
Natürlichkeit und Dramatik spielte und Julian Arp der Cellosonate
von Debussy feinste dynamische Nuancen abgewann. Eine herausragende
Leistung bot die Harfenistin Ronith Mues, die schon vierjährig
auf ihrem Instrument begann und bei einer Fantasie von Louis Spohr
große dynamische Bögen und wunderbare Echowirkungen gestaltete.
Als eigenständige Persönlichkeit erwies sich der aus Schweinfurt
stammende Andreas Mildner; bei einem Divertissement von André
Caplet zeigte er mit subtilen Klangfarben und blitzsauberen Passagen,
dass die Harfe keineswegs nur eine Frauen-Domäne ist.
Unterschiedliche Darstellungsformen waren beim Klavier zu erleben.
Während Gerhard Vielhaber den ersten Satz aus Schumanns C-Dur-Fantasie
aus innerem Erleben gestaltete, näherte sich Hinrich Alpers
der zehnten Skrjabin-Sonate gleichsam von außen, auf analytische
Gliederung und Plastizität jedes Details bedacht. Drei Bläser
erhielten Stipendien: die Oboistin Sandra Schumacher, die die Melodiebögen
der drei Schumann-Romanzen mit makelloser Atemtechnik gestaltete,
Stefan Albers, der bei B.A. Zimmermann zwischen großen und
kleinen Flöten wechselte, und der Posaunist Michael Zühl.
Nicht weniger als 39 Sängerinnen und Sänger hatten sich
gemeldet, von denen niemand einen Preis, aber drei ein Stipendium
erhielten. Im Vergleich zu den Streichern fiel die Ausbeute damit
eher bescheiden aus. Wie Wolfgang Gönnenwein bestätigte,
gibt es Probleme mit dem Sängernachwuchs, wofür er dem
schulischen Musikunterricht eine Mitverantwortung gab. Der Auftritt
der aus Moldavien stammenden koloraturbegabten Anna Palimina beim
Kammerkonzert der Stipendiaten war somit auch ein Beleg für
die ungebrochene Potenz der russischen Schule. Ebenfalls aus Russland
stammt die heute in Köln lebende Eleonora Reznik, die im Fach
Klavierbegleitung einen Hauptpreis erhielt.
Die übrigen vier Preisträger bestritten im Konzerthaus
am Gendarmenmarkt das Abschlusskonzert mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester
Berlin. Der jüngste von ihnen, der 1986 in Augsburg geborene
Maximilian Hornung, hatte schon im Vorjahr mit seinem Klaviertrio
den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs gewonnen. Schumanns Cellokonzert
spielte er nun mit edlem, schlank und klar zeichnendem Ton und makelloser
Höhe. Dass der Blick dabei mehr auf die Details als auf das
Ganze fiel, mag auch am Dirigat von Matthias Foremny gelegen haben.
Keinerlei Orientierungsprobleme gab es dagegen beim a-moll-Violinkonzert
von Schostakowitsch mit der wahrhaft souveränen Solistin Sophia
Jaffé. Sie begann mit melancholischer Verinnerlichung, steigerte
sich dann im Duett mit dem Solohorn in einem großen Entwicklungsbogen
zu einem zunehmend kraftvollen und intensiven Spiel, das bei gemeißelten
Oktaven sogar beschwörenden Charakter annahm. Mit der großen
Kadenz zog die junge Berlinerin den ganzen Saal in ihren Bann.
Eine eher diskrete Bühnenerscheinung ist Nicolas Altstaedt,
der das Es-Dur-Cellokonzert von Schostakowitsch betont gelassen
und schlicht darbot. Den heroischen Charakter der Tonart dementierend
gab er seinem Instrument im Wechsel mit der Celesta einen gläsernen
Ton, wobei er in der Kadenz gerade aus der Stille Spannung erweckte.
Sogar das wilde Finale wirkte unter seinen Händen ebenso perfekt
wie selbstverständlich. Nach diesem Fest der Streicher rettete
zum Schluss Andreas Hofmeir, der erste Tubist unter den Wettbewerbsgewinnern,
die Ehre der Bläser. Wer gedacht hatte, dieses gewaltige Instrument
erfordere ähnlich dimensionierte Spieler, den belehrte das
Erscheinungsbild des schlacksigen Musikers eines Besseren. Dabei
war Hofmeir im Tubakonzert von John Williams fast pausenlos im Einsatz;
im Allegro molto-Finale brachte er die Luftsäule zum Springen
und Tanzen.
Der Deutsche Musikwettbewerb, ein Förderprojekt des Deutschen
Musikrates, steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten.
Gönnenwein verwies bei der Preisverleihung auf zwei weitere
„Paten“: auf Friedrich Schiller und Otto Schily. Der
eine hatte einst den hohen Stellenwert der ästhetischen Erziehung
hervorgehoben, was der andere so konkretisierte: „Wer Musikschulen
schließt, gefährdet die innere Sicherheit.“ Musikalische
Bildung, das beweist gerade der Deutsche Musikwettbewerb, ist auch
Persönlichkeitsbildung mit nachhaltiger Wirkung. Die diesjährigen
Preisträger erwecken Hoffnungen, die frühere Preisträger
wie Gerhard Oppitz, Peter Seiffert, Sabine Meyer und das Artemis
Quartett längst erfüllt haben.