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nmz-archiv
nmz 2005/05 | Seite 43
54. Jahrgang | Mai
Oper & Konzert
Denkmäler aus Stein und aus Tönen
Die Junge Deutsche Philharmonie spielt zur Eröffnung des
„Denkmals für die ermordeten Juden Europas“
Nach vielen Diskussionen und langer Vorbereitung wird am 10. Mai
in Berlin das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“
eröffnet. Die Junge Deutsche Philharmonie spielt am Vorabend
ein Konzert in der Berliner Philharmonie mit Werken von Brahms,
Toch, Schönberg, Schulhoff und Rihm. Albrecht Dümling
sprach für die nmz mit zwei Orchestervorständen sowie
der Geschäftsführerin Sonja Epping über dieses Projekt.
Florian Sebald: Schon im Jahre 2002 hat Elmar
Weingarten von der Deutschen Ensemble Akademie den Kontakt zu Lea
Rosh vom Holocaust-Mahnmal hergestellt. Daraufhin haben wir einen
Brief an sie geschrieben mit dem Inhalt, dass wir gerne dieses Festkonzert
gestalten würden. Frau Rosh ist dann während der Arbeitsphase
zu uns gekommen und hat über die Historie dieses Mahnmals erzählt.
Es hat sich ein Gespräch angeschlossen mit Fragen unsererseits.
Das war sehr beeindruckend.
nmz: Was bedeutet es für Sie als ein junges
deutsches Orchester, an einer solchen Veranstaltung mitzuwirken? Sebald: Wir repräsentieren eine neue Generation,
die mit dem Krieg aus eigener Erfahrung nichts mehr zu tun hat.
Deshalb sind wir prädestiniert dafür, mit einem jungen
Selbstbewusstsein sagen zu können: Man darf nicht vergessen.
Gerade unsere Generation muss die Erinnerung bewahren. Wir sind
diejenigen, an die sich das Denkmal richtet. Wir haben uns als Vorstand
deshalb unbedingt für dieses Konzert ausgesprochen.
nmz: Wie ist dieses spezielle Programm zustande
gekommen? Sonja Epping: Die durchgehende Idee ist, dass man
quasi aus allen Zeiten diese Sache reflektiert. Die Zeit vor dem
großen Katastrophen-Jahrhundert wird mit der Brahms-Ouvertüre
dargestellt; das ist die Zeit, bevor die deutsche Kultur diesen
schweren Einbruch erlitt. Man stellt Werke dar, die während
dieser Zeit entstanden sind, von Vertriebenen, von direkt Betroffenen:
Ernst Toch als Exilkomponist, Erwin Schulhoff als ein im Lager Gestorbener
und Wolfgang Rihm quasi als Nachgeborener – das ist der große
Bogen, den das Programm darstellen soll. Mit dem „Überlebenden
aus Warschau“ gibt es ein Stück, das sich explizit mit
der Thematik auseinandersetzt.
nmz: Haben Sie Informationen zum neuen Rihm-Stück?
Epping: Rihm war ursprünglich beteiligt am
„Requiem der Versöhnung“, das zum 50. Jahrestag
des Kriegsendes entstand. Sieben oder acht Komponisten aus allen
Kriegsländern haben je einen Teil dazu beigetragen. Seinen
Anteil hat er zur Grundlage gemacht für diese neue Komposition
und noch zusätzlich einen Nelly Sachs-Text vertont. Dadurch
nimmt es deutlicher Bezug auf die Thematik des Mahnmals, auf den
Holocaust.
nmz: Warum steht Schönbergs Psalm 1 am Schluss? Epping: Das war ein besonderer Wunsch von Herrn
Zagrosek. Dieses Schluss-Statement „Und trotzdem bete ich“
war ihm ein Bedürfnis innerhalb dieser Thematik – dass
es eben auch damals noch Hoffnung gab.
nmz: Herr Hille, wie ist die Zusammenarbeit mit
Lothar Zagrosek? Robert Hille: Er ist uns seit zehn Jahren sehr
eng verbunden. Im Sommer 2000 wurde er als Künstlerischer Berater
und Erster Gastdirigent wiedergewählt, mit überwältigender
Mehrheit. Deswegen sind wir sehr glücklich, dass er gerade
dieses Konzert mit uns vorbereitet und auch die ganze Probenarbeit
mit uns selbst leiten wird. Er wird dafür noch eine Stunde
pro Tag draufsatteln – also zehn Stunden Probe pro Tag.
nmz: Was versprechen Sie sich von diesem Konzert? Hille: Ich verspreche mir davon, dass wir mit unserem
Musizieren dem Mahnmal ein musikalisches Denkmal zur Seite stellen.
Dass wir als junge Generation bekennen, dass wir aus diesem Land
kommen, wo das alles stattgefunden hat. Die Philharmonie steht in
dieser geschichtsträchtigen Ecke, der Führerbunker ist
nicht weit, später dann der Todesstreifen, Mauer und jetzt
die Demokratie – alles auf einem Platz. Wir als junge Generation
müssen und wollen diese Geschichte annehmen und weitertragen.