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nmz-archiv
nmz 2005/05 | Seite 28
54. Jahrgang | Mai
Jeunesses Musicales Deutschland
Wissensdurst gestillt
First Aeolian Academy in Weikersheim
Mittelpunkt des Interesses aller Kursteilnehmer waren die Dozenten.
Was nicht verwunderte, sind doch die Flötistin Carin Levine,
der Oboist Peter Veale und der Fagottist Pascal Gallois kompetente
Ansprechpartner für alle denkbaren Fragen zu Spieltechniken
auf ihrem Instrument und dazu noch begeisternde Vermittler von Neuer
Musik – und außerdem sie sind die Initiatoren dieses
Workshops, der in zwei Teilen im Februar und April auf Schloss Weikersheim
stattfand.
Das „Aeolian Trio“ wurde 2003 in Darmstadt gegründet.
Doch schon nach kurzer Zeit mussten die Musiker feststellen, dass
es für diese Kombination von Holzblasinstrumenten kaum Literatur
gibt. Alle drei kennen den Musikbetrieb im Bereich Neue Musik sehr
gut – Carin Levine hat schon unzählige Werke für
Flöte uraufgeführt, Peter Veale ist der Oboist der Musikfabrik
NRW und Pascal Gallois spielt in Pierre Boulez‘ Ensemble Intercontemporain
– und so beschlossen sie, einen Kompositionswettbewerb für
die Besetzung Flöte, Oboe und Fagott ins Leben zu rufen. Dieser
sehr erfolgreiche Wettbewerb wurde vergangenes Jahr durchgeführt,
die Uraufführungen der preisgekrönten Werke fanden auf
Schloss Weikersheim statt. In diesem Jahr gingen die drei Musiker
noch einen Schritt weiter, denn neben der Repertoireerweiterung
ist es ihnen genauso wichtig, eine lebendige Spielkultur für
diese besondere Form des Bläsertrios zu fördern. So lag
es nahe, junge Musiker zu suchen, die in dieser Besetzung zusammen
spielen wollten und zugleich auch junge Komponisten anzuregen, für
diese Musiker Stücke zu schreiben. Die geeigneten Partner für
die Umsetzung dieser Idee fanden sie in Dr. Ulrich Wüster,
Generalsekretär der Jeunesses Musicales Deutschland, als Gastgeber
für die Präsenzphasen des Workshops und in Gerhard Müller-Hornbach,
Professor für Komposition an der Musikhochschule Frankfurt,
der seine Studenten dazu anhielt, für das „aeolische“
Trio zu schreiben. Nachdem mehrere Musikhochschulen Mittel- und
Süddeutschlands angefragt worden waren, fanden sich am 27.
und 28. Februar vier frisch gebackene Trios aus Augsburg, Frankfurt,
Stuttgart und Würzburg in Weikersheim ein, um an der „First
Aeolian Academy“ teilzunehmen.
Die drei Dozenten hatten nun die Aufgabe, die jungen Musiker an
die modernen Spieltechniken der jeweiligen Instrumente heranzuführen,
Einblicke in die Lese- und Interpretationsmöglichkeiten von
Neuer Musik zu geben, Tipps zur Probenarbeit im Ensemble zu vermitteln,
wobei sie gleichzeitig den wissensdurstigen Kompositionsstudenten
erklärten, was auf den Instrumenten alles machbar ist und wo
die physikalischen Grenzen liegen. Die musikalische Kompetenz, die
ansteckende Begeisterung für ihre Instrumente und nicht zuletzt
ihre nicht zu erschöpfende Geduld und Freundlichkeit machte
Staunen. Neben aller fachlichen Kenntnisse vermittelten diese drei
Musikerpersönlichkeiten den jungen Leuten vor allem eines:
die Fähigkeit, mit und über Musik zu kommunizieren. Es
stellte sich nämlich schnell heraus, dass es für einen
Instrumentalisten manchmal unmöglich erscheint, zu verstehen,
was ein Komponist in seiner Partitur ausdrücken will –
und umgekehrt: ein Komponist kann manchmal überhaupt nicht
nachvollziehen, warum der Musiker völlig andere Töne,
Klänge oder Phrasen produziert, als dieser sich eigentlich
vorgestellt hat. Daher war es spannend, zu sehen, wie weit sich
die beiden Seiten in der darauffolgenden Zeit und während der
zweiten Probenphase vom 10. bis 13. April aufeinander zu bewegen
konnten: Die Partituren wurden rigoros den Instrumenten angepasst,
Stimmen wurden getauscht, die Reihenfolge von Sätzen verändert,
allzu schwierige Stellen weggelassen. Von den Interpreten wurde
extreme Flexibilität verlangt, etwa, wenn bis unmittelbar vor
dem Abschlusskonzert immer noch Änderungen per eMail eintrafen
und berücksichtigt werden wollten.
Diese intensive Auseinandersetzung konnte nicht ohne emotionale
Proteste geschehen, doch fanden sich dank der freundlich-bestimmten
Vermittlung der Dozenten immer wieder einvernehmliche Lösungen.
Fazit: Die „First Aeolian Academy“ war ein Workshop
der Spitzenklasse, geeignet, um Musikern, Komponisten – und
nicht zuletzt dem Publikum des Abschlusskonzertes in Heilbronn –
Lust zu machen, sich mit dieser Spielart der modernen Kammermusik
zu beschäftigen.
Sibylle Kayser
Bayern2Radio sendet am 9. Mai um 21.30 Uhr eine Reportage.