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nmz-archiv
nmz 2005/05 | Seite 11
54. Jahrgang | Mai
Deutscher Kulturrat
Verwerter und Versicherte an Kandare nehmen
Debatte zur Stärkung der Künstlersozialversicherung
im Deutschen Bundestag hat begonnen
Im März dieses Jahres haben die Regierungsfraktionen den Antrag
„Künstlersozialversicherung stärken“ in den
Deutschen Bundestag eingebracht. Sie haben damit Anschluss an eine
Diskussion genommen, die auf Regierungsebene seit Ende des letzten
Jahres geführt wird. Nachdem auf dem Erlassweg bekannt gegeben
worden war, dass die Künstlersozialabgabe zum 01. Januar 2005
von 4,3 Prozent auf 5,8 Prozent steigen wird, haben die Verwerter
künstlerischer und publizistischer Leistungen sich in einem
Aktionsbündnis zusammengefunden, um gemeinsam für eine
Begrenzung der Künstlersozialabgabe einzutreten.
Ins Visier haben sie dabei auch ihre Berufskollegen genommen. Denn
noch immer kommen nicht alle Abgabepflichtigen ihrer gesetzlichen
Verpflichtung zur Künstlersozialabgabe nach. Das schafft Wettbewerbsnachteile
für diejenigen, die sich an Recht und Gesetz halten, weshalb
von den Verwertern selbst eine bessere Erfassung der Abgabepflichtigen
eingefordert wird. Eine größere personelle Ausstattung
der Künstlersozialkasse soll dazu beitragen, den Kreis der
Verwerter, die ihrer Abgabepflicht nachkommen, zu erweitern. Der
oben genannte Antrag der Regierungsfraktionen unterstützt dieses
Ziel nachdrücklich. Doch zugleich scheinen die Regierungsfraktionen
nicht nur die Verwerter stärker an die Kandare nehmen zu wollen,
es werden zusätzlich verschärfte Kontrollen für die
Versicherten gefordert.
Als Problem wurde von allen Abgeordneten der Anstieg an Versicherten
gesehen. Die Abgeordnete Angelika Krüger-Leißner (SPD)
rief die Zahlen noch einmal in Erinnerung. Im ersten Jahr des Bestehens
waren gerade mal 12.000 Künstler und Publizisten versichert,
heute sind es rund 140.000. Ein Ende des Zuwachses ist derzeit noch
nicht abzusehen.
Outsourcing-Strategien
Als Grund für den Zuwachs an Versicherten wurde in den Redebeiträgen
der Abgeordneten Outsourcing-Strategien der Unternehmen angeführt.
Es ist sicherlich richtig, dass in einigen Branchen Outsourcing-Strategien
bestehen und diese zweifelsohne dazu führen, dass ehemals fest
angestellte Mitarbeiter nun teilweise als freie Mitarbeiter arbeiten
und über die Künstlersozialversicherung versichert sind.
Vor allem Verlage und die Medienbranche werden in diesem Zusammenhang
angeführt.
Andere Bereiche
In anderen Bereichen wie zum Beispiel bei Bildenden Künstlern
trifft diese Beschreibung aber überhaupt nicht zu. Bildende
Künstler waren niemals bei Galeristen angestellt und werden
es voraussichtlich auch in der Zukunft nicht sein.
Von einem arbeitnehmerähnlichen Status für in der Künstlersozialversicherung
versicherte freiberufliche Künstler und Publizisten zu sprechen,
wie es die Abgeordnete Silvia Schmidt in ihrer Rede formuliert,
geht daher fehl. Auch sollte, wenn man den Anstieg der Versichertenzahl
beklagt, ehrlicherweise dazu gesagt werden, dass in den vergangenen
Jahren die Selbstständigkeit propagiert wurde und in einigen
Bundesländern die Kultur- und Medienbranche als Hoffnungsbranche
behandelt wurde. Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt werden für
das Land Nordrhein-Westfalen Kulturwirtschaftsberichte erstellt,
in denen das Wachstum dieser Branche hervorgehoben wird.
Erst im vergangenen Herbst hat Kulturstaatsministerin Weiss bei
der Vorstellung der Studie „Kulturberufe in Deutschland“
hervorgehoben, dass der Arbeitsmarkt Kultur mit der Mehrzahl an
Selbstständigen den künftigen Arbeitsmarkt antizipiert
(siehe hierzu auch den Beitrag von Zimmermann in „politik
und kultur“ 2/2005). Der Arbeitsmarkt Kultur und daraus folgend
der Anstieg der in der Künstlersozialversicherung Versicherten
ist also wesentlich komplexer als dass er allein mit dem Outsourcing
erklärt werden könnte.
Distanz und Kälte
Trotz der Anklage des Outsourcings erstaunt die Distanz und Kälte
mit der die Situation der Künstler beschrieben wird. Kaum ein
Abgeordneter lässt die Gelegenheit aus, die Frage zu stellen
– und sei es indirekt –, ob denn alle Versicherten tatsächlich
zu Recht in der Künstlersozialversicherung versichert sind.
So lädt nach Auffassung der Abgeordneten Birgitt Bender (Bündnis
90/Die Grünen) die Vorausschätzung der Einkommen zum Missbrauch
geradezu ein. Auch ist sie der Meinung, dass im Vergleich zu anderen
Selbstständigen die in der Künstlersozialkasse Versicherten
Privilegien genießen. Selbstständige müssen ansonsten
alleine die Beiträge zur Sozialversicherung aufbringen und
erhalten keinen fiktiven Arbeitgeberanteil. Ihres Erachtens wird
es immer schwieriger, selbstständige Tätigkeit und abhängige
Beschäftigung voneinander sauber zu unterscheiden. Bender schlussfolgert
daraus, dass alle Sondersysteme in der Sozialversicherung in Frage
gestellt werden sollten.
Die Abgeordnete Vera Lengsfeld (CDU/CSU) geht noch einen Schritt
weiter, sie sagt klipp und klar: „... Im Prinzip ist heute
jeder Einzelne dazu aufgefordert, eine eigenständige Vorsorge
zu treffen. Das gilt auch für Künstler. Dass deren Einkommen
so gering ist und sie ihre Vorsorge mit einem durchschnittlichen
Gehalt von 11.100 Euro im Jahr kaum bewältigen können,
ist nicht Sorge des Staates. Wir müssen eine stärkere
Eigeninitiative der Versicherten fordern.“
Heiße Debatte zur KSK
Demgegenüber erinnerte der Abgeordnete Hans-Joachim Otto (FDP)
daran, dass die Künstlersozialversicherung Grundlage der sozialen
Absicherung selbstständiger Künstler ist und der Bundeszuschuss
ein Beitrag des Staates zur Künstler- und zur Kunstförderung
ist. Damit wird nochmals klargestellt, dass die Künstlersozialversicherung
eine sozial- und kulturpolitisch wichtige Errungenschaft ist. Auch
der Abgeordnete Matthias Sehling (CDU/CSU) hebt auf den Bundeszuschuss
ab und sieht als eine Maßnahme zur Absenkung der Verwerterabgabe
die Wiederanhebung des Bundeszuschusses auf 25 Prozent.
Insgesamt versprechen die zu Protokoll gegebenen Reden eine heiße
Debatte zur Künstlersozialversicherung. Beide Oppositionsfraktionen,
CDU/CSU und FDP, haben für die nun anstehenden Ausschussberatungen
eigene Anträge zur Stärkung der Künstlersozialversicherung
angekündigt. Es bleibt abzuwarten, welche Schwerpunkte dort
gesetzt werden.